Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass der für die Berechnung des Zusatzzolls maßgebliche cif-Einfuhrpreis der fob-Preis des letzten drittländischen Verkäufers zuzüglich der tatsächlichen Transport- und Versicherungskosten ist – und zwar auch dann, wenn nach dem tatsächlichen Verbringen in das Zollgebiet der Union erst ein späterer Erwerber die Ware zum freien Verkehr anmeldet.
In dem entschiedenen Fall erwarb die Klägerin von der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen H-GmbH 1.500 Kartons gefrorene Hühnerteile (Codenummer 0207 1410 00 0). Der Kaufpreis betrug x US-Dollar. Die H-GmbH hatte die Hühnerteile zuvor von einem brasilianischen Ausführer erworben. Ursprungsland der Hühnerteile war ebenfalls Brasilien.
Die Klägerin meldete die gefrorenen Hühnerteile am 24.10.2004 zur Überführung in den freien Verkehr an. Das beklagte Hauptzollamt berechnete die Einfuhrabgaben auf Grundlage der von der H-GmbH gestellten Handelsrechnung.
Nachdem das Hauptzollamt im Rahmen einer Nachprüfung die vom brasilianischen Ausführer gegenüber der H-GmbH gestellte Handelsrechnung sowie Unterlagen über die Transport- und Versicherungskosten erhalten hatte, forderte es gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK (Zollkodex) Einfuhrabgaben nach. Der Zusatzzoll nach der Verordnung (EG) Nr. 1484/95 (VO Nr. 1484/95) der Kommission vom 28.06.1995 mit Durchführungsbestimmungen zur Regelung der zusätzlichen Einfuhrzölle und zur Festsetzung der repräsentativen Preise in den Sektoren Geflügelfleisch und Eier …1 in der für den Streitfall geltenden Fassung nach Änderung durch die Verordnung (EG) Nr. 684/1999 der Kommission vom 29.03.19992 sei nicht auf Grundlage der vom deutschen Zwischenhändler gestellten Handelsrechnung, sondern auf Grundlage eines cif-Einfuhrpreises in Höhe von 128,94 EUR/100 kg zu berechnen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg, Der Bundesfinanzhof hat die Revision nun zurückgewiesen.
Das Finanzgericht hat nach Auffassung des Bundesfinanzhofs zu Recht entschieden, dass es bei der Bestimmung des cif-Einfuhrpreises i.S. des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 VO Nr. 1484/95 auf die vom brasilianischen Ausführer gestellte Rechnung zuzüglich der tatsächlichen Transport- und Versicherungskosten ankommt.
Hierfür spricht zunächst der klare Wortlaut der VO Nr. 1484/95. Nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 4 der Verordnung ist der Zusatzzoll auf Grundlage des cif-Einfuhrpreises der betreffenden Sendung zu berechnen. Eine Definition des cif-Einfuhrpreises, die ausdrücklich für die gesamte VO Nr. 1484/95 gelten soll, findet sich in Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2. Danach besteht der cif-Einfuhrpreis aus dem fob-Preis im Ursprungsland und den tatsächlichen Transport- und Versicherungskosten „bis zum Ort des Verbringens in das Zollgebiet der Gemeinschaft“. Damit wird derjenige Ort bezeichnet, an dem die Ware tatsächlich die Grenze zum Zollgebiet der Gemeinschaft überschreitet, d.h. gerade nicht der Ort der – gegebenenfalls späteren – Überführung in den freien Verkehr.
Die Auslegung nach dem Wortlaut wird sowohl durch eine systematische als auch durch eine teleologische Auslegung bestätigt.
Grundlage der VO Nr. 1484/95 ist für den Sektor Geflügelfleisch die Verordnung (EWG) Nr. 2777/75 (VO Nr. 2777/75) des Rates vom 29.10.19753 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 806/2003 des Rates vom 14.04.20034 geänderten Fassung. Nach Art. 5 VO Nr. 2777/75 darf ein zusätzlicher Einfuhrzoll erhoben werden, wenn die Bedingungen des Art. 5 WTO-Landwirtschaftsübereinkommen, das im Rahmen der multinationalen Handelsverhandlungen der Uruguay-Runde als Anhang 1A.3 zum Abkommen über die Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15.04.1994 geschlossen wurde5 erfüllt sind. Hierbei wird sowohl in der VO Nr. 2777/75 als auch im WTO-Landwirtschaftsübereinkommen auf den cif-Einfuhrpreis abgestellt. Besondere Bedingungen für den Fall von Verkäuferketten sind nicht vorgesehen. Stattdessen wird in Abs. 4 der Erwägungsgründe ausdrücklich davon gesprochen, dass die Gemeinschaft zur Verwirklichung eines gemeinsamen Marktes für Geflügelfleisch eine einheitliche Handelsregelung „an ihren Außengrenzen“ einführen müsse. Außerdem heißt es in Abs. 6, dass die Abschöpfungen um einen Zusatzbetrag zu erhöhen sind, sofern die „Angebotspreise frei Grenze“ unter den festgesetzten Einschleusungspreisen liegen. Daraus wird deutlich, dass auch die der VO Nr. 1484/95 zugrunde liegenden Regelungen auf den Ort des tatsächlichen Verbringens in das Unionsgebiet und nicht auf die Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr abstellen.
Im Streitfall greifen auch nicht die in Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 2777/75 vorgesehenen Ausnahmen, wenn die Einfuhr keine Störung des Gemeinschaftsmarkts verursachen kann oder die Auswirkungen des zusätzlichen Einfuhrzolls in keinem Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Zwar hätte grundsätzlich die Möglichkeit bestanden, im Fall von Verkäuferketten auf die Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr abzustellen. Um eine Störung des Unionsmarkts auszuschließen, ist es aber gerechtfertigt, den tatsächlichen Grenzübertritt für maßgeblich zu erachten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch Waren, die nach dem Grenzübertritt, aber noch vor einer Anmeldung zum freien Verkehr von einem im Unionsgebiet ansässigen Großhändler innerhalb des Unionsgebiets vertrieben werden, in einem Konkurrenzverhältnis zu der auf gleicher Handelsebene vertriebenen Unionsware stehen.
Die Maßgeblichkeit des tatsächlichen Verbringens der Ware in das Zollgebiet für die Bestimmung des cif-Einfuhrpreises deckt sich darüber hinaus mit den Vorschriften des Zollwertrechts. Auch hier ist für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage grundsätzlich auf das tatsächliche Verbringen in das Zollgebiet der Union abzustellen (Art. 32 Abs. 1 Buchst. e, Art. 33 Buchst. a ZK i.V.m. Art. 163 der Zollkodex-Durchführungsverordnung).
Auch die Streichung der Definition des cif-Einfuhrpreises in Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2 VO Nr. 1484/95 durch die VO Nr. 816/2009 zu kann nach Auffassug des Bundesfinanzhofs zu keinem anderen Ergebnis führen. Zum einen gilt die alte Fassung des Art. 2 Abs. 1 VO Nr. 1484/95 für das Streitjahr. Zum anderen ergeben sich aus den Erwägungsgründen der VO Nr. 816/2009 keine Anhaltspunkte, dass die Streichung zu einer abweichenden Bestimmung des cif-Einfuhrpreises führen sollte. Vielmehr wird in den Erwägungsgründen allein auf die Gründe für die geänderte Ermittlung der repräsentativen Preise hingewiesen.
Aus der EuGH-Rechtsprechung lässt sich ebenfalls kein anderes Ergebnis ableiten. Dies gilt insbesondere für die Entscheidung in Slg. 1993, I-4601, da es in diesem Fall lediglich um Verkäuferketten außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft ging. Im Urteil in Slg. 2005, I-10513 sowie in der zuvor ergangenen Entscheidung vom 13.12.20016 befasste sich der EuGH lediglich mit der Frage, ob es zulässig ist, nur unter der Voraussetzung eines entsprechenden Antrags auf den cif-Einfuhrpreis abzustellen. Wie der cif-Einfuhrpreis zu bestimmen ist, war nicht Gegenstand dieser Entscheidungen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 30.06.20057 den cif-Einfuhrpreis ähnlich wie in Art. 2 Abs. 1 Anstrich 2 VO Nr. 1484/95 definiert und auf den Preis abgestellt hat, zu dem die Ware in das Zollgebiet der Gemeinschaft gelangt bzw. eintritt.
Da der Bundesfinanzhof diese Auslegung des einschlägigen Unionsrechts für eindeutig gehalten hat, hat er auch keine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.04.2014 – VII R 1/13