Gelten Zollpräferenzen für israelische Waren auch für im Westjordanland hergestellte Erzeugnisse?

Sind Zollpräferenzen nach dem zwischen der Europäischen Union (EU) und Israel geschlossenen Assoziierungsabkommen für in die EU eingeführte israelische Waren auch für Erzeugnisse zu gewähren, die im Westjordanland hergestellt worden sind?

Mit dieser Frage hat sich nun der Bundesfinanzhof in einer aktuellen Entscheidung auseinandergesetzt.

Hintergrund dieser Fragestellung ist folgender: Nach dem zwischen der EU und Israel bestehenden Assoziierungsabkommen können israelische Waren in die EU zollfrei bzw. zu ermäßigten Zollsätzen (sog. Präferenzzollsätze) eingeführt werden, wenn sie von einem Ursprungszeugnis begleitet werden, das ihren israelischen Ursprung bestätigt. Ein entsprechendes Abkommen besteht zwischen der EU und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) für aus dem Westjordanland und dem Gaza-Streifen stammende Waren.

In dem nun vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte die Klägerin im Jahr 2002 Waren in das Zollgebiet der EU eingeführt und unter Vorlage israelischer Ursprungszeugnisse, die den Ursprung „Israel“ bescheinigten, die Präferenzbehandlung gemäß dem Abkommen EU/Israel beantragt. Das beklagte Hauptzollamt lehnte jedoch die Abfertigung zum Präferenzzollsatz ab und erhob Zoll gemäß dem regulären Drittlandszollsatz, nachdem Nachprüfungen ergeben hatten, dass die eingeführten Waren in einem Betrieb im Westjordanland hergestellt worden waren.

Der Bundesfinanzhof ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Hauptzollamt die Abfertigung der Waren zum Präferenzzollsatz zu Recht versagt hat und hat festgestellt:

  1. Für im Westjordanland hergestellte Waren, für die bei der Einfuhr ein den Ursprung „Israel“ ausweisendes Ursprungszeugnis vorgelegt wird, kann eine Präferenzbehandlung weder nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel noch dem Assoziierungsabkommen EG-PLO gewährt werden.
  2. Soweit in Teilen des Westjordanlands Zuständigkeiten zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen möglicherweise allein von israelischen Behörden wahrgenommen werden, verleiht dieser Umstand im Westjordanland hergestellten Erzeugnissen keinen israelischen Ursprung.
  3. Auch im Fall fehlender Möglichkeiten, palästinensische Ursprungszeugnisse für Waren aus dem Westjordanland zu erhalten, lässt sich eine Präferenzbehandlung jedenfalls dann nicht mit außergewöhnlichen Umständen rechtfertigen, wenn die Kommission bereits im Amtsblatt darauf hingewiesen hat, dass für Einfuhrwaren mit Ursprung Westjordanland, die von israelischen Ursprungszeugnissen begleitet werden, keine Zollpräferenzen gewährt werden.
  4. Die Frage, ob im Westjordanland hergestellte Erzeugnisse präferenzrechtlich als Ursprungserzeugnisse Israels angesehen werden können, betrifft die rechtliche Auslegung der Assoziierungsabkommen und der Ursprungsprotokolle. An die Beantwortung dieser Frage durch die Behörden des Ausfuhrlands im Rahmen eines Nachprüfungsersuchens sind die Behörden des Einfuhrlands nicht gebunden.

Wie kommt der Bundesfinanzhof zu diesem Ergebnis?

Im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Finanzgericht legte dieses dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mehrere Fragen zur Auslegung des Assoziierungsabkommens EG-Israel sowie des Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommens über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits – Assoziierungsabkommen EG-PLO1 zur Vorabentscheidung vor2, die der EuGH wie folgt beantwortete3:

„1. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können die durch das am 20. November 1995 in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits eingeführte Gewährung der Präferenzbehandlung verweigern, wenn die betreffenden Waren ihren Ursprung im Westjordanland haben. Die Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats können keine Wahlfeststellung treffen, indem sie die Frage offenlassen, welches der in Betracht kommenden Abkommen, nämlich das Europa-Mittelmeer-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits und das am 24. Februar 1997 in Brüssel unterzeichnete Europa-Mittelmeer-Interimsassoziationsabkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zugunsten der Palästinensischen Behörde für das Westjordanland und den Gaza-Streifen andererseits, im vorliegenden Fall anzuwenden ist und ob der Ursprungsnachweis von den israelischen oder von den palästinensischen Behörden stammen muss.

2. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind im Rahmen des Verfahrens nach Art. 32 des Protokolls Nr. 4 im Anhang des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Staat Israel andererseits nicht an den vorgelegten Ursprungsnachweis und die Antwort der Zollbehörden des Ausfuhrstaats gebunden, wenn diese Antwort im Sinne von Art. 32 Abs. 6 des Protokolls keine ausreichenden Angaben enthält, um den tatsächlichen Ursprung der Waren feststellen zu können. Die Zollbehörden des Einfuhrstaats sind nicht verpflichtet, dem nach Art. 39 dieses Protokolls eingerichteten Ausschuss für Zusammenarbeit im Zollwesen eine Streitigkeit über die Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs des Abkommens vorzulegen.“

Daraufhin wies das Finanzgericht Hamburg die Klage ab. Die Revision hatte keinen Erfolg, da die für die streitigen Einfuhren zunächst nicht festgesetzten Abgaben nach Auffassung des Bundesfinanzhofs gemäß Art. 220 Abs. 1 des Zollkodex (ZK) nachzuerheben sind, weil sich die für die beantragte Zollpräferenz vorgelegten Präferenznachweise als unzutreffend erwiesen haben.

Nach Art. 17 Abs. 1 des Protokolls Nr. 4 im Anhang des Assoziierungsabkommens EG-Israel über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in“ oder „Ursprungserzeugnisse“ und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (Protokoll Nr. 4) erhalten Ursprungserzeugnisse im Sinne dieses Protokolls bei der Einfuhr in eine Vertragspartei die Begünstigungen des Abkommens, sofern entweder eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 vorgelegt wird oder vom Ausführer eine Erklärung über die Ursprungseigenschaft der Waren auf der Rechnung gemäß Art. 22 Protokoll Nr. 4 abgegeben wird.

Im Streitfall sind für die von der Klägerin für die Einfuhrwaren beantragte Zollpräferenz solche Erklärungen auf den Rechnungen des Lieferanten und Ausführers vorgelegt worden. Diese Erklärungen sind allerdings unzutreffend und somit ungültig. Das Hauptzollamt hat daher die Gewährung der begehrten Präferenz zu Recht versagt.

Nach Art. 22 Abs. 2 Protokoll Nr. 4 kann vom Ausführer eine Erklärung auf der Rechnung ausgefertigt werden, wenn die Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse einer Vertragspartei angesehen werden können und die übrigen Bedingungen dieses Protokolls erfüllt sind. Im Streitfall können die Ausfuhrwaren, für die Erklärungen auf den Rechnungen abgegeben worden sind, jedoch nicht als Ursprungserzeugnisse Israels angesehen werden. Die Erklärungen auf den Rechnungen sind daher zu Unrecht abgegeben worden.

Ursprungserzeugnisse Israels sind nach Art. 2 Nr. 2 Protokoll Nr. 4 Erzeugnisse, die i.S. des Art. 4 Protokoll Nr. 4 vollständig in Israel gewonnen oder hergestellt oder – falls dort nicht vollständig gewonnen oder hergestellt – i.S. des Art. 5 Protokoll Nr. 4 in ausreichendem Maße in Israel be- oder verarbeitet worden sind. Diese Bedingungen für den Erwerb der Ursprungseigenschaft müssen nach Art. 11 Satz 1 Protokoll Nr. 4 ohne Unterbrechung in Israel erfüllt werden. Die Waren des Streitfalls sind nach den Feststellungen des FG jedoch vollständig im Westjordanland und somit nicht in Israel hergestellt worden.

Wie der EuGH4 entschieden hat, ist das Assoziierungsabkommen EG-Israel dahin auszulegen, dass das Gebiet des Staates Israel, für den das Abkommen nach seinem Art. 83 gilt, die von Israel besetzten Gebiete des Westjordanlands nicht erfasst. Danach besteht kein Zweifel, dass das Protokoll Nr. 4 für im Westjordanland hergestellte Erzeugnisse die Ausstellung den Ursprung „Israel“ bestätigender Ursprungszeugnisse nicht erlaubt.

Die zwischen Israel und der PLO getroffenen bilateralen Abkommen gebieten nach Auffassung des Bundesfinanzhofs keine andere Auslegung. Auch wenn es zutreffen sollte, dass nach diesen Abkommen in dem betreffenden Gebiet des Westjordanlands die Zuständigkeit für den Im- und Exportbereich allein bei den israelischen Zollbehörden liege, die damit von der PLO auch ermächtigt worden seien, Ursprungszeugnisse für in diesem Gebiet hergestellte Waren auszustellen, sind gleichwohl für die im Streitfall zu entscheidende Frage der Gültigkeit von Präferenzbescheinigungen allein das Assoziierungsabkommen EG-Israel sowie das Assoziierungsabkommen EG-PLO maßgebend, die nach vorgenannter Entscheidung des EuGH dahin auszulegen sind, dass Bescheinigungen, die von anderen Behörden ausgestellt wurden als den namentlich in den betreffenden Assoziierungsabkommen bezeichneten, nicht als gültig anerkannt werden können. Es verstieße gegen den vom EuGH4 hervorgehobenen Grundsatz der relativen Wirkung von Verträgen, wollte man das Assoziierungsabkommen EG-Israel und die dort beschriebenen Voraussetzungen einer Präferenzbehandlung für Einfuhrwaren unter Berücksichtigung bilateraler Abkommen zwischen Israel und der PLO auslegen. Die Europäische Union wäre dann wegen eines zwischen anderen Vertragsparteien getroffenen Abkommens verpflichtet, bei beantragter Präferenzbehandlung für im Westjordanland hergestellte Erzeugnisse andere Ursprungszeugnisse anzuerkennen, als es die Assoziierungsabkommen EG-Israel bzw. EG-PLO vorsehen.

Um dem Einwand bezüglich der im Westjordanland fehlenden Zuständigkeit palästinensischer Zollbehörden folgen zu können, müssten sich im Assoziierungsabkommen EG-PLO Regelungen finden lassen, die es der PLO gestatten, ihre nach dem Abkommen bestehenden präferenzrechtlichen Zuständigkeiten für die Ausstellung von Ursprungszeugnissen israelischen Zollbehörden zu übertragen. Derartige Regelungen existieren indes nicht. Nach Art. 16 Abs. 4 des Protokolls Nr. 3 im Anhang des Assoziierungsabkommens EG-PLO über die Bestimmung des Begriffs „Erzeugnisse mit Ursprung in“ oder „Ursprungserzeugnisse“ und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen (Protokoll Nr. 3) sind es vielmehr allein die Zollbehörden des Westjordanlands und des Gaza-Streifens, die Ursprungsbescheinigungen für Ursprungserzeugnisse dieser Gebiete ausstellen. Dementsprechend hat der EuGH4 ausgeführt, die Zollbehörden des Ausfuhrstaats im Sinne der Ursprungsprotokolle verfügten im Rahmen des räumlichen Geltungsbereichs der Assoziierungsabkommen über eine ausschließliche Zuständigkeit zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen bzw. zur Ermächtigung der Ausführer, Ursprungserklärungen auf der Rechnung auszufertigen.

Um im Streitfall der Klägerin die Zollpräferenz gewähren zu können, müsste es der PLO nach dem Assoziierungsabkommen EG-PLO darüber hinaus erlaubt sein, den israelischen Zollbehörden die Befugnis zur Ausstellung von Bescheinigungen des Ursprungs „Israel“ für Ursprungserzeugnisse des Westjordanlands und des Gaza-Streifens zu übertragen, womit sie gleichsam berechtigt wären, dieses Ursprungsgebiet dem Gebiet des Staates Israel zuzuschlagen. Dass eine solche Annahme fernliegt, bedarf keiner weiteren Begründung.

Es war nach alledem nicht zu klären, ob die Angaben des Generalanwalts zutreffen, es gebe nach den zwischen Israel und der PLO getroffenen Abkommen auch durchaus palästinensische Behörden, die zollbehördliche Befugnisse hätten und diese auch ausübten. Denn wollte man annehmen, nach den israelisch-palästinensischen Abkommen übten allein die israelischen Zollbehörden in diesem Gebiet zollrechtliche Befugnisse aus und seien deshalb zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen berechtigt, so sind sie jedenfalls weder nach dem Assoziierungsabkommen EG-Israel noch nach dem Assoziierungsabkommen EG-PLO berechtigt, für in diesem Gebiet des Westjordanlands hergestellte Erzeugnisse den Ursprung „Israel“ zu bescheinigen, noch ist ein Ausführer berechtigt, entsprechende Erklärungen auf der Rechnung abzugeben. Daran ändert auch der Hinweis der Revision nichts, es handele sich bei dem Ausführer des Streitfalls um ein israelisches Unternehmen. Die Ursprungseigenschaft einer Ware wird nicht durch die Staatszugehörigkeit ihres Herstellers, sondern allein durch den geografischen Ort ihrer Herstellung begründet.

Aus den vorgenannten Gründen sowie im Hinblick auf die Ausführungen des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen vom 29.10.20095 spricht nichts dafür, der EuGH habe die bilateralen Abkommen zwischen Israel und der PLO unberücksichtigt gelassen, weil diese nicht Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens des Finanzgerichts Hamburg gewesen seien, und er werde bei einer erneuten Vorlage die Zuständigkeit israelischer Behörden zur Ausstellung von Ursprungszeugnissen für Waren aus dem Westjordanland möglicherweise bejahen. Der Bundesfinanzhof sah daher keinen Anlass, die im Streitfall maßgebenden Fragen zur Auslegung der Assoziierungsabkommen EG-Israel und EG-PLO dem EuGH erneut zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Bescheinigung des israelischen Ursprungs im Westjordanland hergestellter Erzeugnisse läßt sich auch nicht nach Völkergewohnheitsrecht rechtfertigen.

Die im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 (Wiener Übereinkommen) wiedergegebenen Regeln des Völkergewohnheitsrechts binden zwar die Organe der Union, sind Bestandteil der Unionsrechtsordnung6 und daher zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge heranzuziehen7. Bezogen auf die im Streitfall erforderliche Auslegung des den räumlichen Geltungsbereich des Abkommens bezeichnenden Art. 83 des Assoziierungsabkommens EG-Israel müsste es aber, um der Ansicht der Revision folgen zu können, einen auf allgemeiner Übung und übereinstimmender Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft beruhenden Grundsatz geben, dem zufolge zum „Gebiet des Staates Israel“ auch die von Israel besetzten Gebiete gehören. Dass es einen solchen völkerrechtlichen Grundsatz gibt, ist jedoch weder ersichtlich noch wird solches von der Revision behauptet.

Die Revision macht lediglich geltend, bei Einfuhren aus Israel bezogener Waren in das Zollgebiet der Union seien in der Vergangenheit über einen langen Zeitraum hinweg den Ursprung „Israel“ bescheinigende Ursprungszeugnisse auch dann unbeanstandet geblieben, wenn es sich um in den besetzten Gebieten hergestellte Erzeugnisse gehandelt habe. Auch wenn dies zuträfe, ließe sich daraus zum einen kein Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts herleiten, die besetzten Gebiete seien als zum Gebiet des Staates Israel gehörig anzusehen. Zum anderen könnte von einer entsprechenden Rechtsauffassung in der Europäischen Union (sollte sie überhaupt bestanden haben) jedenfalls nicht mehr nach dem Inkrafttreten des Assoziierungsabkommens EG-PLO im Jahr 1997 ausgegangen werden, welches spezielle Zollpräferenzen für Ursprungserzeugnisse aus den besetzten Gebieten vorsieht.

Jedenfalls lässt sich die Auffassung der Revision, die versagte Anerkennung israelischer Ursprungsnachweise für Waren aus dem Westjordanland verletze Völkergewohnheitsrecht, nicht mit der Vorabentscheidung des EuGH vereinbaren. Da der EuGH sein Urteil in Slg. 2010, I-1289 auf das Wiener Übereinkommen, das die Regeln des Völkergewohnheitsrechts wiedergibt, gestützt hat, besteht auch kein Grund für die Vermutung der Revision, der EuGH habe bei seiner Vorabentscheidung das Völkergewohnheitsrecht unberücksichtigt gelassen, weil ihm dieser rechtliche Gesichtspunkt nicht vorgetragen worden sei.

Aus der behaupteten früheren Praxis, israelische Ursprungsnachweise auch für aus dem Westjordanland stammende Waren anzuerkennen kann die Klägerin auch kein berechtigtes Vertrauen auf eine den Waren des Streitfalls ebenfalls zu gewährende Präferenzbehandlung herleiten. Im Zeitpunkt der hier streitigen Einfuhren war im Amtsblatt8 bereits ein Hinweis der Kommission auf Zweifel an in Israel ausgestellten Ursprungsnachweisen veröffentlicht worden (Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 5 ZK).

Obwohl die israelische Zollverwaltung auf den Antrag auf nachträgliche Prüfung erwiderte, die Waren seien präferenzberechtigt im Sinne des Assoziierungsabkommens EG-Israel, durfte das Hauptzollamt die Erklärungen auf den Rechnungen des Ausführers als ungültig ansehen und die Präferenzgewährung versagen. Wie der EuGH wiederholt entschieden hat, beruht zwar das in den Präferenzabkommen vorgesehene System der Zusammenarbeit der Verwaltungen auf einer Verteilung der Aufgaben sowie auf einem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Behörden der Einfuhr- und der Ausfuhrstaaten, weshalb die dem Ausfuhrland obliegende Beurteilung der Gültigkeit ausgestellter Ursprungsnachweise von den Behörden des Einfuhrlands anzuerkennen ist9. Vorliegend geht es jedoch nicht um die Klärung der Frage, ob aus dem Ausfuhrland bezogene Waren in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen des Abkommens erfüllen, um sie als Ursprungserzeugnisse des Ausfuhrlands ansehen zu können, sondern um die rechtliche Frage, ob die (unstreitige) Herstellung der Waren an einem bestimmten Ort im Westjordanland ihnen israelischen Ursprung im Sinne des Assoziierungsabkommens EG-Israel verleiht, m.a.W. um die Auslegung des Assoziierungsabkommens hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbereichs. Rechtliche Fragen dieser Art sind nicht im Rahmen einer nachträglichen Prüfung der Ursprungsnachweise gemäß Art. 32 Protokoll Nr. 4 durch die Zollbehörden des Ausfuhrlands oder gemäß Art. 33 Unterabs. 1 Protokoll Nr. 4 vom Ausschuss für die Zusammenarbeit im Zollwesen zu beantworten4. Sie können gemäß Art. 75 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens EG-Israel dem Assoziationsrat vorgelegt werden. Geschieht dies nicht, ist die Zollbehörde des Einfuhrlands allerdings nicht gehindert, die Rechtsfrage in eigener Zuständigkeit zu beantworten und die Gewährung der Präferenz zu versagen10.

Bestünden Zweifel, an welchem geografischen Ort die Waren des Streitfalls hergestellt wurden (was anfangs der Grund für den Antrag auf nachträgliche Prüfung gewesen sein mag), wäre zwar die seitens der israelischen Zollverwaltung unterlassene Ortsangabe gemäß Art. 32 Abs. 6 Protokoll Nr. 4 ein Grund für das HZA, die Präferenzbehandlung abzulehnen. Da jedoch die Herstellung der Waren im Westjordanland feststeht, kommt es auf diese Vorschrift nicht an.

Das Protokoll Nr. 3 zum Assoziierungsabkommen EG-PLO sieht zwar für Ursprungserzeugnisse des Westjordanlands und des Gaza-Streifens ebenfalls dem Assoziierungsabkommen EG-Israel entsprechende Begünstigungen bei der Einfuhr in die Union vor. Trotzdem kann – wie der EuGH4 entschieden hat – bei der Frage der Präferenzbehandlung keine Wahlfeststellung getroffen und offengelassen werden, welches Abkommen anzuwenden ist. Für eine Präferenzbehandlung der Waren des Streitfalls nach dem Assoziierungsabkommen EG-PLO fehlt es – wie das Finanzgericht Hamburg zu Recht entschieden hat – an den Vorschriften des Protokolls Nr. 3 zu diesem Assoziierungsabkommen entsprechenden Ursprungsnachweisen.

Die für die Einfuhren der Klägerin beantragte Präferenzbehandlung ist auch nicht wegen „außergewöhnlicher Umstände“ zu gewähren. Der insoweit von der Klägerin (und auch vom FG) herangezogene Art. 32 Abs. 6 Protokoll Nr. 4 zum Assoziierungsabkommen EG-Israel begründet den Anspruch der Klägerin nicht.

Der letzte Halbsatz dieser Vorschrift „… es sei denn, es liegen Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände vor“ bezieht sich auf die aus dem vorangegangenen Satzteil ergebende Rechtsfolge für die Zollbehörden des Einfuhrlands, die Gewährung der Präferenzbehandlung abzulehnen, wenn sie auf ihren Antrag auf nachträgliche Prüfung von Ursprungsnachweisen keine Antwort von den Zollbehörden des Ausfuhrlands oder keine ausreichenden Angaben zur Feststellung der Ursprungseigenschaft erhalten haben. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu anderen Präferenzabkommen sind die Zollbehörden des Einfuhrlands in Fällen, in denen die Zollbehörden des Ausfuhrlands zur nachträglichen Überprüfung nicht in der Lage sind, berechtigt, andere Beweise für den Ursprung der Ware als die im Präferenzabkommen vorgesehenen Ursprungsnachweise zu berücksichtigen11. Lässt sich damit die Ursprungseigenschaft der Ware zweifelsfrei feststellen, kann sich der Importeur hinsichtlich der fehlenden formellen Ursprungsnachweise ggf. auf höhere Gewalt berufen, wenn er sich ganz außergewöhnlichen Umständen gegenübersieht, auf die er keinen Einfluss hat und deren Folgen unvermeidbar und unausweichlich sind und ihm die Einhaltung seiner Verpflichtungen objektiv unmöglich machen12.

Auf diese Grundsätze kann sich die Klägerin im Streitfall nicht berufen, weil die vorgenannten EuGH-Urteile Fälle betreffen, in denen der Einführer zunächst gutgläubig Ursprungsnachweise vorgelegt hatte, die nachträglich für ungültig erklärt wurden, und ihm die nachträgliche Beschaffung gültiger Nachweise objektiv unmöglich gemacht wurde. Der Streitfall liegt hingegen anders, da die Klägerin nicht als gutgläubig angesehen werden kann, weil ihr die Herkunft der Einfuhrwaren aus dem Westjordanland bekannt war und die Importeure aus Israel bezogener Waren bereits im Jahr 2001 durch einen im Amtsblatt veröffentlichten Hinweis darüber unterrichtet worden waren, dass Israel Ursprungsnachweise für Waren ausstelle, die nicht unter die Präferenzregelung fielen, weil sie aus Gebieten stammten, die seit 1967 unter israelischer Verwaltung stünden. Wirtschaftsbeteiligte, die Ursprungsnachweise vorlegten, um für Waren mit Ursprung (u.a.) im Westjordanland eine Präferenzbehandlung zu erwirken, hätten alle erforderlichen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, weil aus der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr eine Zollschuld entstehen könne.

Es kann daher nicht davon gesprochen werden, dass der Klägerin die Einhaltung ihrer aus den Präferenzvorschriften folgenden Pflicht, für die Inanspruchnahme einer Präferenzbehandlung gültige Ursprungsnachweise vorzulegen, objektiv unmöglich war. Ihr trotz des im Amtsblatt bekannt gemachten Hinweises die beantragte Präferenzbehandlung mit der Begründung zu gewähren, für die im Westjordanland hergestellten Erzeugnisse könne der Ausführer von den palästinensischen Behörden keinen Ursprungsnachweis erhalten, widerspräche der Regelung in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 5 ZK, welche die für den Vertrauensschutz erforderliche Gutgläubigkeit ausschließt, wenn im Amtsblatt auf begründete Zweifel an der ordnungsgemäßen Anwendung der Präferenzregelung durch das begünstigte Land hingewiesen worden ist.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.03.13 – VII R 6/12

  1. Assoziierungsabkommen EG-PLO, ABlEG 1997, Nr. L 187/3 []
  2. FG Hamburg, Beschluss vom 30.07.2008 – 4 K 133/06 []
  3. EuGH, Urteil vom 25.02.2010 – C-386/08, Slg. 2010, I-1289 []
  4. EuGH, Urteil in Slg. 2010, I-1289 [] [] [] [] []
  5. Slg. 2010, I-1289, Rz 38 ff. []
  6. EuGH, Urteile in Slg. 2010, I-1289; vom 21.12.2011 – C-366/10 – Air Transport Association of America u.a.; vom 22.11.2012 – C-410/11 – Espada Sánchez u.a. []
  7. EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C-118/07 – Kommission/Finnland -, Slg. 2009, I-10889 []
  8. ABlEG 2001, Nr. C 328/6 []
  9. EuGH, Urteile vom 09.02.2006 – C-23 bis 25/04 – Sfakianakis – Slg. 2006, I-1265; vom 15.12.2011 – C-409/10 – Afasia Knits Deutschland []
  10. EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-1289 []
  11. EuGH, Urteil vom 07.12.1993 – C-12/92 – Huygen u.a., Slg. 1993, I-6381 []
  12. EuGH, Urteile in Slg. 1993, I-6381; vom 23.02.1995 C-334/93 – Bonapharma -, Slg. 1995, I-319 []