Hundesteuer verstößt nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention

Ob die Erhebung von Hundesteuer in der Stadt Marl rechtswidrig ist, hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zu entscheiden.

Die Klägerin hält seit April 2010 einen Hund („Tobi“) der Rasse Labrador, der seitdem bei der Beklagten (Stadt) zur Hundesteuer angemeldet ist.  Mit Bescheid vom 28.01.2013 setzte die Beklagte die von der Klägerin zu zahlende Hundesteuer auf 109,80 Euro für das Veranlagungsjahr 2012 und die Folgejahre statt der bisher von ihr zu zahlenden 79,20 Euro jährlich fest.

Die Hundehalterin hat hiergegen Klage erhoben mit der Begründung, mit der Hundesteuererhebung würden ihre Grundrechte aus Art. 1 und 3 GG verstossen und es liege ein Verstoß gegen Art. 20a GG vor. Außerdem missachte diese Art. 8 Abs. 1 sowie die Art. 13 und 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Erfolg hatte die Klägerin beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen nicht, da der Hundesteuerbescheid rechtmäßig sei und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletze (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Materielle Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheides ist § 1 der Hundesteuersatzung der Stadt Marl (HStS) vom 15.11.2011. Danach besteuert die Beklagte die Haltung von Hunden im Gebiet der Stadt Marl durch natürliche Personen zu nicht-gewerblichen Zwecken (§ 1 Abs. 1 HStS). Die persönliche Steuerpflicht der Klägerin ergibt sich aus § 1 Abs. 2 HStS; sie hat nicht in Abrede gestellt, Halterin eines Hundes im steuerrechtlichen Sinne zu sein. Die Höhe des festgesetzten Jahressteuerbetrages entspricht der Vorgabe in § 2 Abs. 1 Buchstabe a HStS. Die Festsetzung der Steuer in dem angegriffenen Bescheid auch für künftige Erhebungszeiträume ist mittlerweile zulässig (vgl. § 14 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes – KAG NRW -).

Die vorgenannten satzungsrechtlichen Grundlagen der Hundesteuererhebung verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.

1. Die Erhebung einer Hundesteuer ist den Gemeinden durch die landesgesetzliche Bestimmung des § 3 Abs. 1 und 2 KAG NRW erlaubt. An der finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer solchen Erlaubnis bestehen keine Zweifel, da die Hundesteuer als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (GG) anzusehen ist1.

Auch sonstiges objektives Verfassungsrecht steht ihrer Erhebung nicht entgegen. Insbesondere ist nicht einmal im Ansatz erkennbar, wieso die Besteuerung der privaten Hundehaltung der Staatszielbestimmung Tierschutz in Art. 20a GG widerstreiten sollte.

2. Die Erhebung der Hundesteuer verstößt nicht gegen Grundrechte der Klägerin.

Eine Verletzung der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) oder der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Klägerin liegt nicht vor. Bei einem Jahressteuersatz von 109,80 Euro bzw. 9,15 Euro im Monat kann von einer erdrosselnden Wirkung der Hundesteuer nicht ernsthaft gesprochen werden. Auch ist nicht ersichtlich, dass infolge einer unangemessenen Steuerlast die Freiheit, einen Hund aus Gründen der Liebhaberei zu halten, unverhältnismäßig beeinträchtigt wäre2.

Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG), die die Klägerin wohl unter dem Gesichtspunkt „soziale Menschenwürde und Schutz der Mensch-Tier-Beziehung“ rügen will, liegt gleichfalls nicht vor. Schon der Schutzbereich dieses Grundrechts, der auf die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen gerichtet ist3, ist offensichtlich durch die bloße Besteuerung der privaten Hundehaltung nicht berührt.

Schließlich ist auch das Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Dass die Besteuerung von Hunden nicht deswegen gleichheitswidrig ist, weil die Haltung anderer Tiere aus Gründen der Liebhaberei nicht besteuert wird, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit Langem geklärt4. An den dortigen Erwägungen ist nach wie vor festzuhalten.

Im Übrigen verbietet die Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 GG weder unterschiedliche Hundesteuersätze in verschiedenen Gemeinden noch gebietet sie eine Staffelung der Hundesteuer entsprechend des im Einzelfall mit der Hundehaltung verbundenen Aufwands5.

Ein normativ angelegtes (strukturelles) Erhebungsdefizit, das dem Grundsatz der Besteuerungsgleichheit zuwiderliefe, lässt sich der Hundesteuersatzung der Beklagten ebenfalls nicht entnehmen.

3. Die Erhebung der Hundesteuer verstößt schließlich auch nicht gegen Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Diese steht innerstaatlich im Rang einfachen Bundesrechts und ist insofern als Prüfungsmaßstab für die ortsrechtlichen Vorschriften über die Hundesteuererhebung heranzuziehen.

Die Erhebung der Hundesteuer verletzt nicht das in Art. 8 Abs. 1 EMRK verbürgte Recht auf Achtung des Privatlebens. Damit wird – ähnlich wie durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht – ein gewisser Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung geschützt, nicht zuletzt in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Reichweite sozialer Kontakte zu anderen Personen. Wegen dieser Ausrichtung des Schutzguts „Privatleben“ auf Beziehungen zu anderen Menschen und nicht auch die sonstige Umwelt ist allerdings bereits entschieden, dass sogar ein Verbot jeglicher Hundehaltung – und damit erst Recht deren Besteuerung – schon nicht den Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK berührt6.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre jedenfalls die hier in Rede stehende Höhe der Besteuerung ihren (faktischen) Wirkungen nach keinesfalls mit einem Hundehaltungsverbot vergleichbar.

Berührt ist hingegen durch die Steuerpflicht der Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 des Ersten EMRK-Zusatzprotokolls (ZP1-EMRK), der das private Eigentum gewährleistet. Allerdings eröffnet Art. 1 Abs. 2 ZP1-EMRK den Konventionsstaaten einen sehr weiten Einschätzungsspielraum dahingehend, welche Art von Steuern sie erheben und welche Höhe diese haben sollen. Dieser Einschätzungsspielraum ist nur in besonderen Ausnahmefällen überschritten7. Dass ein solcher Ausnahmefall hier gegeben sein könnte, ist mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen zu Art. 14 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG ohne weiteres zu verneinen.

Auch das akzessorisch zu Art. 1 ZP1-EMRK hinzutretende Diskriminierungsverbot aus Art. 14 EMRK ist nicht verletzt. Insbesondere ist die Nichtbesteuerung anderer Haustiere durch hinreichende Sachgründe gerechtfertigt. Insofern kann auf die Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG und die dort angeführte Rechtsprechung Bezug genommen werden.

4. Eine Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit mit Blick auf das von der Klägerin in der Klageschrift als Begründung herangezogene Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (§ 94 VwGO analog) kam angesichts der nach den vorstehenden Erwägungen eindeutigen Rechtslage nicht in Betracht. Abgesehen davon ist der Stand dieses Verfahrens derzeit gänzlich unklar: Der dortige Beschwerdeführer geht, wenngleich aufgrund von nur schwer nachvollziehbaren Erwägungen, offensichtlich inzwischen davon aus, dass dieses Verfahren ohne Sachentscheidung beendet worden ist. Die ebenfalls erwähnte Verfassungsbeschwerde ist durch das Bundesverfassungsgericht schon mit dem nichtbegründeten Kammerbeschluss vom 26.01.20128 nicht zur Entscheidung angenommen worden.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 18.06.2013 – 18 K 1261/13

  1. BVerwG, Beschluss vom 25.04.2013 – 9 B 41/12 []
  2. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.05.2013 – 6 C 11221/12, zu einem Jahressteuersatz von 186 Euro []
  3. BVerfG, Beschluss vom 13.05.1986 – 1 BvR 1542/84 []
  4. BVerwG, Beschluss vom 12.01.1978 – VII B 73.77 []
  5. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.05.2013 – 6 C 11221/12 []
  6. EKMR, Entscheidung vom 18.05.1976 – 6825/74 – X ./. Island []
  7. EGMR, Entscheidung vom 14.05.2013– 66529/11 – N.K.M. ./. Ungarn []
  8. BVerfG, Beschluss vom 26.01.2012 – 1 BvR 1888/11 []

Sie sind derzeit offline!