Das Finanzgericht Hamburg hatte darüber zu entscheiden, wie es zollrechtlich zu beurteilen ist, wenn Satellitenreceiver ohne Tuner eingeführt werden, aber gleichzeitig auch (mit gesonderter Zollanmeldung) die dazu passenden Tuner in gleicher Zahl.
Am 31.05.2010 meldete die Klägerin eine als Satellitenreceiver ohne Tuner bezeichnete Ware zur Überführung in den freien Verkehr an. Versender war eine Firma in A. Die Ware wurde gemeinsam mit den passenden Tunern in gleicher Zahl gestellt. Sowohl die Receiver als auch die Tuner wurden mit separaten Einfuhranmeldungen als Waren der Unterposition 8529 9092 99 angemeldet. Das zuständige Zollamt Hamburg-1 ordnete eine stichprobenweise Beschaffenheitsbeschau an. Das Zollamt stellte Receiver des Typs X… ohne Tuner in einer Einzelhandelsverkaufsverpackung, mit einer nur mit einer Schraube gesicherten und für den Einbau des Tuners vorbereiteten Gehäuseschale fest. Das Zollamt reihte beide Waren (Receiver und Tuner) in Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2. a) gemeinsam in die Warennummer 8528 7119 00 0 ein.
Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 31.05.2010 setzte der Beklagte für die Satellitenreceiver ohne Tuner Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 19.101,92 € (7.367,35 € Zoll und 11.734,57 € Einfuhrumsatzsteuer) fest.
Gegen die so erhobenen Einfuhrabgaben wandte sich die Klägerin erfolglos mit ihrem Einspruch; die gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage zum Finanzgericht Hamburg blieb ebenfalls ohne Erfolg.
Zwischen den Beteiligten ist lediglich die Frage der Tarifierung der eingeführten Satellitenreceiver ohne Tuner im Streit. Die Klägerin geht von der Warennummer 8529 9092 99 aus. Diese beschreibt Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der Positionen 8525 bis 8528 bestimmt, wobei im Streitfall eine Bestimmung für Fernsehempfangsgeräte der Position 8528 einschlägig wäre. Der Beklagte hingegen reiht die Satellitenreceiver ohne Tuner in Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2. a) in die Position 8528 7119 als andere, nicht für den Einbau eines Videobildschirms hergerichtete Fernsehempfangsgeräte ein.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sowie des Bundesfinanzhofes1 ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen2. Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird3.
Die eingeführten Satellitenreceiver ohne Tuner stellen für sich genommen Teile von Fernempfangsgeräten dar, die nicht für den Einbau eines Videobildschirms hergerichtet sind, so dass eine Einreihung in die Unterposition 8528 7119 entsprechend der klägerischen Auffassung grundsätzlich in Betracht käme. Dem steht jedoch die Allgemeine Vorschrift 2. a) entgegen. Danach gilt jede Anführung einer Ware in einer Position auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat. Sie gilt auch für eine vollständige oder fertige oder nach den vorstehenden Bestimmungen dieser Vorschrift als solche geltende Ware, wenn diese zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt wird. Der Wortlaut der Unterposition 8528 7119 schließt dabei entgegen der Auffassung der Klägerin die Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2. a) nicht aus. Die Allgemeine Vorschrift 1. sieht in S. 2 ausdrücklich vor, dass maßgebend für die Einreihung u. a. der Wortlaut der Positionen und die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften sind. Es ist also nicht so, dass die Allgemeine Vorschrift 2. a) nur subsidiär zur Anwendung käme. Vielmehr handelt es sich um alternative Auslegungsmethoden, wobei neben dem Wortlaut der Position auch die Allgemeinen Vorschriften heranzuziehen sind. Dieser Ansatz bestätigt sich auch zum Beispiel in der Allgemeinen Vorschrift 3. b), wonach Warenzusammenstellungen einheitlich eingereiht werden, auch wenn es für die einzelnen Warenbestandteile spezielle Positionen gibt.
Ein Anwendungsfall der Allgemeinen Vorschrift 2. a) liegt vor. Das Finanzgericht Hamburg geht davon aus, dass die streitgegenständlichen Receiver ohne Tuner gemeinsam mit den Tunern „zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt“ wurden und dass diese Teile als „unvollständige oder unfertige Ware“ die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware (Fernsehempfangsgerät der Unterposition 8528 7119) haben.
Die streitgegenständlichen Receiver ohne Tuner wurden gemeinsam mit den nicht streitgegenständlichen Tunern gestellt, wobei Gestellung die Mitteilung an die Zollbehörde in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Ware bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befindet, meint (Art. 4 Nr. 19 Zollkodex). Die Waren wurden über den Flughafen … eingeführt. Bereits aus dem Befund des Zollamtes Hamburg-1 ergibt sich, dass die Receiver gemeinsam mit den Tunern in jeweils gleicher Stückzahl gestellt wurden. Die Klägerin selbst führt in ihrer Klagebegründung im Übrigen aus, dass die Receiver und die Tuner im Zusammenhang mit einer summarischen Anmeldung nach Überschreiten der Zollgrenze gemeinsam gestellt worden sind (Art. 43 Zollkodex a. F.).
Der Umstand, dass zwei verschiedene Zollanmeldungen abgegeben worden sind, ist unerheblich. Nach dem Wortlaut der Allgemeine Vorschrift 2. a) S. 2 kommt es allein auf die Gestellung an. Die Gestellung bedeutet letztlich, dass die Zollstelle die Kenntnis über das Eintreffen der Ware vermittelt bekommt (Art. 4 Nr. 19 Zollkodex). Insofern unterscheiden sich die Gestellung und die Zollanmeldung (vgl. auch Kampf in Witte, Art. 40 Rn. 2a und 3). Es ist also ohne weiteres möglich, für eine gestellte Ware unterschiedliche Zollanmeldungen abzugeben. Da auf die Gestellung abzustellen ist, kommt es auf die anschließende Überführung der Waren in ein Zollverfahren nicht an.
Die Ware war auch zerlegt bzw. noch nicht zusammengesetzt im Sinne der Allgemeine Vorschrift 2. a). Nach den Erläuterungen (HS) zur Allgemeine Vorschrift 2. a) fallen darunter Waren, deren verschiedene Teile dazu bestimmt sind, entweder durch Hilfsmittel (Schrauben, Muttern, Bolzen usw.) oder z. B. durch Vernieten oder Schweißen zusammengesetzt zu werden, sofern es sich dabei tatsächlich nur um ein Zusammensetzen handelt. Dabei kommt es nicht auf die Kompliziertheit des Zusammensetzens an, jedoch dürfen die verschiedenen Teile bei der Vervollständigung zu einer fertigen Ware keiner weiteren Bearbeitung unterzogen werden. Im Streitfall bedurfte es keiner weiteren Bearbeitung mehr. Das Gehäuse, also der Receiver war, wie sich bei der Zollbeschau ergeben hat, für den Einbau des Tuners vorbereitet. Die Klägerin hat in ihrer Einspruchsbegründung ebenfalls dargelegt, dass der Tuner in das Gehäuse eingebaut werden müsse, auch danach ist eine weitere Bearbeitung der einzelnen Bestandteile nicht erforderlich. Dass es nach der Einspruchsbegründung mehrerer Arbeitsschritte bedarf, ist nicht entscheidend, da es auf die „Kompliziertheit des Zusammensetzens“ für sich genommen nicht ankommt.
Der Argumentation der Klägerin, die Entscheidung des Gesetzgebers, durch die Schaffung entsprechender Positionen im Zolltarif geringere Zollsätze für Bauteile als für fertige Waren zu schaffen, würde durch Anwendung der Allgemeine Vorschrift 2. a) unterlaufen, vermag das Gericht nicht zu folgen. Der Einführer hat es letztlich selbst in der Hand, durch getrennte Gestellung der Bauteile die Anwendung der Allgemeine Vorschrift 2. a) auszuschließen.
Die Ware (Receiver und Tuner) hat auch im Sinne der Allgemeine Vorschrift 2. a) die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware. Sie verfügt unstreitig über alle notwendigen Hardware-Komponenten eines Satellitenreceivers. Die Betriebssoftware ist zwar ersichtlich notwendig, um das Gerät bestimmungsgemäß nutzen zu können, dabei handelt es sich jedoch nicht um eine individuell vorgenommene Programmierung, sondern um das Aufspielen einer Standardsoftware4. Dafür, dass die Betriebssoftware kein im Sinne der Allgemeine Vorschrift 2. a) wesentliches Beschaffenheitsmerkmal ist, spricht auch die Erläuterung (HS) 54.1 zu Abschnitt XVI. Danach werden auch ohne Motor gestellte Maschinen und Apparate als vollständige Maschinen oder Apparate eingereiht, bei denen der Einbau eines Motors vorgesehen und ein Funktionieren nur mit eingebautem Motor möglich ist. Damit ist die streitgegenständliche Ware vergleichbar. Receiver und Tuner stellen die „Maschine“ dar, der nur die Betriebssoftware – gleichsam als Motor – fehlt. Erst recht gilt dies für die nicht beigefügte HD+-Karte. Diese Karte ermöglicht zwar den Empfang hochauflösender Fernsehsignale, unstreitig ist jedoch auch ohne sie ein Fernsehempfang möglich.
Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 12.08.2013 – 4 K 169/12
- EuGH, Urteil vom 20.06.1996 – C-121/95; BFH, Urteile vom 18.11.2001 – VII R 78/00; vom 09.10.2001 – VII R 69/00; vom 14.11.2000 – VII R 83/99; vom 05.10.1999 VII R 42/98; vom 23.07.1998 – VII R 36/97 [↩]
- EuGH, Urteile vom 09.12.1997 – C-143/96; vom 19.05.1994 – C-11/93 [↩]
- BFH, Urteile vom 14.11.2000 – VII R 83/9; vom 05.10.1999 – VII R 42/98; Beschluss vom 24.10.2002 – VII B 17/02 [↩]
- FG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2013 – 4 K 4275/11 Z [↩]