Bringt ein Finder ein bei einem Verkehrsunfall verletztes (Fund-) Tier zu einem Tierarzt und dieser behandelt das Tier – wer muss dann für die Behandlungskosten aufkommen? Der Finder, der Tierarzt, der Tierschutzverein oder die Gemeinde? Über diese Frage hatte das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden.
In dem entschiedenen Fall verlangte der klagende Tierarzt von der beklagten Gemeinde als Aufwendungsersatz für Geschäftsführung ohne Auftrag 1.839,18 € nebst Zinsen für die tierärztliche Behandlung und spätere Beherbergung eines am 26.12.2007 bei einem Verkehrsunfall verletzten Katers, den ein Finder – der niemanden sonst erreichen konnte – zu ihm gebracht hatte. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, weil sie ihre Pflichten als Fundbehörde mit „schuldbefreiender Wirkung“ vertraglich an den örtlichen Tierschutzverein übertragen habe, jedenfalls aber weil der geltend gemachte Aufwand den Wert des Tieres um ein Vielfaches übersteige.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben1, das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die seitens der Gemeinde hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde blieb beim Bundesverwaltungsgericht ohne Erfolg.
Der von der Beklagten allein geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Das wäre nur anzunehmen, wenn die Rechtssache eine für die angestrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht oder nicht hinreichend geklärt ist und die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf2. Daran fehlt es hier.
Als rechtsgrundsätzlich bedeutsam wirft die Beschwerde zunächst die Frage auf:
„Ist eine spezielle gesetzliche Ermächtigung (dafür) erforderlich, die Aufgabe der Fundtierversorgung auf den Tierschutzverein zu übertragen, wobei dem Tierschutzverein nicht nur die Funktion des Verwaltungshelfers zukommt, sondern dem Tierschutzverein die eigenständige Erfüllung der öffentlichen Aufgabe obliegt?“
Zwar sei in der Rechtsprechung geklärt, dass für die Übertragung von Hoheitsaufgaben auf (private) Dritte eine gesetzliche Ermächtigung erforderlich ist. Auch sei die Tätigkeit des Tierschutzvereins nicht lediglich eine „Verwaltungshelfertätigkeit“ in dem Sinne, dass der Tierschutzverein nur verlängerter Arm der Verwaltungsbehörde und nicht mit eigener Entscheidungsmacht ausgestattet sei. Vom Beliehenen einerseits und vom Verwaltungshelfer andererseits abzugrenzen sei aber der sonstige private Erfüllungsgehilfe einer Behörde, der nicht mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet und damit kein Beliehener sei, der aber im Unterschied zum Verwaltungshelfer selbstständig handele. So liege es etwa bei einem mit dem Abschleppen eines verkehrswidrig geparkten Fahrzeuges beauftragten Abschleppunternehmer; nicht anders verhalte es sich bei dem Tierschutzverein, dem eine Gemeinde ihre Pflichten als öffentliche Fundbehörde (§ 967 BGB) zur eigenständigen Wahrnehmung übertragen habe. Es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob diese Organisationsform einer speziellen, über Art. 28 GG hinausreichenden gesetzlichen Ermächtigung bedürfe.
Diese Frage ist nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter klärungsbedürftig, da sie sich bereits anhand der bisherigen Rechtsprechung und Literatur zu Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG beantworten lässt. Zu der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltenen Befugnis der eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte gehört auch die Organisationshoheit. Diese umfasst die Befugnis der Gemeinde, die Art und Weise der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben zu organisieren. Dabei verpflichtet der Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit die Gemeinden, ihre Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen, also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen3. Zwar ist anerkannt, dass die Gemeinde sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben in gewissem Umfang auch Privater bedienen darf. Reichweite und Modalitäten einer solchen Einschaltung Privater des Näheren zu bestimmen, unterliegt der Regelung durch den Landesgesetzgeber. Das lässt indes die Aufgabenträgerschaft der Gemeinde als solche grundsätzlich unberührt. Die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG verbürgte Organisationshoheit erlaubt der Gemeinde jedenfalls nicht, sich einer ihr gesetzlich zugewiesenen öffentlichen Aufgabe ohne gleichermaßen gesetzliche Ermächtigung mit „schuldbefreiender“ – besser: pflichtenbefreiender – Wirkung zu entledigen.
Auch die weitere von der Beklagten aufgeworfene Frage,
„ob hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen aus dem Tierschutzrecht (für die Behandlung des verletzten Tieres) oder <…> aus der Aufnahme des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz (Art. 20a GG) generell die Euthanisierung des Tieres als Handlungsalternative ausscheidet“,
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, so das Bundesverwaltungsgericht weiter. Zwar hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass es für eine Tötung von Fundtieren keine Rechtsgrundlage gibt. Nach dem Pflegegebot des § 2 Nr. 1 i.V.m. § 1 Satz 2 Tierschutzgesetz sei die Tötung eines verletzten Tieres nur als ultima ratio zulässig und dürfe daher nicht erfolgen, solange nach tierärztlichem Urteil noch Heilungsaussichten bestünden. Daraus ergebe sich, dass der wirtschaftliche Wert eines Tieres für die Durchführung einer tierärztlichen Behandlung grundsätzlich keine Rolle spiele. Das Berufungsgericht hat sein Urteil aber zusätzlich auf die weitere Begründung gestützt, dass auch bei Zugrundelegung einer Obergrenze für tierärztliche Behandlungskosten diese im vorliegenden Fall noch nicht überschritten sei. Nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte werde bei einem Hund mit geringerem Verkehrswert, aber auch bei einem Mischling oder einer Katze ohne Marktwert die Grenze durch Aufwendungen von 1.500 € noch nicht überschritten. Diese Grenze sei hier schon deshalb nicht überschritten, weil die tierärztlichen Behandlungskosten insgesamt lediglich 677,25 € betragen hätten. Hinsichtlich dieser weiteren, selbstständig tragenden Begründung hat die Beklagte keinen Zulassungsgrund geltend gemacht, weshalb eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung mangels Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage ausscheidet. Im Übrigen wäre die Beantwortung der Frage, ab welcher Grenze die Kosten einer tierärztlichen Behandlung als unverhältnismäßig anzusehen sind, von einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles abhängig und einer generellen Klärung durch das Revisionsgericht nicht zugänglich.
Soweit die Beklagte meint, das Berufungsgericht habe übersehen, dass das Affektionsinteresse des Tierhalters im vorliegenden Fall außer Betracht zu bleiben habe, greift sie die rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts als unrichtig an, ohne eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzutun. Die fehlende Darlegung vermag auch der Hinweis auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 06. 03.19964 nicht zu ersetzen, zumal diese Entscheidung einen in vielfacher Hinsicht anders gelagerten Fall betraf.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.02.2013 – 8 B 60.12
- VG Göttingen, Urteil vom 19.05.2010 – 1 A 288/08; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 23.04.2012 – 11 LB 267/11 [↩]
- BVerwG, Beschlüsse vom 17.08.2009 – 6 B 9.09; vom 09.09.2011 – 8 B 15.11 [↩]
- BVerfG, Urteil vom 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04; BVerwG, Urteil vom 23.08.2011 – 9 C 2.11; OVG Weimar, Beschluss vom 23.02.2012 – 4 ZKO 711/11; VGH Mannheim, Urteil vom 16.12.2009 – 1 S 3263/08 [↩]
- OVG Münster, Beschluss vom 06.03.1996 – 13 A 638/95 [↩]