Das Finanzgericht Köln hatte über die Frage zu entscheiden, ob im Rahmen eines Antrages auf Vorsteuervergütung auch die zugehörigen Rechnungen innerhalb der Antragsfrist auf elektronischem Wege einzureichen sind.
Geklagt hatte ein in Polen ansässiges Unternehmen.
Am 30.03.2011 (Eingangsdatum) stellte der Kläger einen Antrag auf Vorsteuervergütung gemäß § 18 Abs. 9 UStG in Verbindung mit §§ 59- 61a UStDV für den Zeitraum Januar bis Dezember 2010 i.H.v. 2.983,55 €.
Mit Bescheid vom 19.06.2012 wurde die Vorsteuervergütung in Höhe von 337,82 € festgesetzt. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Rechnungen nicht elektronisch übermittelt worden seien. Die Rechnungen, aus denen die Vorsteuervergütung abgelehnt wurde, betrafen den Erwerb von Kraftstoff und beliefen sich jeweils auf einen Rechnungsbetrag, der 250,- € überstieg.
Hiergegen legte der Kläger am 26.06.2012 Einspruch ein und reichte zeitgleich Kopien der Rechnungen in Papierform ein.
Mit E-Mail vom 07.08.2012 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass dem Einspruch nicht abgeholfen werden könne, weil es sich bei den eingereichten Rechnungen nicht um elektronisch übermittelte Originalrechnungen handeln würde. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO würden nicht vorliegen.
Am 10.08.2012 reichte der Kläger per E-Mail die streitigen Rechnungen eingescannt in elektronischer Form ein. Gleichzeitig berief er sich auf Art. 19 und Art. 20 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12.02.2008. Er trägt vor, dass er den Antrag am 24.03.2011 verschickt habe und dieser dem Beklagten am 30.03.2011 zugegangen sei. Er habe am 19.06.2011 den ablehnenden Bescheid erhalten. Vorher habe er keine Informationen dazu bekommen, dass er den Antrag durch elektronische Übersendung der Originalrechnungen ergänzen solle. Er habe den Einspruch und die fehlenden Rechnungen per Post am 21.06.2012 eingereicht. Der Beklagte habe am 07.08.2012 darauf hingewiesen, dass der Einspruch abzulehnen sei. Er, der Kläger, habe auf die Entscheidung des Beklagten 14 Monate gewartet. Er arbeite auch mit anderen Mitgliedstaaten zusammen, aber solche Schwierigkeiten seien erstmals entstanden. Er sei mit der Entscheidung des Beklagten nicht einverstanden. Er habe Termine eingehalten.
Nach erfolglosem EInspruchsverfahren hat das Unternehmen Klage bei Finanzgericht Köln erhoben.
Das Finanzgericht Köln hat die Klage abgewiesen.
Die begehrte Vorsteuervergütung ist nämlich zu versagen, da es an der elektronischen Übermittlung der eingescannten Rechnungen an den Beklagten innerhalb der Antragsfrist mangelt.
Gemäß § 18 Abs. 9 S. 2 Nr. 2 UStG in Verbindung mit § 61 Abs. 2 S. 1 UStDV in der im Streitjahr gültigen Fassung ist der Vergütungsantrag eines im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers – wie im Streitfall der Kläger – binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat die Vergütung selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 9 S. 2 Nr. 2 UStG in Verbindung mit § 61 Abs. 2 S. 2 UStDV). Dem Vergütungsantrag sind auf elektronischem Weg die Rechnungen und Einfuhrbelege in Kopie beizufügen, wenn das Entgelt für den Umsatz oder die Einfuhr mindestens 1.000 €, bei Rechnungen über den Bezug von Kraftstoff mindestens 250 € beträgt (§ 18 Abs. 9 S. 2 Nr. 2 UStG in Verbindung mit § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV).
Dieser Wortlaut kann nur dahingehend verstanden werden, dass die Rechnungen mit dem Antrag einzureichen sind. Denn sie sind ihm ausdrücklich „beizufügen“. Die Frist für die Antragseinreichung gilt damit folglich auch für die Einreichung der Rechnungen.
Für ein solches Verständnis spricht auch der Zusammenhang von § 61 Abs. 2 S. 1 und 2 UStDV, die beide den Vergütungsantrag betreffen. Dies hat der Bundesfinanzhof zur Vorgängerregelung dieser Norm auch schon bestätigt: § 18 Abs. 9 UStG a.F. sah in Satz 3 die Antragsfrist und in Satz 4 die eigene Berechnung sowie „Vorlage“ der Rechnungen vor1. Zwar hat der Bundesfinanzhof u.a. darauf abgestellt, dass auch Satz 5 des § 18 Abs. 9 UStG a.F., der die Unterschrift des Antrags forderte, den Antrag betrifft und das Erfordernis der Einreichung der Originalrechnungen somit zwischen Sätzen eingebettet war, die den Antrag betrafen. Allerdings hat das Verständnis des Bundesfinanzhofs zur Einreichung der Originalrechnungen innerhalb der Antragsfrist nach § 18 Abs. 9 S. 4 UStG a.F. auch für die neue Regelung des § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV Geltung. § 18 Abs. 9 S. 3 und 4 UStG a.F. entsprechen vom Regelungsgegenstand her dem § 61 Abs. 2 S. 1 bis 3 UStDV n.F. Die Regelung des § 18 Abs. 9 S. 5 UStG a.F., die das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift vorsah, ist in § 61 Abs. 2 UStDV nicht übernommen worden, da diese bei einem Antrag in elektronischer Form naturgemäß nicht möglich ist. Dass die systematische „Einbettung“ des Erfordernisses der Rechnungseinreichung im alten Recht damit entfallen ist, findet seine Ursache folglich darin, dass mangels Papierantrages nicht mehr an dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift festgehalten wurde. Es ist nicht erkennbar, dass hierdurch die systematische Verbindung zwischen Antrag und Rechnungseinreichung aufgelöst werden sollte.
Auch die Gesetzesmaterialien stützen dieses Verständnis. In den Gesetzesmaterialien werden die Unterschiede zwischen alter und neuer Regelung dargelegt. Soweit es um die Einreichung der Rechnungen geht, wird als Neuregelung lediglich hervorgehoben, dass nicht mehr die Originalrechnungen bzw. Einfuhrdokumente vorzulegen sind, da nunmehr auf elektronischem Wege Rechnungskopien einzureichen sind2. Auch wird dargelegt, dass Rechnungen in Kopie auf elektronischem Wege dem Antrag nur beizufügen sind, wenn bestimmte Mindestbeträge überschritten werden3. Im Umkehrschluss kann aus den vom Gesetzgeber dargelegten Änderungen durch das neue Vorsteuervergütungsverfahren geschlossen werden, dass das Erfordernis der Einreichung der Rechnungen zusammen mit dem Antrag innerhalb der Antragsfrist nicht entfallen ist, sondern sich insoweit nichts geändert hat.
Diese Auslegung ist auch gemeinschaftsrechtlich geboten4.
Nach Art. 10 der Richtlinie 2008/9/EG vom 12.02.2008 kann der Mitgliedstaat der Erstattung verlangen, dass der Antragsteller zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege eine Kopie der Rechnung oder des Einfuhrdokuments einreicht, falls sich die Steuerbemessungsgrundlage auf einer Rechnung oder einem Einfuhrdokument auf mindestens 1.000 €, im Falle von Rechnungen für Kraftstoff auf mindestens 250 € beläuft. Auch die EG-Richtlinie sieht damit die Einreichung der Rechnung zusammen mit dem Antrag vor. Der deutsche Gesetz- bzw. Normgeber hat diese optionalen Vorgabe in § 61 Abs. 2 S. 3 UStDV übernommen.
Der Erstattungsantrag muss dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, nach Art. 15 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 2008/9/EG spätestens am 30.09. des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Daraus folgt, dass auch die zusammen mit dem Antrag einzureichenden Rechnungen innerhalb dieser Frist einzureichen sind.
Dem steht nicht entgegen, dass der Erstattungsantrag nach Art. 15 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 2008/9/EG nur dann als vorgelegt gilt, wenn der Antragsteller alle in den Artikeln 8, 9 und 11 geforderten Angaben gemacht hat. Hieraus ist nicht zu schließen, dass der Antrag auch ohne Beifügung der Rechnungen nach Art. 10 als vorgelegt gilt. Art. 15 Abs. 1 S. 2 der Richtlinie 2008/9/EG betrifft lediglich die Angaben im Antrag und stellt sicher, dass ein Vordruck, der nicht die genannten Angaben enthält, als nicht vorgelegt gilt. Nicht betroffen sind von dieser Regelung die Anlagen, zu denen auch die Rechnungen gehören.
Nichts anderes ergibt sich auch aus Art. 20 Abs. 1, Unterabsatz 3 der Richtlinie 2008/9/EG. Hiernach können die innerhalb von vier Monaten ab Antragseingang angeforderten Informationen zwar die Einreichung des Originals oder der Durchschrift der einschlägigen Rechnung erfassen. Diese Regelung betrifft indes den Fall, dass der Mitgliedstaat der Erstattung begründete Zweifel am Bestehen einer Forderung hat. In diesem Fall kann die Einreichung des Originals oder der Durchschrift der Rechnung in Papierform verlangt werden. Hiervon bleibt die Pflicht zur Einreichung der Rechnungskopien zusammen mit dem Erstattungsantrag auf elektronischem Wege nach Art. 10 Satz 1 der Richtlinie 2008/9/EG unberührt.
In dem entschiedenen Fall hat der Kläger die Rechnungen auf elektronischem Wege erst nach Ablauf der Vorsteuervergütungsfrist und damit verspätet vorgelegt. Denn die Frist lief am 30.09.2011 ab. Eingereicht wurden die Rechnungen auf elektronischem Wege erst am 10.08.2012. Selbst die Rechnungen in Papier wurden am 26.06.2012 nach Ablauf der Frist vorgelegt.
Damit wurden die Rechnungen verspätet eingereicht und finden keine Berücksichtigung. Denn die Vorsteuervergütungsfrist des § 18 Abs. 9 S. 2 Nr. 2 UStG in Verbindung mit § 61 Abs. 2 S. 1 UStDV ist eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist.
Die deutsche Regelung der Vergütungsfrist nach § 18 Abs. 9 S. 2 Nr. 2 UStG in Verbindung mit § 61 Abs. 2 S. 1 UStDV als Ausschlussfrist basiert auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG. Hiernach muss der Erstattungsantrag dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige ansässig ist, spätestens am 30. September des auf den Erstattungszeitraum folgenden Kalenderjahres vorliegen. Aus dem Begriff „spätestens“ ergibt sich, dass es sich um eine Ausschlussfrist handelt5.
Es ist nach Auffassung des Finanzgerichts Köln für die Prüfung der fristgemäßen Einreichung der Rechnungen unerheblich, dass der Beklagte nicht binnen vier Monaten nach Antragseingang die fehlenden Rechnungen nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 2008/9/EG beim Kläger angefordert hat. Hierbei handelt es sich lediglich um eine „kann“-Vorschrift. Ein Ermessensfehlgebrauch des Beklagten ist insoweit nicht ersichtlich. Außerdem sieht Art. 20 Abs. 1 als Rechtsfolge eines vermeintlichen Verstoßes durch den Beklagten nicht vor, dass verspätet eingereichte Rechnungen als fristgemäß eingegangen gelten oder eine entsprechende Fristversäumnis unbeachtlich wäre.
Dem Kläger war für die Einreichung der Rechnungen auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO zu gewähren.
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 110 Abs. 1 S. 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 S. 2 AO). Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 110 Abs. 2 S. 1 AO). Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 S. 3 AO).
Der Kläger hat die Monatsfrist nach § 110 Abs. 2 S. 1 AO versäumt. Das Hindernis – die Unkenntnis von dem Erfordernis der Einreichung der Rechnungen (auf elektronischem Wege) – ist mit dem Zugang des Vergütungsbescheides vom 19.06.2012 entfallen. Denn dieser Bescheid enthielt den Hinweis darauf, dass die Rechnungen nicht elektronisch übermittelt worden seien und deshalb der Antrag teilweise abzulehnen sei.
Der Bescheid war an den Kläger mit Sitz in Polen adressiert, so dass der Zugangszeitpunkt zwar grundsätzlich nach § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO vermutet wird. Da der Kläger indes bereits am 26.06.2012 Einspruch gegen den Bescheid eingelegt hat, ist ihm der Bescheid auch spätestens an diesem Tag zugegangen. Die Monatsfrist des § 110 Abs. 2 S. 1 AO lief damit am 26.07.2012 ab. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Auch hat er innerhalb dieser Frist nicht die versäumte Handlung durch Übermittlung der Rechnungen auf elektronischem Wege nachgeholt.
Darüber hinaus war die Fristversäumnis auch nicht unverschuldet.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinderndes Verschulden ist bereits im Falle leichter Fahrlässigkeit anzunehmen6. Jedes Verschulden – also auch eine einfache Fahrlässigkeit – schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus7. Ohne Verschulden verhindert ist jemand daher nur dann, wenn er die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt beachtet hat8.
Im Streitfall macht der Kläger geltend, dass die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vorsehe, dass der Einspruch schriftlich oder per E-Mail eingelegt werden könne. Er habe innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist den Einspruch schriftlich eingelegt und zu dessen Begründung die Rechnungen in Papierform beigefügt.
Mit diesem Einwand hat der Kläger nicht dargelegt, aus welchem Grund er seinem Antrag nicht im Zeitpunkt der Einreichung die Originalrechnungen in elektronischer Form beigefügt hat.
Ungeachtet dessen hat der Kläger nach seinem Vortrag aber auch fahrlässig gehandelt. Im Bescheid war er auf das Erfordernis hingewiesen worden, dass die Rechnungen in elektronischer Form einzureichen sind. Wenn er die Rechtsbehelfsbelehrung zur Einlegung des Einspruchs dahingehend verstanden haben wollte, dass er dann auch die Rechnungen per Post einreichen dürfe, hätte er die einem gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen. Denn zu einem solchen Verständnis gab die Rechtsbehelfsbelehrung – bei gewissenhafter und sachgemäßer Beachtung – keinen Anlass. Diese betrifft nur die Einlegung des Einspruchs. Die Voraussetzungen der Vorsteuervergütung bleiben hiervon unberührt.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 05.06.2014 – 2 K 3334/12
- BFH, Urteile vom 18.01.2007 – V R 23/05; vom 14.05.2008 – XI R 58/06 [↩]
- BT-Drs. 16/11108, Seite 40 [↩]
- BT-Drs. 16/11108, Seite 43 [↩]
- vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung der nationalen Vorschriften über das Vorsteuer-Vergütungsverfahren: BFH, Urteile vom 22.05.2003 – V R 97/01; vom 22.10.2003 – V R 95/01; vom 23.10.2003 – V R 48/01; vom 18.01.2007 – V R 23/05 [↩]
- so zu Art. 7 Abs. 1, Unterabsatz 1, letzter Satz der Achten EG-Richtlinie: EuGH, Urteil vom 21.06.2012 – C-294/11 – Elsacom; BFH, Beschluss vom 09.01.2014 – XI B 11/13 [↩]
- BFH, Beschluss vom 17.09.2007 – I B 74/07 [↩]
- BFH, Beschluss vom 04.12.2003 – XI B 181/01 [↩]
- BFH, Urteil vom 29.02.2012 – IX R 3/11 [↩]