Ist ein Old English Bulldog ein „Listenhund“?
In Nordrhein-Westfalen gilt das Hundegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, in dem es in § 3 Abs. 2 LHundG heisst:
„Gefährliche Hunde sind Hunde der Rassen Pittbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden. Kreuzungen nach Satz 1 sind Hunde, bei denen der Phänotyp einer der dort genannten Rassen deutlich hervortritt. In Zweifelsfällen hat die Halterin oder der Halter nachzuweisen, dass eine Kreuzung nach Satz 1 nicht vorliegt.“
So die gesetzliche Regelung.
Nun musste das Verwaltungsgericht Köln über die Frage entscheiden, ob der Hund einer Hundehalterin (Klägerin), die ihn von Züchtern als Old English Bulldog erwarb, von ihr überhaupt gehalten werden darf.
Ausweislich des Kaufvertrages sollte die Ahnentafel in ca. 2-3 Wochen nachgeschickt werden. Mit E-Mail vom 20.07.2015 zeigte die Klägerin die Übernahme des Hundes der Beklagten an.
Nach einer ersten Inaugenscheinnahme des Hundes und Rücksprache mit dem Kreisveterinäramt Euskirchen, wonach zwei der Zuchtrüden des Züchter-Ehepaars zum American Bulldog tendierten, forderte die beklagte Gemeinde die Klägerin mit Schreiben vom 08.04.2016 auf, den Hund zur Feststellung der Rasse beim Veterinäramt des Rhein-Sieg-Kreises vorzuführen.
Die Rassebestimmung erfolgte sodann durch die Kreisveterinärin gemeinsam mit zwei weiteren Kreisveterinärinnen. Es handelte sich danach bei dem Hund um einen muskulösen Mischlings-Rüden mit markanten und signifikanten phänotypischen Rassemerkmalen eines American Bulldogs. Größe, Gewicht, Haarkleid, Farbgebung, Ohr- und Kopfform waren als rassetypisch zu bezeichnen. Die Rasse „Old English Bulldog“ verfüge nicht über eine Anerkennung der FCI. Es handele sich um eine Rückkreuzung aus den Rassen English Bulldog zu 50% sowie jeweils 1/6 aus Bullmastiff, American Bulldog und Pitbull-Terrier.
Mit Schreiben vom 21.04.2016 teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Rassebestimmung mit und forderte sie auf, die gemäß § 10 Abs. 1 LHundG NRW erforderlichen Erlaubnisunterlagen vorzulegen. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.05.2016 widersprach die Klägerin der Eingruppierung ihres Hundes und legte eine phänotypische Beurteilung eines Sachverständigen vor. Danach weist der Hund keine anlagentypischen Merkmale auf und ist als 20/40 Hund zu behandeln.
Mit Bescheid vom 25.05.2016 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass der Hund der Klägerin ab sofort der Rasse American Bulldog-Mischling angehöre und damit als Hund bestimmter Rasse im Sinne des § 10 Abs. 1 LHundG NRW klassifiziert sei. Zur Begründung verwies sie im Wesentlichen auf den Feststellungsbericht des Kreisveterinäramtes.
Am 01.07.2016 hat die Klägerin hiergegen sowie gegen einen Hundesteuerbescheid vom 19.04.2016 die vorliegende Klage erhoben.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen darauf, dass es sich bei ihrem Hund um einen Old English Bulldog handele, ohne dass es darauf ankomme, dass diese Rasse keine FCI-Anerkennung besitze. Der Hund sei friedlich und ungefährlich. Die Eingruppierung sei nur deshalb erfolgt, weil es sich um einen muskulösen Hund handele, dessen Größe und Gewicht möglicherweise gegenüber vergleichbaren Tieren dieser Rasse erhöht sei. Die übrigen Rassemerkmale wie Haarkleid etc. könnten für einen Bulldog grundsätzlich rassetypisch sein, nicht jedoch alleine für einen American Bulldog.
Das Verwaltungsgericht Köln ist der Argumentation der Klägerin nicht gefolgt.
Die Ordnungsverfügung der Beklagten und die dort vorgenommenen Einstufung des Hundes „Kalle“ als Hund bestimmter Rasse im Sinne des § 10 Abs. 1 LHundG NRW ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 LHundG NRW zählen zu den Hunden bestimmter Rasse solche der Rassen Alano, American Bulldog, Bulmastiff, Mastiff, Mastino Espanol, Mastino Napoletano, Fila Brasileiro, Dogo Argentino, Rottweiler und Tosa Inu sowie deren Kreuzungen untereinander sowie mit anderen Hunden.
Als Kreuzung im Sinne dieser Vorschrift gilt nach dem Wortlaut jede Kreuzung mit einem der in § 10 Satz 1 LHundG NRW genannten Hunde. Maßgeblich ist dabei ein rein biologisch-zoologischer Kreuzungsbegriff, ohne dass es darauf ankommt, in welcher Generation und mit welchem Erbteil das Tier von dem einer Art oder Rasse zuzuordnenden Vorfahren abstammt1.
Insbesondere kommt es nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung für den Kreuzungsbegriff des § 10 Abs. 1 LHundG NRW nicht auf den Phänotyp des betreffenden Tieres an, anders als dies bei gefährlichen Hunden nach§ 3 Abs. 2 S. 2 LHundG NRW der Fall ist. Die Vorschrift des § 10 LHundG NRW verweist insoweit nicht auf § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW. Angesichts des Umstandes, dass § 10 LHundG NRW im Übrigen aber zahlreiche der für gefährliche Hunde geltenden Vorschriften ausdrücklich für entsprechend anwendbar erklärt, kann die fehlende Bezugnahme auf den Kreuzungsbegriff des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW auch nicht etwa als unbeabsichtigte Regelungslücke angesehen werden, so dass eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht kommt. Dies wird zudem dadurch bestätigt, dass bei Hunden bestimmter Rasse auch auf die Nachweispflicht in Zweifelsfällen nach § 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG nicht verwiesen wird.
Eine einschränkende Auslegung dieses weiten Kreuzungsbegriff dahingehend, dass eine Kreuzung vom Regelungszweck der Norm nur erfasst ist, wenn der daraus hervorgehende Mischlingshund nach seiner äußeren Erscheinung die Merkmale mindestens einer der genannten Rassen zeigt, ist zur Überzeugung der Kammer nach dem eindeutigen Wortlaut des § 10 LHundG NRW ausgeschlossen.
Ob bei der Anwendung dieses weiten Kreuzungsbegriffs unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Einschränkungen geboten sein können – etwa bei Nachfahren in der vierten oder fünften Generation ohne jegliche phänotypische Merkmale einer der genannten Rassen – ist einer abstrakten Klärung nicht zugänglich, sondern gegebenenfalls eine Frage des konkreten, hier jedenfalls nicht in Betracht kommenden, Einzelfalls.
Nach den vorgenannten Kriterien handelt es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln bei dem Hund der Klägerin um eine Kreuzung im Sinne des § 10 Abs. 1 LHundG NRW.
Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich bei Hunden unter der Bezeichnung Old English Bulldog um eine Rückzüchtung aus English Bulldog (50%) sowie jeweils 1/6 aus Bullmastiff, American Bulldog und Pittbull-Terrier handelt. Es sind demnach auf jeden Fall zu wenigstens 1/3 Hunde bestimmter Rassen eingekreuzt. Solange demnach der Old English Bulldog nicht als eigenständige Rasse in der Bundesrepublik anerkannt ist, was gegenwärtig nach der zuvorderst maßgeblichen Einschätzung des nationalen Zuchtverbandes, hier des Verbandes für das Deutsche Hundewesen e. V. (VDH), nicht der Fall ist, fällt ein Hund dieser Kategorie entweder unter die Regelung des § 10 LHundG NRW oder – bei deutlichem Hervortreten des Phänotyps des Pittbull Terriers – unter die Regelung des § 3 Abs. 2 LHundG NRW.
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen sind hier aber auch markante und signifikante phänotypische Rassemerkmale eines American Bulldog feststellbar. Dies ergibt sich aus der phänotypischen Beurteilung durch die Amtsveterinärinnen des Rhein-Sieg-Kreises vom 14.04.2016, die in sich nachvollziehbar und schlüssig ist und durch die im Verwaltungsvorgang vorhandenen Fotos bestätigt wird. Insbesondere ist der Hund deutlich größer, muskulöser und schwerer als Hunde unter der Bezeichnung Old English Bulldog. Die Kreisveterinärin hat die Rassebestimmung im Termin zur mündlichen Verhandlung nochmals eindrucksvoll erläutert und ausgeführt, dass der Hund keine phänotypischen Merkmale eines Pittbull oder Bullmastiff aufweist und auch deutlich von einer englischen Bulldogge abweiche, die ein kleiner, sehr kräftiger, kaum bewegungsfähiger Hund sei. Der Hund der Klägerin weise stattdessen zahlreiche deutliche Merkmale eines American Bulldog auf. Die von der Klägerin vorgelegte Rassebestimmung des Sachverständigen ist nicht geeignet, Zweifel an der überzeugenden fachlichen Beurteilung der Amtsveterinärin zu wecken. Abgesehen davon, dass er über keine anerkannte Fachkunde für Rassebestimmungen verfügt und hierfür nicht als Sachverständiger anerkannt ist, hat er seine Behauptung in dem Schreiben vom 04.05.2016 in keiner Weise begründet, sondern schlicht ohne nähere Ausführungen das Gegenteil festgestellt.
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 30.03.2017 – 20 K 5754/16
ECLI:DE:VGK:2017:0330.20K5754.16.00
Nachtrag:
Die Entscheidung wurde durch das Oberverwaltungsgericht NRW aufgehoben. Die Entscheidung finden Sie hier.
- OVG NRW, Urteil vom 17.06.2004 – 14 A 953/02; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.08.2015 – OVG 5 S 36.14 [↩]