Kommt es zu einem Angriff durch einen Hund kann die Ordnungsbehörde Anordnungen treffen – z.B. auch die amtstierärztliche Begutachtung des Hundes.
Die Behörde hatte nun in einem solchen Fall auch die sofortige Vollziehung der Anordnung der amtstierärztlichen Begutachten angeordnet.
Auch gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann man sich, neben der Klage gegen die Ordnungsverfügung als solche, vor dem Verwaltungsgericht wehren.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht nämlich auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn wie hier die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von der Behörde angeordnet worden ist. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht das öffentliche Vollziehungs- und das private Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen und dabei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Während bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfes ein schutzwürdiges Aussetzungsinteresse grundsätzlich nicht in Betracht kommt, besteht umgekehrt grundsätzlich kein öffentliches Interesse am Vollzug einer offensichtlich rechtswidrigen Verfügung. Lassen sich die Erfolgsaussichten abschätzen, ohne eindeutig zu sein, bildet der Grad der Erfolgschance ein wichtiges Element der vom Gericht vorzunehmenden Interessensabwägung.
In dem konkreten Fall erweist sich nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand die ordnungsbehördliche Verfügung nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln voraussichtlich als rechtmäßig, so dass das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin nicht das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt.
Das Verwaltungsgericht Köln hat in dem entschiedenen Fall keine durchgreifenden Zweifel daran, dass hier auf der Grundlage der schriftlichen Beschwerden von Beschwerdeführern gegenüber der Behörde (Antragsgegnerin) gemäß § 12 Abs. 1 LHundG NRW die Anordnung einer amtstierärztlichen Untersuchung der Hunde der Antragstellerin der Rasse Berner Sennenhund zur endgültigen Klärung einer von den Hunden der Antragstellerin ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gerechtfertigt war, namentlich auch zur Klärung der Frage, ob die Anordnung weiterer Maßnahmen wie etwa eines Leinen- und/oder Maulkorbzwangs erforderlich ist. Denn es ist im Ordnungsrecht anerkannt, dass die Ordnungsbehörden bei Vorliegen eines Gefahrenverdachts befugt sind, notwendige Maßnahmen zu ergreifen, bis der Sachverhalt endgültig geklärt ist1.
Nach der einen Beschwerde ist es am 14.10.2015 gegen 22.00 Uhr zu einer Begegnung mit den Hunden der Antragstellerin gekommen, als diese auf sie zuliefen und ihren Hund sofort angriffen. In Panik habe sie ihren Hund über den Zaun eines Nachbarn in Sicherheit gebracht. Nach einer der zahlreichen Beschwerden der Beschwerdeführerin ereignete sich u.a. am 11.07.2016 ein weiterer Vorfall, bei dem die Hunde der Antragstellerin hinter ihr und ihrem Hund herliefen. Dabei habe ihr Hund – ein Tibet-Spaniel – panisch und in Angst reagiert, so dass die Beschwerdeführerin ihn an der Leine hochgezogen und auf den Arm genommen habe. Die Hunde der Antragstellerin seien nicht abrufbar gewesen. Nach ihren Angaben kann sich die Antragstellerin an den Vorfall vom 14.10.2015 nicht erinnern. Den Vorfall vom 11.07.2016 bestätigt die Antragstellerin im Kern, allerdings habe dabei der Hund der Beschwerdeführerin aggressiv um sich gebissen, gebellt und wütend geknurrt. Nähere Angaben zu dem Verhalten ihrer eigenen Hunde macht die Antragstellerin nicht. Beide Beschwerden begründen aber unabhängig von Erinnerungslücken der Antragstellerin oder im Detail abweichender Schilderung nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln jedenfalls einen hinreichenden Gefahrenverdacht, zumal sie sich in eine Reihe ähnlicher Beschwerden einfügen. Die Antragstellerin selbst hat zunächst auch offenbar gegen die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahme keine durchgreifenden Bedenken gehabt, da sie am 30.09.2016 beim Kreisveterinäramt vorgesprochen hat, um eine Begutachtung durchführen zu lassen (was aus terminlichen Gründen ad hoc nicht möglich war).
Die stattdessen auf Veranlassung der Antragstellerin durchgeführte Begutachtung durch einen privaten Sachverständigen stellt weder eine Erfüllung der ordnungsrechtlichen Pflichten der Antragstellerin dar noch ist eine private Begutachtung ein zulässiges Austauschmittel im Sinne von § 21 OBG NRW für die hier angeordnete Begutachtung durch einen Amtsveterinär. Letzteres gilt mit Blick auf die den Amtsveterinären im Landeshundegesetz eingeräumte besondere Stellung grundsätzlich unabhängig von der Qualifikation der im Einzelfall beauftragten privaten Sachverständigen und des konkreten Ergebnisses des Gutachtens. Abgesehen davon ist die hier durch den privaten Sachverständigen durchgeführte Begutachtung auch deshalb nicht hinreichend aussagekräftig, weil sie ohne genaue Kenntnis der vorliegenden Beschwerden erfolgte und die Hunde ausweislich des hierüber vorliegenden Gutachtens vom 01.10.2016 nur angeleint vorgestellt wurden. Gerade die vorliegend interessierenden Fragen des Verhaltens sowie des Gehorsams und der Abrufbarkeit der Hunde im Freilauf waren daher nicht Gegenstand der Überprüfung.
Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahme bestehen angesichts der geringen Eingriffsqualität und der möglichen von den Hunden der Antragstellerin – auch unter Berücksichtigung von deren Größe – ausgehenden Gefährdung nicht.
Verwaltungsgericht Köln, Beschluss vom 09.01.2017 – 20 L 2363/16
ECLI:DE:VGK:2017:0109.20L2363.16.00
(nicht rechtskräftig: Oberverwaltungsgericht NRW: 5 B 146/17)
- OVG NRW, Beschluss vom 14.02.2005 – 5 B 2488/04 [↩]