Tierärztliche Behandlungskosten bei Pferden können sich in der Regel – zum Leidwesen der Eigentümer – „sehen lassen“.
Daher liegt es hier erst recht nahe, zu überprüfen, ob eine andere Person für diese Kosten in Haftung genommen werden kann.
Das Oberlandesgericht Hamm ist nun in einem solchen Regreßprozess zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Landwirt, der von ihm hergestellte, kontaminierte Silage an ein bei ihm eingestelltes Pferd verfüttert, das hierdurch erkrankt, dem Eigentümer des Pferdes gegenüber verschuldensunabhängig haftet.
Zu diesem Ergebnis kam das Oberlandesgericht Hamm als Berufungsinstanz im Rahmen eines Hinweisbeschlusses im Hinblick auf eine beabsichtigte Zurückweisung der Berufung gegen eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Hagen1. Der Beklagte hat daraufhin die Berufung zurückgenommen.
In dem konkreten Fall waren die Kläger aus Hemer Eigentümer eines 1999 geborenen Pinto-Wallachs und Westernreitpferds. Dieses hatten sie im Pferdepensionsbetrieb eingestellt, den der Beklagte auf einem Hof in Iserlohn unterhält. Vereinbarungsgemäß versorgte der Beklagte das Pferd und fütterte es unter anderem auch mit Heu und selbst hergestellter Silage. 2011 erkrankte das Pferd zeitgleich mit anderen Pferden im Stall des Beklagten, die ebenfalls mit der vom Beklagten selbst hergestellten Silage gefüttert worden waren. Untersuchungen ergaben, dass bei den Tieren eine Botulismus-Erkrankung ausgelöst worden war, für die nur die Silage als Verursacher in Betracht kam.
Die Kläger ließen ihr Pferd tierärztlich behandeln, wofür Kosten in Höhe von ca. 15.700 Euro anfielen. Zur Übernahme dieser Kosten ist der Beklagte in erster Instanz durch das Landgericht Hagen verurteilt worden1.
Der Beklagte hafte auch ohne eigenes Verschulden für die durch die Botulismus-Erkrankung des Pferdes entstandenen Tierarztkosten, so der Hinweis des Oberlandesgerichts Hamm. Seine Haftung folge aus dem Produkthaftungsgesetz, das ihm eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für den Fehler eines von ihm hergestellten Produkts auferlege.
Die vom Beklagten hergestellte Silage sei ein Produkt im Sinne dieses Gesetzes, das durch die Kontamination mit den Botulismus-Erregern einen bestimmungswidrigen Fehler aufgewiesen habe.
Der Beklagte sei der Hersteller dieses Produkts, weil er das in seinem landwirtschaftlichen Betrieb verarbeitete Gras produziert, gemäht und gesammelt habe. Nach dem Produkthaftungsgesetz hafte auch ein Grundstoffproduzent. Nach dem Wegfall des Haftungsprivilegs für Naturprodukte seien auch die von Landwirten erzeugten Grundstoffe für Nahrungsmittel in die Produkthaftung einbezogen. Darüber hinaus habe der Beklagte das von ihm selbst produzierte und geerntete Gras zwecks Herstellung der Silage weiterverarbeitet. Auch das mache ihn zum Hersteller.
Zu Gunsten des Beklagten greife keiner der im Produkthaftungsgesetz geregelten Ausnahmetatbestände ein.
Der Beklagte habe die von ihm produzierte Silage geschäftlich in den Verkehr gebracht, indem er sie vereinbarungsgemäß an das Pferd der Kläger verfüttert habe.
Die Gefahr einer Kontamination der Silage, die zur Entstehung von Botulintoxin führen könne, sei zum damaligen Zeitpunkt allgemein bekannt und dem Beklagten auch bewusst gewesen. Die Kontamination stelle einen Fabrikationsfehler dar, von dem sich der Hersteller nicht entlasten könne. Unerheblich sei auch, ob er die Kontamination mit vertretbarem Aufwand habe feststellen können, weil der Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz auch für sog. „Ausreißer“ hafte.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 02.11.2016 – 21 U 14/16
- LG Hagen, Urteil vom 27.11.2015 – 8 O 166/11 [↩] [↩]