Die sogenannte Mietpreisbremse beschäftigt erwartungsgemäß weiterhin die Gerichte.
Wir hatten bereits hier darüber berichtet, dass das Bundesverfassungsgericht die Regelungen zur Mietpreisbremse im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) für zulässig erachtet. Die Bundesländer müssen indes, soll die Mietpreisbremse dort zur Anwendung kommen, jeweils entsprechende Verordnungen erlassen. In mehreren Bundesländern wurden diese Verordnungen indes durch die Gerichte gekippt, da sie nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen – z.B. in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg.
Nun hat sich dieser Rechtsprechung auch das Amtsgericht Köln für das Land NRW angeschlossen.
In dem konkreten Fall hatte eine Dienstleisterin aus abgetretenen Forderungen einer Mieterin gegen deren Vermieterin (Beklagte) geklagt.
Die Klägerin beruft sich auf die Vorschriften der sog. „Mietpreisbremse“ gem. § 556d ff. BGB, die in Nordrhein-Westfalen durch die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung (MietpreisbegrenzungsVO NRW) vom 23.06.20151 umgesetzt wurde. Zur MietpreisbegrenzungsVO NRW finden sich auf der Homepage des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen unter der Adresse https://www.mhkbg.nrw/themen/bau/wohnen/mieterschutzundwohnungsaufsicht (Stand zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 05.12.2019) die Verordnungsbegründung und ein von der Begründung in Bezug genommenes Gutachten „Grundlagen für die Festlegung der Gebietskulisse einer „Mietbegrenzungsverordnung“ jeweils in einer Kurzfassung und einer Langfassung.
Das streitgegenständliche Mietverhältnis begann am 01.08.2018 und sah eine Nettokaltmiete von 1500 Euro vor. Mit Schreiben vom 20.02.2019 rügte die Klägerin die Höhe der Miete und stellte Mietzahlungen unter Vorbehalt.
Die Klägerin behauptet, die Wohnungsgröße betrage 108qm. Sie ist der Auffassung, die zulässige Höchstmiete pro Monat nach § 556d BGB betrage 1.045,44 Euro, die im Vergleich zur Vergleichsmiete um 454,56 Euro monatlich überschritten werde.
Die Klägerin beantragte, die Beklage zur Auskunft über folgenden Fragen zu verurteilen:
- Wie hoch war die Miete, die der vorherige Mieter („Vormieter“) der Wohnung zuletzt schuldete (Vormiete)?
- Gab es Mieterhöhungen, die mit dem Vormieter innerhalb des letzten Jahres vor Beendigung des Vormietverhältnisses vereinbart worden sind und, falls ja, um welche Beträge wurde die Vormiete jeweils erhöht?
- Wurden in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses mit dem Mieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB durchgeführt und, falls ja, welcher Betrag einer Mieterhöhung nach § 559 Absatz 1 bis 3 BGB und § 559a Absatz 1 bis 4 BGB hätte sich daraus ergeben?
- Handelt es sich bei dem gegenständlichen Mietverhältnis um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung gemäß § 556f BGB?
sowie
- die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 454,56 nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte hält die vereinbarte Miete der Höhe nach für zulässig.
Das Amtsgericht Köln hat die Akte aus einem Parallelverfahren2 beigezogen. In diesem Verfahren wurde eine amtliche Auskunft des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen eingeholt zu der Frage, wann die Begründung zur MietpreisbegrenzungsVO und die zugrundeliegenden Gutachten veröffentlicht wurden. In einem Schreiben vom 22.11.2019 hat die Ministerin mitgeteilt, dass die Begründung zusammen mit dem Verordnungstext zum 01.07.2015 auf der Homepage eingestellt wurde. Weiter mitgeteilt, dass die Langfassung des Gutachtens zu den „Grundlagen für die Festlegung der Gebietskulisse einer „Mietbegrenzungsverordnung“ (nachfolgend: Gutachten zur Gebietskulisse) am 20.03.2019 auf der Homepage veröffentlicht wurde.
Das Amtsgericht Köln hat die Klage abgewiesen.
Den Ansprüchen ist gemeinsam, dass sie gem. § 556d Abs. 1 voraussetzen, dass ein Mietverhältnis über Wohnraum betroffen ist, der in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt.
Wo ein angespannter Wohnungsmarkt vorliegt – was für das Kölner Stadtgebiet offensichtlich zutrifft – ist aber wegen der Grundrechtsrelevanz der Vorschriften über die „Mietpreisbremse“ nicht der Subsumtion des Tatrichters überlassen, sondern muss durch Rechtsverordnung der Landesregierung festgelegt werden, die den Kriterien von § 556d Abs. 2 BGB genügt. Insbesondere bedarf es gem. § 556d Abs. 2 S. 5/6 einer Begründung aus der sich ergibt, auf Grund welcher Tatsachen ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt im Einzelfall vorliegt. Bloß abstrakte Beschreibungen reichen dabei nicht3. Durch die Begründungspflicht soll dem Bürger im Einzelfall die Überprüfung der Rechtsverordnung und ein Verständnis von deren Gründen möglich gemacht werden. Dieser Zweck setzt nicht nur die Begründung selbst, sondern auch ein öffentliches Zugänglichmachen der Begründung voraus4.
Eine solche Rechtsverordnung ist in Nordrhein-Westfalen nicht wirksam erlassen worden, so das Amtsgericht Köln. Die Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit Mietpreisbegrenzung (MietpreisbegrenzungsVO NRW) vom 23.06.20151 legt zwar in § 1 fest, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen (u.a.) in Köln besonders gefährdet ist. Die Verordnung wurde auch gem. Art. 80 Abs. 4 GG und Art. 71 Abs. 2 Landesverfassung NRW in der o.g. Ausgabe des Gesetz- und Verordnungsblatts verkündet.
Die MietpreisbegrenzungsVO leidet aber ein einem unheilbaren Formfehler, weil sie entgegen § 556d Abs. 2 S. 5/6 nicht zusammen mit einer ausreichenden Begründung bekannt gemacht wurde. In seinem Urteil vom 17.07.2019 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die gesetzliche Vorgabe von § 556d BGB dahingehend auszulegen ist, dass die Landesregierung bei (d.h. zur Zeit der) Veröffentlichung der Rechtsverordnung zur Festlegung von Gebieten mit angespannter Wohnungsmarktlage die zugehörige Begründung veröffentlichen muss5. Das Nachschieben der Begründung ist unter Transparenz- und Nachvollziehbarkeitsgesichtspunkten aufgrund der Grundrechtsrelevanz der Vorschriften zur Mietpreisbremse nicht zulässig5. Bei Fehlen einer wirksamen Begründung zur Zeit des Inkrafttretens ist die Rechtsverordnung nichtig5.
So liegt der Fall nach Auffassung des Amtsgerichts Köln hier. Dabei kann dahin stehen, ob die Veröffentlichung der Begründung auf der Homepage des Ministeriums bereits kein geeignetes Mittel zur Veröffentlichung der Bekanntmachung ist. Denn jedenfalls scheitert die formgerechte Bekanntmachung der Verordnungsbegründung daran, dass die Landesregierung die zur Zeit des Inkrafttretens der Verordnung keine ausreichende Begründung mit veröffentlicht hat. Diese Tatsache ergibt sich aus der amtlichen Auskunft des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen im beigezogenen Verfahren2. Aus der Auskunft ergibt sich, dass zur Zeit des Inkrafttretens der MietpreisbegrenzungsVO nur die Begründung selbst und das Kurzgutachten zur Gebietskulisse auf der Homepage des Ministeriums veröffentlicht waren. In Bezug auf die zuletzt genannten Dokumente hat bereits die Parallelabteilung am Amtsgericht Köln entschieden, dass eine ausreichende Begründung nicht vorliegt, weil in den Dokumenten nur die abstrakten Kriterien und deren Gewichtung genannt werden, die eine Annahme des „angespannten Wohnungsmarktes“ begründen sollen6. Den Ausführungen der Parallelabteilung hat sich die erkennende Abteilung des Amtsgerichts Köln nun angeschlossen. Denn in den Dokumenten werden lediglich die Voraussetzungen und die Ergebnisse mitgeteilt. Eine Anwendung der Kriterien unter Darlegung der für Köln im Einzelnen erhobenen Daten wird nicht dargestellt, so dass der Entscheidungsprozess für den Leser nicht nachvollziehbar ist.
Dieses Ergebnis ändert sich nicht dadurch, dass das Ministerium nachträglich, nämlich am 20.03.2019, auch die Langfassung des Gutachtens zur Gebietskulisse auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Das Langgutachten zur Gebietskulisse beseitigt zwar den Begründungsmangel, weil sich in dessen Anhang A (S. 33ff.) und B (S. 37ff.) die Daten finden, die je untersuchter Stadt in Bezug auf jedes untersuchte Einzelkriterium erhoben und zugrunde gelegt wurden. Unter Zugrundelegung der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs kann die verfahrensfehlerhafte Bekanntmachung zur Zeit des Inkrafttretens aber nicht durch eine nachträgliche Veröffentlichung geheilt werden. Erforderlich wäre nach der Auffassung des Amtsgerichts Köln, dass die Mietpreisbegrenzungsverordnung nebst aller, ggf. aktualisierter Begleitdokumente, erneut insgesamt bekannt gemacht würde. Soweit ersichtlich, ist das aber nicht der Fall.
AG Köln, Urteil vom 19.12.2019 – 221 C 200/19
- GVBl. NRW Nr. 27 vom 30.06.2015, S. 489 [↩] [↩]
- AG Köln – 221 C 199/19 [↩] [↩]
- LG München I, Urteil vom 26.12.2017 – 14 S 10058; Börstinghaus, NJW 2018, 665/666 [↩]
- Schmidt/Futterer, § 556d BGB, Rn. 39 [↩]
- BGH, Urteil vom 17.07.2019 – VIII ZR 130/18 [↩] [↩] [↩]
- AG Köln, Urteil vom 29.01.2019 – 208 C 188/18 [↩]