Für jeden Hundehalter ist es ratsam (und je nach Bundesland und Hunderasse auch Pflicht), eine Hundehalterhaftpflichtversicherung zu unterhalten.
Versicherungen haben es allerdings auch an sich, in ihren Versicherungsbedingungen Dinge auszuschliessen, für die sie nicht eintreten wollen. So natürlich auch bei Tierhalterhaftpflichtversicherungen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem die Hundhalterhaftpflichtversicherung nicht regulieren wollte, weil sich ein Beissvorfall auf einem Spielplatz ereignet habe.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat die Klausel des beklagten Versicherers für zulässig erachtet, jedoch wegen der konkreten Umstände die Eintrittspflicht bestätigt.
Worum ging es?
Die Klägerin ist Halterin eines Mischlingshundes und unterhielt bei der beklagten Versicherung eine Privathaftpflichtversicherung, die eine Tierhalterhaftpflichtversicherung umfasste. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) sowie die Beschreibung des versicherten Risikos zur Tierhalterhaftpflichtversicherung für Hunde zugrunde.
Ziffer F.3 AHB hat folgenden Wortlaut:
„Ausgeschlossen bleiben Ansprüche gegenüber jedem Versicherungsnehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung von Hunden dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen oder Anordnungen am Wohnort des Versicherungsnehmers verursacht hat“.
Der Hund der Klägerin fügte 2011 einem 10-jährigen Mädchen eine Bissverletzung zu.
In der Folge ordnete das zuständige Kreisverwaltungsreferat an, „dass Begegnungskontakte des Hundes mit Kindern bis ca. 14 Jahren… zu vermeiden seien.“
Im Juni 2012 hielt sich die Klägerin mit ihrem angeleinten Hund in einer öffentlichen Parkanlage mit Spielplatzgelände auf einer Parkbank auf und unterhielt sich mit einer Bekannten. Ein 2-jähriges Kind „näherte sich dem Hund, streichelte ihn am Rücken und tastete sich weiter vor in Richtung Kopf.“ Der Hund knurrte und biss das Kind ins Gesicht, das hierbei schwere Verletzungen erlitt und 1 ½ Monate stationär behandelt werden musste. Gegen die Klägerin erging ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Körperverletzung. Sie wurde außerdem verurteilt, an das Kind knapp 100.000 € zu zahlen.
Die beklagte Versicherung weigerte sich, zu zahlen und hat sich auf die obige Klausel berufen.
Hiergegen richtete sich die Klage der Hundehalterin, die festgestellt haben wollte, dass ihr Hundehalterhaftpflichtversicherung eintrittpflichtig ist.
Das Landgericht Wiesbaden hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Haftung der Beklagten sei nach Ziffer F.3 AHB ausgeschlossen1.
Das Urteil:
Die Berufung gegen diese Entscheidung hatte beim Oberlandesgericht Frankfurt Erfolg.wiesen hat.
Die Beklagte kann sich danach nicht auf den Risikoausschluss nach Ziffer F.3 AHB berufen.
Nach Ziffer F.3 AHB bleiben ausgeschlossen Ansprüche gegenüber jedem Versicherungsnehmer oder Versicherten, der den Schaden durch bewusstes Abweichen von der Haltung und Züchtung dienenden Gesetzen, Verordnungen und behördlichen Verfügungen und Anordnungen am Wohnort des Versicherungsnehmers verursacht hat.
Eine Unwirksamkeit ergibt sich nicht aus einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, so das Oberlandesgericht Frankfurt.
Zwar weicht die Vorschrift von § 103 VVG ab, wonach der Versicherer dann nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeiführt. § 103 VVG ist jedoch nicht Teil der halbzwingenden Vorschriften im Bereich der Haftpflichtversicherung, wie sich § 112 VVG entnehmen lässt, und damit abdingbar.
Die Klausel benachteiligt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zwar ist sie dem Versicherungsnehmer nachteilig, soweit sich der Vorsatz nicht auf den Schaden, sondern nur auf die Pflichtwidrigkeit beziehen muss. Das wird aber durch den Vorteil kompensiert, dass nur direkter Vorsatz, nicht aber bedingter Vorsatz, bezüglich der Pflichtverletzung genügt2.
Es handelt sich auch nicht um eine ungewöhnliche und damit überraschende Klausel, so das Oberlandesgericht Frankfurt weiter. Den Ausschluss von vorsätzlich herbeigeführten Schäden von der Leistungspflicht sieht § 103 VVG ausdrücklich vor. Auch Ziffer 10.4 Nr. 1 AHB sieht einen Ausschluss für wissentliche Pflichtverletzungen im Rahmen der Privathaftpflichtversicherung vor. Vor diesem Hintergrund ist die Klausel nicht so ungewöhnlich, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nicht mit ihr zu rechnen braucht, zumal sie nicht versteckt ist, sondern an prominenter Stelle der nur eine Seite umfassenden besonderen Bedingungen für die Tierhalterhaftpflichtversicherung angeführt ist.
Die Klausel genügt auch den Anforderungen des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung klar und verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann3.
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und bei Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Dieser Versicherungsnehmer wird in erster Linie vom Wortlaut einer Klausel ausgehen4.
Danach unterliegt die Klausel keinen durchgreifenden Wirksamkeitsbedenken. Sie verwendet eindeutige und festumrissene Begriffe aus der Rechtssprache. Verbindet die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff, ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Bedingungen darunter nichts Anderes verstehen wollen. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kommt nur in Betracht, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas Anderes ergibt5. AVB-Klauseln, die Risikoausschlüsse oder -begrenzungen vorsehen, sind grundsätzlich eng auszulegen, da der Versicherungsnehmer mit Verkürzungen des Versicherungsschutzes, die ihm nicht hinreichend verdeutlicht wurden, nicht zu rechnen braucht. Entscheidend ist dabei der für den Versicherungsnehmer erkennbare Sinn der jeweiligen Regelung unter Beachtung ihres Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise4.
Sowohl der Begriff „Gesetz“ als auch der Begriff „Verordnung“ ist jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bekannt. Laut Duden handelt es sich bei einem Gesetz um eine vom Staat festgesetzte, rechtlich bindende Vorschrift, bei einer Verordnung um eine von der Regierung oder einer Verwaltungsbehörde erlassene Vorschrift. Aber auch die Begriffe „Verfügung“ und „Anordnung“ haben einen feststehenden Inhalt. Eine Verfügung ist eine Entscheidung oder eine Anordnung, die von einem Gericht oder einer Behörde getroffen wird6. Daraus, dass die Begriffe in einer Reihe mit Gesetz und Verordnung genannt werden, die per se rechtlich verbindlich und zu befolgen sind, wird deutlich, dass bloße Hinweise, Belehrungen und Informationen, die unverbindlichen Charakter haben, nicht gemeint sind.
Dass Verfügungen und Anordnungen einer Behörde nicht unbedingt schriftlich ergehen müssen, sondern auch mündlich erlassen werden können, ist einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer bekannt, wie sich zum Beispiel an mündlichen Anweisungen im Straßenverkehr durch Polizeibeamte zeigt. Dass es sich dabei um eine verbindliche Anordnung handelt, wird niemand in Zweifel ziehen.
Auch daraus, dass nicht ausdrücklich angeführt ist, ob die Verfügungen und Anordnungen rechtmäßig sein müssen, folgt keine Intransparenz, da derartige Maßnahmen – wie einem durchschnittlichen Staatsbürger bekannt ist – auch im Falle ihrer Rechtswidrigkeit zunächst zu befolgen sind.
Dass nicht sämtliche Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Anordnungen, die der Züchtung und Haltung von Hunden dienen, aufgezählt werden, ist unter dem Gesichtspunkt der Transparenz unschädlich. Das Transparenzgebot will den Verwender nicht zwingen, jede Allgemeine Geschäftsbedingungen gleichsam mit einem Kommentar zu versehen7. Aus ihm ergibt sich auch keine Verpflichtung, die sich aus dem Gesetz oder ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen ergebenden Rechte und Pflichten ausdrücklich zu regeln oder den Vertragspartner insoweit zu belehren. Die Verweisung auf andere Rechtsnormen ist dem geltenden Recht nicht fremd und auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts Ungewöhnliches. Eine Verweisung auf ein anderes Regelwerk stellt an sich noch keine unangemessene Benachteiligung dar. Das gilt insbesondere dann, wenn der Regelungstext für jedermann ohne Weiteres zugänglich ist, wie es auch bei Verfügungen und Anordnungen durch Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten der Fall ist. Ohne solche Verweisungen könnten allzu detaillierte, unübersichtliche und schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen, die den Interessen des Kunden abträglich wären. Eine lediglich präzisierende Verweisung auf gesetzliche Vorschriften begründet deshalb regelmäßig keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Intransparent ist eine Klausel insoweit vielmehr erst dann, wenn sich ihr Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließt oder die Verweisung auf andere Vorschriften dazu führt, dass die kundenbelastende Wirkung der Klausel unter Berücksichtigung alternativer Gestaltungsmöglichkeiten mehr verschleiert als offenlegt und der Kunde deshalb an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert wird8.
So liegt der Fall hier aber nicht- so das Oberlandesgericht Frankfurt. Der Regelungsgehalt der Klausel besteht in dem Ausschluss des Versicherungsschutzes für bestimmte aufgezählte Fälle. Er ergibt sich klar erkennbar bereits aus der Klausel selbst. Die insoweit maßgeblichen Regelungen, auf die verwiesen wird, sind durch die Formulierung „der Haltung und Züchtung von Hunden dienend“ hinreichend umschrieben. Dies reicht aus. Denn die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und deutlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen. Allgemeine Geschäftsbedingungen können nicht stets so formuliert werden, dass dem Kunden jedes eigene Nachdenken erspart bleibt9. Eine Forderung nach Aufzählung sämtlicher Regelwerke würde die AGB überfrachten, da Verfügungen und Anordnungen von Bundesland zu Bundesland und von Gemeinde zu Gemeinde verschieden sein können und individuelle Anordnungen, die ebenfalls erfasst sind, ohnehin nicht aufgezählt werden können. Eine Begrenzung ergibt sich zudem daraus, dass die Anwendung auf die am Wohnort des Versicherungsnehmers geltenden Regelungen beschränkt ist. Über die dort geltenden Regeln hat sich ein Hundehalter losgelöst von einer Versicherung aber ohnehin zu informieren.
Ist die Klausel in Ziffer F.3 AHB danach wirksam, vermochte sich das Oberlandesgericht Frankfurt indes nicht zu überzeugen, dass die Klägerin bewusst gegen die Haltung und Züchtung von Hunden dienende Gesetze, Verordnungen, behördliche Verfügungen an ihrem Wohnort verstoßen hat und es hierdurch zu der Verletzung gekommen ist.
Abzustellen ist hierbei auf die im Haftpflichtprozess festgestellte Pflichtverletzung. Denn im Deckungsprozess ist die im Haftpflichtprozess getroffene Feststellung der Pflichtwidrigkeit des Haftpflichtversicherungsnehmers grundsätzlich bindend, auch wenn daneben noch andere Pflichtverletzungen bestehen mögen. Dabei bezieht sich die Bindungswirkung aber nur auf die festgestellten entscheidungserheblichen Tatsachen. Deren rechtliche Einordnung ist ohne Belang. Nur ein im Haftpflichtprozess festgestellter Pflichtenverstoß kann Grundlage der weiteren Prüfung sein, ob Ausschlüsse greifen oder Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung besteht.
Das Landgericht, das die Hundehalterin zu Schadenersatz etc. verurteilt hatte, hat die Verurteilung der Klägerin allerdings auf § 833 BGB gestützt. Nach § 833 Satz 1 BGB ist derjenige, welcher ein Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten Schadensersatz zu leisten, wenn er durch das Tier getötet oder verletzt wird. Es handelt sich hierbei um einen Fall der Gefährdungshaftung, wonach der Tierhalter, ohne dass es auf ein Verschulden ankäme, zum Ersatz der Schäden verpflichtet ist, die sein Tier anrichtet10. Eine konkrete Pflichtverletzung hat das Landgericht dementsprechend nicht festgestellt.
Das Oberlandesgericht hat lediglich im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes ausgeführt, dass die Klägerin grob fahrlässig gehandelt habe, indem sich sie sich mit ihrem Hund auf den Kinderspielplatz begeben, den Hund nicht an die kurze Leine genommen und den Hund auch nicht ununterbrochen beaufsichtigt habe.
Diese Feststellung ist für den Deckungsprozess nicht bindend, eine bewusste Pflichtverletzung vermochte das Oberlandesgericht Frankfurt indessen nicht festzustellen.
Durch das Betreten der Parkanlage und des Spielplatzes hat die Klägerin objektiv gegen eine behördliche Anordnung verstoßen, die der Haltung von Hunden diente. Denn für den Bereich des Spielplatzes, in dem es zu der Verletzung der Streithelferin gekommen ist, bestand – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – aufgrund der Grünanlagensatzung der Stadt das Verbot, einen Hund mitzuführen.
Es steht jedoch nicht fest, dass die Klägerin bewusst gegen dieses Verbot verstoßen hat.
Ein bewusst pflichtwidriges Verhalten liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer seine Pflicht wissentlich verletzt hat. In Abweichung von § 103 VVG ist also nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer mit zumindest bedingtem Vorsatz in Bezug auf den Schaden handelt, sondern es genügt ein wissentlicher Verstoß. Der Ausschluss greift demnach auch ein, wenn ein bewusster Pflichtenverstoß vorliegt, der Versicherungsnehmer aber davon überzeugt war, durch sein Handeln würde kein Schaden entstehen, er also ohne Schädigungsabsicht gehandelt hat. Voraussetzung des vom Versicherer zu beweisenden Ausschlusstatbestandes ist aber stets, dass der Versicherungsnehmer die Pflichten positiv gekannt, insbesondere auch, dass er sie zutreffend gesehen hat. Bewusst bedeutet also nicht dasselbe wie vorsätzlich. Ein bedingtes Bewusstsein in der Form einer billigenden Inkaufnahme, dass ein Verhalten pflichtwidrig sein könnte, unterfällt nicht dem Ausschlusstatbestand. Vielmehr muss der Versicherungsnehmer bewusst gegen ihn treffende Pflichten verstoßen haben, was sowohl deren Kenntnis als auch das Wissen, wie er sich pflichtgemäß hätte verhalten müssen, voraussetzt. Der Versicherer hat dabei darzulegen und notfalls zu beweisen, der Versicherungsnehmer habe gewusst, wie er sich hätte verhalten müssen. Wusste der Versicherungsnehmer gar nicht, was er hätte tun oder unterlassen müssen, um dem Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens zu entgehen, so kommt ein bewusster Verstoß nicht in Betracht. Nur wenn ein Versicherungsnehmer bewusst verbindliche Handlungs- oder Unterlassungsanweisungen nicht beachtet hat, mit denen ihm ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben worden ist, muss er sich den Ausschluss entgegenhalten lassen11.
Ein bewusster Pflichtverstoß der Klägerin in diesem Sinne lässt sich nicht feststellen, so das Oberlandesgericht Frankfurt.
Die Beklagte trägt insofern vor, die Klägerin habe gewusst, dass das Betreten des Geländes mit einem Hund verboten sei. Dies ergebe sich daraus, dass dort grüne Pfosten vorhanden seien, die auf der Oberseite mit einem Piktogramm versehen sind und einen durchgestrichenen Hund zeigen. Zudem befinde sich die Parkanlage nur ca. 20 Gehminuten von dem Wohnort der Klägerin entfernt und sie müsse die Anlage mit dem Hund, den sie bereits seit 2007 halte, vielfach aufgesucht haben.
Daraus lässt sich indes nicht ableiten, dass die Klägerin positive Kenntnis von den den Pflichtverstoß begründenden Tatsachen gehabt hat. Weder führt der objektiv feststehende Pflichtenverstoß zu einer Beweislastumkehr in dem Sinne, dass die Klägerin beweisen müsste, dass sie ihn nicht bewusst begangen habe, noch kann sich der Versicherer auf einen Anscheinsbeweis stützen, weil es nicht möglich ist, einen in der geistigen Individualsphäre gesteuerten Vorgang aufgrund von Erfahrungssätzen nach dem ersten Anschein zu bewerten. Es fehlt an einem typischen Geschehensablauf, d.h. aus einem pflichtwidrigen Verhalten lässt sich nicht schlüssig ableiten, dass es aus einem positiven Wissen herrührt. Im Gegenteil beruht das pflichtwidrige Verhalten im Normalfall auf Fahrlässigkeit12.
So liegt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt der Fall auch hier. Die Klägerin hat sich unwiderlegt dahingehend eingelassen, dass ihr der Spielplatz nicht bekannt gewesen sei und sie beim Betreten der Anlage keinen der Pfosten wahrgenommen habe. Aus den Aussagen der Zeuginnen F und G ergibt sich nichts Anderes. Diese haben lediglich bekundet, dass es grüne Säulen gibt, die mit einem Piktogramm versehen sind. Dass die Klägerin eine dieser Säulen bewusst wahrgenommen hat, ergibt sich aus ihren Aussagen hingegen nicht. Darüber hinaus hat an jenem Tag in der Grünanlage ein griechisches Fest mit entsprechendem Besucherverkehr stattgefunden. Angesichts dessen ist es nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass die Klägerin einen solchen Pfosten nicht wahrgenommen hat. Soweit die Beklagte ausführt, der Klägerin müsse die Grünanlage aufgrund der Nähe zu ihrem Wohnort bekannt gewesen sein, mag dies naheliegend, aber nicht zwingend sein. Eine positive Kenntnis von dem Inhalt der Grünanlagensatzung behauptet die Beklagte nicht, sondern unterstellt sie lediglich. Letztlich handelt es sich um Vermutungen und Unterstellungen, ohne dass insofern ein Beweis angeboten wird. Überdies reicht bedingter Vorsatz ebenso wenig aus wie fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat13. Das kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Hinzu kommt, dass nach der Grünanlagensatzung das Mitführen von Hunden auf Wegen auch im Bereich von Spielplätzen erlaubt ist, sofern sie – wie hier – an der Leine geführt werden. Angesichts dessen mag die Klägerin gedacht haben, ihr Verhalten sei erlaubt, so dass es an einer Kenntnis von dem Pflichtverstoß fehlt.
Nach alledem greift nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt der Risikoausschluss in Ziffer F.3 AHB nicht ein und ist die Beklagte verpflichtet, die Klägerin von den Ansprüchen der Geschädigten freizustellen.
Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 15.07.2020 – 7 U 47/19
ECLI:DE:OLGHE:2020:0715.7U47.19.00
- LG Wiesbaden, Urteil vom 04.01.2019 – 9 O 271/18 [↩]
- BGH, Urteil vom 20.06.2001 – IV ZR 101/00; Schimikowski, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, 2020, § 103 VVG Rdnr. 13; Lücke, in: Prölss/Martin, VVG, 2018, § 103 VVG, Rnr. 17 m.w.N.; a.A. Dilling, Zur Unwirksamkeit des Risikoausschlusses für wissentliche Pflichtverletzung in der D&O-Versicherung, in: VersR 2018, 332, der allerdings maßgeblich auf die Besonderheiten des versicherten Risikos in der D&O-Versicherung abstellt [↩]
- BGH, Urteil vom 22.11.2000 – IV ZR 235/99 [↩]
- Beckmann, in: Beckmann/ Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2015, § 10 Rnr. 167 [↩] [↩]
- Brömmelmeyer, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz, 2020, Einleitung Rnr. 67 [↩]
- Weber, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, 2019, Stichwort „Verfügung“ [↩]
- Grüneberg, in: Palandt, BGB, 2020, § 307 Rnr. 22 [↩]
- BGH, Urteil vom 14.01.2014 – XI ZR 355/12 [↩]
- BGH, Urteil vom 10.07.1990 – XI ZR 275/89 [↩]
- Spickhoff, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.02.2020, § 833 Rnr. 32 [↩]
- BGH, Urteil vom 17.12.1986 – IVa ZR 166/85; OLG Hamm, Urteil vom 07.03.2007 -20 U 132/06 [↩]
- OLG Frankfurt, Urteil vom 06.10.1999 – 7 U 158/98 [↩]
- BGH, Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 90/13 [↩]