Mittlerweile gibt es diverse Unternehmen, die im Internet Gutscheine für Freizeitveranstaltungen wie z.B auch Fallschirmsprünge verkaufen.
Das Finanzgericht Münster hat nun entschieden, dass Erlöse aus dem Verkauf von Gutscheinen als Entgelt für eine steuerbare Leistung des Klägers der Umsatzbesteuerung unterliegen.
In dem entschiedenen Fall betrieb der Kläger in den Streitjahren 2013 und 2014 ein Internetportal, auf dem er verschiedene Freizeiterlebnisse anbot. Die Inanspruchnahme setzte den Erwerb eines Gutscheins voraus, die der Kläger im eigenen Namen und für eigene Rechnung verkaufte. Über das Internetportal konnten die Erwerber das Erlebnis auswählen und Termine vereinbaren. Die hierfür erforderlichen Informationen stellte der Kläger den Kunden zur Verfügung. Für den Fall der Inanspruchnahme der Leistung durch einen Gutscheininhaber leitete der Kläger den entsprechenden Betrag unter Abzug einer „Vermittlungsprovision“ an den jeweiligen Veranstalter weiter und erteilte hierüber eine Gutschrift mit Umsatzsteuerausweis.
In seinen Umsatzsteuererklärungen behandelte der Kläger nicht die Zahlungen der Kunden für die Gutscheine, sondern lediglich die Vermittlungsprovisionen als steuerbare Umsätze.
Das beklagte Finanzamt behandelte demgegenüber bereits den Verkauf der Gutscheine als umsatzsteuerbare Leistungen und minderte das Entgelt im Fall der Einlösung der Gutscheine nach § 17 UStG um die an die Veranstalter weitergeleiteten Beträge.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht Münster abgewiesen.
Der Beklagte hat die Zahlungen der Gutscheinerwerber nach Auffassung des Finanzgerichts Münster zu Recht als (Brutto‑)Entgelte für steuerbare Leistungen des Klägers behandelt.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer u.a. die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
Nach ständiger Rechtsprechung muss dazu zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein. Er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch i.S. des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt1.
Es bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob eine Leistung des Unternehmers vorliegt, die derart mit der Zahlung verknüpft ist, dass sie sich auf die Erlangung einer Gegenleistung (Zahlung) richtet. Bei Leistungen aufgrund eines gegenseitigen Vertrags, durch den sich eine Vertragspartei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und die andere sich hierfür zur Zahlung einer Gegenleistung verpflichtet, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls der leistende Vertragspartner Unternehmer ist1.
Ob die Voraussetzungen für einen Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Es stellt eine unionsrechtliche, unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheidende Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt1.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erbrachte der Kläger mit dem Betrieb seines Internetportals an die Nutzer bzw. die Gutscheinerwerber jeweils insgesamt eine steuerbare Leistung gegen Entgelt.
Bei den mit dem Erwerb eines Gutscheins verbundenen und durch die Tätigkeit des Klägers erhaltenen Möglichkeiten und Rechten handelt es sich um verbrauchsfähige Vorteile. Der Kläger stellte mit dem Betrieb seines Internetportals eine Infrastruktur zur Verfügung, unter deren Nutzung seine Kunden die Möglichkeit hatten, die angebotenen Erlebnisse zu buchen und in Anspruch zu nehmen. Inhalt der Leistung des Klägers war nicht nur die Ausstellung der Gutscheine, sondern umfasste auch den vorangehenden sowie den nachfolgenden Prozess von Informationen und Präsentationen zu den angebotenen Erlebnissen über die Übermittlung der für die Vereinbarung eines Termins erforderlichen Kontaktdaten bis hin zur Durchführung und Organisation des Erlebnisses. Bereits mit dem Erwerb des Gutscheins erlangte der Kunde das Recht, diese Leistungen einzufordern.
Die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Gutscheine geleisteten Zahlungen stellten ein Entgelt für die damit erlangten Möglichkeiten und Rechte dar. Sie beruhten auf den zwischen dem Kläger und dem jeweiligen Gutscheinerwerber geschlossenen Vertrag.
Die Tätigkeit des Klägers erschöpfte sich nicht darin, dass die von ihm ausgestellten Gutscheine von den Veranstaltern als vollständige oder teilweise Gegenleistung für die Organisation und Durchführung der jeweiligen Erlebnisleistung anzunehmen waren. Denn über den Erwerb der Gutscheine erlangten die Kunden des Klägers überhaupt erst Zugang zu den mit dem Internetportal des Klägers verbundenen Möglichkeiten, insbesondere zwischen den einzelnen Erlebnissen zu wählen, Termine hierfür zu vereinbaren und die Erlebnisleistungen in Anspruch zu nehmen. Der Betrieb des Internetportals diente auch nicht allein der Vermittlung der Leistungen der Veranstalter. So sind die aus der Leistungsbeziehung zu den Veranstaltern erzielten Erlöse deutlich geringer als die von den Gutscheinerwerbern insgesamt erlangten Zahlungen.
Zwar mindern sich rein wirtschaftlich betrachtet die Erlöse aus dem Geschäft mit den Gutscheinerwerbern, soweit diese die angebotenen Erlebnisse in Anspruch nehmen. Denn dann hat der Kläger den aus dem Verkauf des Gutscheins erzielten Erlös zu verwenden, um diesen an den Veranstalter für die Organisation und Durchführung zu zahlen. Das (erfolgreiche) Geschäftsmodell des Klägers beruht aber u. a. darauf, dass seine Kunden zu einem großen Teil, in den Streitjahren ca. 40 %, zwar Gutscheine erwerben, die damit verbundenen Rechte und Möglichkeiten aber gar nicht bzw. nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Diese Gutscheinerwerber zahlen die vom Kläger verlangten Preise jedoch – zumindest aus ihrer Sicht – nicht für eine vom Kläger an die Veranstalter erbrachte Vertriebs- bzw. nicht erbrachte Vermittlungsleistung, sondern für die eigenen durch die Tätigkeit des Klägers erlangten o.g. Vorteile.
Dem Kläger sind nach Auffassung des Finanzgerichts Münster umsatzsteuerlich die von den Veranstaltern ausgeführten Erlebnisleistungen zuzurechnen.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Unternehmer ist danach derjenige, der Leistungen gegen Entgelt i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG erbringt. Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, wer als Unternehmer nach außen hin auftritt2.
Der Kläger war nach den Umständen des Einzelfalls hinsichtlich der erbrachten Erlebnisleistungen gegenüber den Gutscheininhabern als leistender Unternehmer aufgetreten. Dafür sprechen die Organisationsleistungen des Klägers. Die jeweiligen Erlebnisse wurden auf seinem Internetportal angeboten und konnten nur auf diesem ausgewählt werden. Die Kontaktaufnahme zur Vereinbarung eines Termins erfolgte nur mithilfe der vom Kläger zur Verfügung gestellten Informationen. Der Zahlungsverkehr wurde über das von ihm bereitgestellte Portal abgewickelt. Der Kläger vereinnahmte sämtliche Zahlungen sowie Zuzahlungen über den eingelösten Gutschein hinaus und leistete seinerseits Zahlungen an die Veranstalter. Der vom jeweiligen Gutscheininhaber dem Veranstalter vor Ort ausgehändigte Gutschein diente in diesem System nur dem Kläger als Instrument zur Kontrolle und Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit dem Veranstalter.
Vor diesem Hintergrund ist es unschädlich, dass der Kläger sich in seinen AGB selbst nur als Vermittler der Erlebnisleistungen bezeichnet hat. Unabhängig davon, ob die AGB vom durchschnittlichen Kunden überhaupt gelesen wurden, ergaben diese hinsichtlich der Frage des leistenden Unternehmers kein eindeutiges Bild. Denn unmittelbar vor dem Hinweis auf seine vermeintliche bloße Vermittlerrolle gab der Kläger an, dass bereits die von ihm ausgestellten Gutscheine zur Durchführung des entsprechenden Erlebnisses beim jeweiligen Veranstalter berechtigten und nicht erst ein mit diesem noch abzuschließender Vertrag. Gegen eine bloße Vermittlerrolle des Klägers spricht auch, dass dieser den vollen Preis für eine Erlebnisleistung vereinnahmte und auch dann behielt, wenn keine Erlebnisleistung durchgeführt bzw. vermittelt wurde. Insoweit spricht auch für den Kläger als Leistungserbringer der durchgeführten Erlebnisleistungen, dass er in den AGB von „unseren“ Preisen und nicht von den Preisen der Veranstalter sprach. Für eine enge Verknüpfung der Person des Klägers mit der Erbringung der Erlebnisleistung spricht auch, dass der Gutscheinerwerber gegenüber dem Kläger vom Kaufvertrag zurücktreten konnte, sollte die Erlebnisleistung von der Beschreibung auf dem Internetportal des Klägers erheblich abweichen.
Die Veranstalter erbrachten vor diesem Hintergrund umsatzsteuerlich ihre (Erlebnis‑)Leistungen wiederum an den Kläger. Als Gegenleistung für die Organisation und Durchführung der Erlebnisleistung erhielten sie den von ihnen geforderten Preis. Im Gegenzug zahlten sie an den Kläger für dessen Vertriebsleistung einen Betrag von ca. 30% des Preises der jeweiligen Erlebnisleistung. Die sich gegenüberstehenden Zahlungsansprüche wurden vom Kläger miteinander verrechnet.
In Ansehung der danach bestandenen umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehungen hat der Kläger grundsätzlich einen Vorsteueranspruch aus den Leistungen der Veranstalter der Erlebnisleistungen. Im Streitzeitraum scheitert dieser jedoch daran, dass die Veranstalter dem Kläger über ihre Leistungen keine ordnungsgemäßen Rechnungen erteilt haben (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Die Veranstalter können jedoch ihrerseits, soweit die weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegen, aus ihren Zahlungen an den Kläger für dessen Vertriebsleistungen aus den erteilten Gutschriften den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen.
Danach hat der Beklagte die Zahlungen an die Veranstalter zu Unrecht gem. § 17 UStG als Minderung der aus der Tätigkeit des Klägers gegenüber den Gutscheinerwerbern erzielten Umsätze behandelt. Die Festsetzung eines höheren Umsatzsteuerbetrages durch das Gericht kommt wegen des Verböserungsverbots jedoch nicht in Betracht3.
Ob sich nach den Grundsätzen der Art. 30a, 30b, 73a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) eine andere Lösung ergäbe, konnte das Finanzgericht Münster dahinstehen lassen. Die vorgenannten Richtlinienregelungen sind erst mit Wirkung ab den 01.01.2019 in das deutsche Recht übernommen worden (§ 27 Abs. 23 i. V. m. § 3 Abs. 13-15 UStG).
Das Finanzgericht Münster hat die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen.
- BFH, Urteil vom 10.04.2019 – XI R 4/17, BStBl. II 2019, 635 [↩] [↩] [↩]
- BFH, Beschlüsse vom 29.01.2008 – V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; vom 20.2.2001 – V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152 [↩]
- vgl. hierzu nur Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 96 FGO [↩]