Ein Bußgeld wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung kann immer nur gegen den Fahrers eines Fahrzeuges verhängt werden.
Die Anhörung wegen eines solchen Verstosses erhält zunächst einmal der Halter des Fahrzeugs.
Was passiert, wenn dieser die Ordnungswidrigkeit nicht einräumt und auch keinen anderen Fahrer benennt, sondern sich schlicht nicht äussert? Dann fordert die Bußgeldstelle in der Regel von dem zuständigen Einwohnermeldeamt das Lichtbild vom Personalausweis des Halters an, um dieses mit dem Bild der Radarfalle abzugleichen.
Aber ist das überhaupt zulässig oder verstößt dieses Vorgehen gegen das Personalausweisgesetz (PauswG)?
Das Oberlamdesgericht Koblenz hat nun entschieden, dass dieses Vorgehen zulässig ist und hat damit die Rechtsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Mainz1 verworfen.
In dem entschiedenen Fall hatte die Bußgeldstelle gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h eine Geldbuße von 150,- Euro festgesetzt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Zuvor hatte sie den Betroffenen, der Halter des gemessenen Pkws ist, schriftlich angehört. Nachdem dieser sich zu dem Tatvorwurf nicht geäußert hatte, bat die Bußgeldbehörde die Einwohnermeldebehörde um Übersendung eines Vergleichsfotos des Betroffenen zum Zwecke der Fahreridentifizierung, dem diese Behörde nachkam.
Daraus ergab sich, dass es sich bei dem geblitzten Fahrer um den Halter handelte.
Das Amtsgericht Mainz hat in der Folge gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h auf die bereits im Bußgeldbescheid festgesetzten Rechtsfolgen erkannt1.
Hiergegen hat der Betroffene beim Oberlandesgericht Koblenz Rechtsbeschwerde eingelegt.
Er rügt, dass die Bußgeldbehörde sein Personalausweisfoto angefordert habe, was einen Verstoß gegen § 24 Abs. 2 PAuswG darstelle.
Dieser vorsätzlich begangene, erhebliche Gesetzesverstoß gebiete unter dem Gedanken des Opportunitätsgrundsatzes die Einstellung des Verfahrens. Eine Sanktionierung mittels der Rechts- und Regelfolgen der Bußgeldkatalogverordnung sei damit nicht vereinbar. Darüber hinaus beanstandet der Betroffene, dass die Bußgeldakte elektronisch geführt worden sei, da es in Rheinland-Pfalz mangels Rechtsverordnung zu § 110a OWiG an einer Rechtsgrundlage hierfür fehle. Insoweit werde sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 4a Abs. 1 Satz 1 der Landesverfassung Rheinland-Pfalz verletzt. Des Weiteren wendet der Betroffene ein, dass das Messfoto nicht geeignet gewesen sei, ihn als Fahrer zu identifizieren.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz hat die Überprüfung des Urteils nach Maßgabe der Rechtsbeschwerdebegründung und der Gegenerklärung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.
Insbesondere ging dem Urteil ein ordnungsgemäß erlassener Bußgeldbescheid voraus und die Übersendung des Anhörungsbogens gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG hatte verjährungsunterbrechende Wirkung, so dass die Ordnungswidrigkeit nicht verjährt ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Zentrale Bußgeldstelle die Bußgeldakten in elektronischer Form führt, auch wenn die Landesregierung es bisher versäumt hat, die dazu notwendige Rechtsverordnung im Sinne des § 110a Abs. 1 Satz 2, 3 OWiG zu erlassen. Denn mit vollständigem Ausdruck der gespeicherten Verfahrensunterlagen ist die Bußgeldbehörde zu einer Aktenführung in Papierform übergegangen. Die Ausdrucke bilden eine ausreichende Grundlage des weiteren Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens, zumal ein Großteil der Unterlagen von vornherein nur in digitaler Form ohne Papierurschrift – wie etwa die Messdaten – oder jedenfalls nicht als Originalurkunde – wie etwa der Eichschein oder Schulungsnachweise – vorlagen. Der Anhörungsbogen und der Bußgeldbescheid sind vorliegend ausgedruckt und in Papierform an den Betroffenen versandt worden; in dieser Gestalt bilden sie die nach §§ 65 f. OWiG erlassene Urschrift. Einer Unterschrift oder besonderen aktenmäßigen Dokumentation seines Erlasses bedarf es nicht. Dass der Bescheid auf einem individuellen Entschluss des bei der Bußgeldbehörde befassten Sachbearbeiters beruht, geht aus der Akte hinlänglich hervor2.
Der als Verfahrensrüge zu behandelnde Einwand, die Verwaltungsbehörde habe gegen § 24 Abs. 2 und 3 PAuswG verstoßen und damit einen Verfahrensverstoß begangen, der die Einstellung des Verfahrens gebiete, ist nicht geeignet, der Rechtsbeschwerde zum Erfolg zu verhelfen, so das Oberlandesgericht Koblenz weiter.
Denn das Beschaffen des Personalausweisfotos des Betroffenen durch die Bußgeldbehörde beim zuständigen Einwohnermeldeamt stellt keinen Verstoß gegen das PAuswG dar.
Gemäß § 24 Abs. 2 PAuswG, der § 22 Abs. 2 Passgesetz entspricht, dürfen Personalausweisbehörden anderen Behörden auf deren Ersuchen Daten aus dem Personalausweisregister übermitteln, wenn
1. die ersuchende Behörde aufgrund von Gesetz oder Rechtsverordnung berechtigt ist, solche Daten zu erhalten,
2. die ersuchende Behörde ohne Kenntnis der Daten nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen und
3. die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann oder wenn nach der Art der Aufgabe, zu deren Erfüllung die Daten erforderlich sind, von einer solchen Datenerhebung abgesehen werden muss.
Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 PAuswG trägt die ersuchende Behörde die Verantwortung dafür, dass die Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen.
Die Voraussetzung des § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 PAuswG ist vorliegend erfüllt, da die Bußgeldbehörde gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 StPO iVm. §§ 46 Abs. 1 und 2 OWiG berechtigt ist, von allen Behörden zum Zweck der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten Auskünfte zu verlangen3. Darüber hinaus ist in § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG ausdrücklich normiert, dass die Übermittlung von Lichtbildern an die Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im automatisierten Verfahren erfolgen kann.
Des Weiteren ist – so das Oberlandesgericht Koblenz weiter – auch die Voraussetzung des § 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG erfüllt, da die Daten bei dem Betroffenen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand hätten erhoben werden können. Es hätte zwar zur Klärung der Fahrereigenschaft die Möglichkeit bestanden, den Betroffenen durch Behördenbedienstete oder durch die Polizei in seiner Wohnung oder an seinem Arbeitsplatz aufzusuchen und ihn zum Vergleich mit dem Messfoto in Augenschein zu nehmen oder insoweit sogar eine Nachbarschaftsbefragung durchzuführen; jedoch wären solche Ermittlungshandlungen sowohl für die Behörden als auch für den Betroffenen unverhältnismäßig; selbst aus Sicht des Betroffenen dürften sie wesentlich stärker in seine Persönlichkeitssphäre eingreifen als die Erhebung seines Lichtbildes beim Pass- oder Personalausweisregister4.
Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAuswG ist weitere Voraussetzung, dass die ersuchende Behörde, hier die Bußgeldstelle, ohne Kenntnis der Daten, vorliegend des Personalausweisfotos, nicht in der Lage wäre, eine ihr obliegende Aufgabe zu erfüllen. Da die Bußgeldbehörde aber die Fahrereigenschaft fast ausnahmslos auch durch Ermittlungen am Wohn- oder Arbeitsort des Betroffenen, gegebenenfalls auch durch Befragung von Nachbarn und Arbeitskollegen, erforderlichenfalls nach mehrmaligen Aufsuchen klären kann, würde dies bedeuten, dass die Übermittlung von Lichtbildern durch die Personalausweis- oder Passbehörde an die Bußgeldbehörden zur Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten fast ausnahmslos unzulässig wäre. Dies würde aber zu einem nicht auflösbaren Wertungswiderspruch im Hinblick auf § 22 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 PAuswG führen und ist im Übrigen mit der spezielleren Vorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG nicht vereinbar. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 PAuswG dürfen die Ordnungsbehörden Lichtbilder zum Zwecke der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (sogar) im automatisierten Verfahren abrufen. Der Gesetzgeber hat, in dem er sogar das automatisierte Verfahren zugelassen hat, mit dieser spezielleren Norm zum Ausdruck bringen wollen, dass die Übermittlung von Lichtbildern durch die Passbehörden an die Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zulässig sein soll. Dies lässt sich den Gesetzesmaterialien zu § 25 PAuswG in der Fassung vom 18.06.2009 entnehmen, in denen die Bundesregierung darauf hinweist, dass ein Abruf des Lichtbildes im automatisierten Verfahren nur bei Verkehrsordnungswidrigkeiten und nicht bei Ordnungswidrigkeiten insgesamt zulässig sei5, folglich dies privilegiert werden soll. Die Einschränkung in § 24 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG, wonach eine Übermittlung nur zu erfolgen habe, wenn die ersuchende Behörde die Daten bei dem Betroffenen nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand erheben kann, wäre im Hinblick auf die Übersendung von Lichtbildern nicht mehr verständlich, wenn man aus § 24 Abs. 2 Nr. 2 PAuswG bereits ein generelles Verbot dafür entnehmen würde.
Ergänzend ist – so das Oberlandesgericht Koblenz weiter – darauf hinzuweisen, dass selbst ein Verstoß gegen die Vorschriften des PAuswG weder zu einem Verfahrenshindernis noch zu einem Beweisverwertungsverbot führen würde. Verfahrenshindernisse kommen bei Verfahrensmängeln nur dann in Betracht, wenn sie nach dem aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzgebers so schwer wiegen, dass von ihrem Vorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen abhängig gemacht werden muss. Ein derartig schwerwiegender Verfahrensmangel kann bei möglichen Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit dem Übersenden eines Ausweisfotos von der Meldebehörde zum Bildabgleich nicht gesehen werden, insbesondere im Hinblick auf § 25 PAuswG. Soweit die von der Meldebehörde der Bußgeldbehörde übermittelten Lichtbilder überhaupt in die Hauptverhandlung eingeführt werden – da eine Fahreridentifizierung in der Hauptverhandlung in der Regel nach Inaugenscheinnahme des Betroffenen durch Abgleich mit dem Messfoto erfolgt -, würde dies auch zu keinem Beweisverwertungsverbot führen, da ein Verfahrensfehler bei der Übermittlung des Personalausweisbildes nicht den Kernbereich der Privatsphäre des Betroffenen berührt und daher hinter dem Interesse an einer Tataufklärung zurückstehen muss, zumal die Identifizierung des Betroffenen jederzeit auch auf andere Weise erfolgen kann. Bei Vorliegen eines Verfahrensfehlers käme vorliegend auch keine Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG in Betracht. Soweit der Betroffene darauf hinweist, dass schon bei einem Verstoß gegen Richtlinien die Einstellung anerkannt sei, so kann dies nur bei weniger gravierenden Verstößen oder geringer Schuld geboten sein6. Eine Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG müsste hier aber bereits daran scheitern, dass ein gravierender Verkehrsverstoß mit Regelfahrverbot vorliegt und eine geringe Schuld bei drei einschlägigen Voreintragungen nicht angenommen werden kann.
OLG Koblenz, Beschluss vom 02.10.2020 – 3 OWi 6 SsBs 258/20
ECLI:DE:OLGKOBL:2020:1002.3OWI6SSBS258.20.00
- AG Mainz, Urteil vom 09.07.2020 – 3200 Js 34083/19 [↩] [↩]
- OLG Koblenz, Beschluss vom 14.07.2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18 [↩]
- OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.08.2020 – 1 Ss 230/2002, NStZ 2003, 93; OLG Rostock, Beschluss vom 28.11.2004 – 2 Ss OWi 302/04; OLG Bamberg, Beschluss vom 02.08.2005 – 2 Ss OWi 147/05, DAR 2006, 336 [↩]
- OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.08.2020 – 1 Ss 230/2002, NStZ 2003, 93; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 19.04.2002 – 1 Ss 54 B/02, VRS 105, 221; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.02.1998 – 2 OB OWi 727/97, NJW 1998, 3656; OLG Hamm, Beschluss vom 30.06.2009 – 3 Ss OWi 416/09, ZfSch 2010, 111 [↩]
- BT-Drs. 16/10489 vom 07.10.2008 [↩]
- OLG Oldenburg, Beschluss vom 29.01.1996 – Ss 10/96, VRs 93, 478 [↩]