In Nordrhein-Westfalen gibt es für „Hunde bestimmter Rassen“ Regelungen, die sozusagen zwischen denen für große Hunde und per definitionem „gefährliche Hunde“ liegen.
„Hunde bestimmter Rassen“ sind nach § 10 LHundG NRW:
Hunde der Rassen Alano, American Bulldog, Bullmastiff, Mastiff, Mastino Espanol, Mastino Napoletano, Fila Brasileiro, Dogo Argentino, Rottweiler und Tosa Inu sowie deren Kreuzungen untereinander sowie mit anderen Hunden.
Für diese Hunde gelten u.A. folgende Regelungen zur Haltung von „gefährlichen Hunden“ entsprechend:
§ 5 Abs. 2 LHundG NRW:
Außerhalb eines befriedeten Besitztums sowie in Fluren, Aufzügen, Treppenhäusern und auf Zuwegen von Mehrfamilienhäusern sind gefährliche Hunde an einer zur Vermeidung von Gefahren geeigneten Leine zu führen. Dies gilt nicht innerhalb besonders ausgewiesener Hundeauslaufbereiche. Gefährlichen Hunden ist ein das Beißen verhindernder Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Vorrichtung anzulegen. (…).
und
§ 5 Abs. 4 LHundG NRW:
Die Halterin oder der Halter muss in der Lage sein, den gefährlichen Hund sicher an der Leine zu halten und zu führen. Eine andere Aufsichtsperson darf außerhalb des befriedeten Besitztums einen gefährlichen Hund nur führen, wenn sie die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 erfüllt, das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat und in der Lage ist, den gefährlichen Hund sicher zu halten und zu führen. Die Halterin, der Halter oder eine Aufsichtsperson darf einen gefährlichen Hund außerhalb des befriedeten Besitztums keiner Person überlassen, die die Voraussetzungen des Satzes 2 nicht erfüllt.(…).
Das Verwaltungsgericht Köln hat nun im Ramen eines Eilverfahrens entschieden, dass es für eine Hundehaltungsuntersagung gegenüber dem Hundehalter schon ausreicht, wenn er einen Hund „bestimmter Rassen“ von einer Persn ausführen lässt, die die o.g. Voraussetzungen nicht erfüllt.
Aber im Einzelnen:
Die Behörde hatte eine Hundehaltungsuntersagung ausgesprochen und die sofortige Vollziehung angeordnet. Hiergegen wandte sich der Halter mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Köln.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn wie hier die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von der Behörde angeordnet worden ist. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht das öffentliche Vollziehungs- und das private Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen und dabei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Während bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfes ein schutzwürdiges Aussetzungsinteresse grundsätzlich nicht in Betracht kommt, besteht umgekehrt grundsätzlich kein öffentliches Interesse am Vollzug einer offensichtlich rechtswidrigen Verfügung. Lassen sich die Erfolgsaussichten abschätzen, ohne eindeutig zu sein, bildet der Grad der Erfolgschance ein wichtiges Element der vom Gericht vorzunehmenden Interessensabwägung.
Gemessen an diesen Kriterien war der Antrag nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln hier abzulehnen. Denn die Ordnungsverfügung erweist sich nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand voraussichtlich als rechtmäßig, so dass das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers nicht das öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt.
Rechtsgrundlage der in Ziffer 1 der Ordnungsverfügung ausgesprochenen Haltungsuntersagung für den Hund des Antragstellers mit dem Rufnamen „K.“ ist § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW. Die Antragsgegnerin hat die Haltungsuntersagung zwar fehlerhaft auf § 12 Abs. 1 LHundG NRW gestützt. Die Wahl der falschen Rechtsgrundlage bleibt hier aber ohne Rechtsfolgen, da im Falle des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW für die Haltungsuntersagung betreffend u.a. Hunde bestimmter Rassen nur ein intendiertes Ermessen auszuüben ist, während eine Haltungsuntersagung nach § 12 Abs. 1 LHundG NRW der uneingeschränkten Ermessensausübung unterliegt. Ein Austausch der Ermächtigungsgrundlage begegnet daher hier keinen Bedenken.
Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW soll die Haltung eines gefährlichen Hundes oder eines Hundes bestimmter Rasse im Sinne des § 10 Abs. 1 LHundG NRW untersagt werden, wenn ein schwerwiegender Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes getroffener Anordnungen vorliegen, die Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt sind, eine erforderliche Erlaubnis nicht innerhalb einer behördlich bestimmten Frist beantragt oder eine Erlaubnis versagt wurde.
Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass es sich bei dem Hund des Antragstellers um einen Hund bestimmter Rasse nach § 10 Abs. 1 LHundG NRW handelt. Unerheblich ist insoweit, dass die Angaben zu der Rasse des Hundes variieren zwischen Dogo Argentino, Dogo-Argentino-Mix und Mastiff-Mix.
Es spricht auch Überwiegendes dafür, dass es dem Antragsteller an der erforderlichen Zuverlässigkeit für die Haltung eines Hundes bestimmter Rasse fehlt.
Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 LHundG NRW in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder schwerwiegend gegen Vorschriften dieses Gesetzes verstoßen haben. Unzuverlässig in diesem Sinne ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er seinen Hund ordnungsgemäß, d. h. in einer Weise halten wird, dass von dem Hund keine Gefahren ausgehen werden. Der Hundehalter muss ohne Einschränkungen willens und in der Lage sein, seine Pflichten als Halter eines potentiell gefährlichen Hundes im Sinne der §§ 3, 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 LHundG NRW jederzeit und überall zu erfüllen. Nicht willens zur ordnungsgemäßen Hundehaltung ist, wer sich als Hundehalter eines solchen Hundes nicht hinreichend seiner besonderen Verantwortung gegenüber den Belangen und Rechtsgütern der Allgemeinheit und Dritter bewusst ist, wer insbesondere ohne Einsicht in die von seinem Hund ausgehenden Gefahren den durch Gesetz oder durch Ordnungsverfügung angeordneten Leinen- und Maulkorbzwang beharrlich missachtet oder in sonstiger Weise ordnungsrechtlichen Anforderungen wiederholt oder gröblich zuwider handelt. Unerheblich ist, aus welchen Gründen der Hundehalter zu einer ordnungsgemäßen Hundehaltung nicht imstande ist. Unzuverlässigkeit setzt daher weder ein Verschulden noch einen Charaktermangel des Hundehalters voraus. Wegen der von einer unsachgemäßen Haltung oder Führung von Hunden ausgehenden Gefahren für die körperliche Unversehrtheit und das Leben anderer Menschen und Tiere muss die Zuverlässigkeit des jeweiligen Hundehalters positiv feststehen. Dementsprechend genügen bereits verbleibende Zweifel an dieser Zuverlässigkeit, um die Eignung als Hundehalter zu verneinen1.
Bei der Feststellung der Zuverlässigkeit handelt es sich um eine auf das zukünftige Verhalten ausgerichtete Prognose, bei der auch das Verhalten des Betroffenen und seine Einlassungen im Verwaltungs- und Klageverfahren berücksichtigt werden können. Insbesondere Einlassungen, die das Geschehene bagatellisieren und Schuldzuweisungen bei anderen suchen, begründen Zweifel daran, ob der Betroffene gewillt und in der Lage ist, auch zukünftig die Vorschriften des LHundG NRW zu beachten2.
Gemessen an den vorgenannten Kriterien spricht nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln hier Überwiegendes für die Unzuverlässigkeit des Antragstellers. Denn der Antragsteller hat auch in jüngster Zeit mit Beginn der Haltung des Hundes „K.“ wiederholt und schwerwiegend gegen Vorschriften des Landeshundegesetzes verstoßen.
So hat er die Haltung des Hundes bereits am 04.12.2019 begonnen, obwohl ihm die Notwendigkeit einer vorherigen Erlaubniserteilung aus den vorausgegangenen Untersagungs- und Erlaubnisverfahren bestens bekannt sein musste. Das Gewicht dieses Verstoßes wird zwar dadurch geschmälert, dass er zeitnah am 09.12.2019 die Haltung des Hundes angezeigt und auch einen Antrag auf Haltungserlaubnis gestellt hat. Er konnte zudem davon ausgehen, dass die Erteilung einer Haltungserlaubnis nicht vollständig ausgeschlossen sei, da ihm die Antragsgegnerin noch im März 2018 eine Haltungserlaubnis für seinen früheren Hund, ebenfalls einen Hund bestimmter Rasse, erteilt hatte und seitdem keine weiteren Vorfälle aufgetreten waren. Dennoch ist der Verstoß nicht unerheblich.
Deutlich schwerwiegender ist jedoch der Umstand, dass es noch während des laufenden Erlaubnisverfahrens und nach der Anhörung zu einer Haltungsuntersagung mit Schreiben vom 19.12.2019 zu weiteren erheblichen Verstößen gegen seine Halterpflichten gekommen ist, wie der Vorfall vom 24.04.2020 belegt:
Nach dem Inhalt der Beschwerde der Frau L. vom 27.04.2020 kam ihr bei einem Spaziergang mit ihren Hunden die Ehefrau des Antragstellers mit dem nicht angeleinten Hund des Antragstellers entgegen. Als sie auf gleicher Höhe waren, zeigte sich der Hund des Antragstellers sehr aggressiv und stand im Geschirr, so dass die Ehefrau den Hund nicht halten konnte. Dieser riss sich los, stürzte sich sofort auf die DSH Hündin der Beschwerdeführerin und biss diese in Schulter und Nacken. Die Ehefrau des Antragstellers holte den Hund von ihrem Hund runter und zog ihn am Geschirr weg; eine Leine habe sie nicht dabei gehabt. Den Vorfall als solchen hat der Antragsteller nicht bestritten. Er hat der Darstellung der Beschwerdeführerin allerdings insoweit widersprochen, als er behauptet, sein Hund sei in dem Zeitpunkt des Vorfalls an der Leine geführt worden. Seine Frau habe auch einen Maulkorb mitgeführt, diesen aber abnehmen müssen, da sich sein Hund wegen einer schweren blutigen Magen-Darm-Erkrankung versucht habe zu übergeben. Selbst wenn man diese Angaben zugunsten des Antragstellers als wahr unterstellt, bleibt es dabei, dass der Hund in dem Zeitpunkt des Vorfalls unter Verstoß gegen § 10 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW ohne Maulkorb geführt wurde und die Ehefrau des Antragstellers nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 4 LHundG NRW erfüllte, den Hund daher gar nicht ausführen durfte und offenbar auch tatsächlich nicht in der Lage war, den Hund zu sichern. Angesichts dieser aktuellen eindeutigen Verstöße gegen Halterpflichten ist es nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin in die Gesamtbewertung der Zuverlässigkeit des Antragstellers auch die gravierenden Verstöße des Antragstellers aus der vergangenen Haltung des Hundes „C.“ einbezogen hat. Auf die Frage einer etwaigen Trunksucht des Antragstellers, für die allerdings gegenwärtig keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.
Die Untersagung der Hundehaltung ist hier auch ermessensfehlerfrei erfolgt, weil gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW die Haltung eines Hundes u.a. untersagt werden soll, wenn die Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Gesichtspunkte, die entgegen dieser Regelung ein Absehen von der Untersagung der Hundehaltung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der in Ziffer II der Verfügung angeordneten Abgabe des Hundes gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW und der Nachweisführung hierüber bestehen ebenfalls nicht. Soweit in Ziffer II versäumt wurde, ausdrücklich auch den Entzug des Hundes anzuordnen, berührt dies die Rechtmäßigkeit der Abgabeanordnung nicht. Denn die Abgabe eines Hundes setzt denknotwendig dessen Entzug voraus, so dass dieser von einer Abgabeanordnung regelmäßig mitumfasst ist3.
Auch die in Ziffer III ff der Verfügung angeordnete erweiterte Haltungsuntersagung auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig. Die insoweit angestellten Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin sind nicht zu beanstanden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zuverlässigkeit ein allgemeines und notwendiges Erfordernis für die Haltung aller in §§ 3, 10 und 11 LHundG NRW genannten Hunde darstellt, denen ein erhöhtes Gefahrenpotential innewohnt4.
Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 04.02.2021 – 20 L 48/21
ECLI:DE:VGK:2021:0204.20L48.21.00
- OVG NRW, Beschlüsse vom 06.02.2013 – 5 B 1228/12; vom 02.07.2012 – 5 B 160/12; vom 31.10.2000 – 5 B 838/00; VG Minden, Urteil vom 14.09.2016 – 11 K 240/16 -; VG Köln, Beschluss vom 08.10.2012 – 20 L 954/12 -; VG Aachen, Beschlüsse vom 12.07.2011 – 6 L 198/11; vom 23.09.2010 – 6 L 295/10 [↩]
- VG Minden, Urteil vom 14.09.2016 – 11 K 240/16 [↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 12.07.2017 – 5 B 1389/16 [↩]
- VG Düsseldorf, Urteil vom 26.04.2017 – 18 K 6990/15 ; VG Minden, Urteil vom 14.09.2016 – 11 K 240/16 [↩]