Betriebskosten: Keine Rückforderung von Nachzahlungen bei unzureichender Belegeinsicht

Betriebskostenabrechnungen sind immer wieder ein Quell fragwürdiger Freude und des Streits zwischen Mieter und Vermieter.

Mieter haben einen Anspruch auf Einsicht in die Belege zu den Betriebskosten. Was aber passiert, wenn ein Mieter eine Betriebskostennachzahlung begleicht und die gleichzeitig verlangte Einsicht in die Belege nur unzureichend gewährt wird?

Kann er dann die Nachzahlung anteilig (bezogen auf den fragwürdigen Beleg) zurückfordern? Der Bundesgerichtshof hat diese Frage nun verneint.

Was war passiert?

Der Kläger ist Mieter von zwei öffentlich geförderten Wohnungen der Beklagten. Vereinbarungsgemäß haben die Mieter Betriebskostenvorauszahlungen zu leisten, unter anderem für die Kosten des Hauswarts. Mit der Erbringung dieser Leistungen beauftragte die Beklagte (Vermieter) die demselben Konzern zugehörige D. GmbH (im Folgenden: Immobilienservice GmbH).
Mit der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2014 legte die Beklagte für die Position „Hauswart“ für die vom Kläger gemietete Wohnung 130,09 € um, für die vom Kläger und seiner Ehefrau gemietete Wohnung 158,58 €. Die von der Beklagten verlangten Nachzahlungen auf die Betriebskosten entrichtete der Kläger unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Mit der Klage hat der Kläger Rückzahlung von 288,67 € gefordert. Zur Begründung hat er in erster Linie geltend gemacht, die Beklagte habe ihm hinreichende Einsicht in die den Hauswartkosten zugrundeliegenden Abrechnungsunterlagen nicht gewährt.
Die Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt1. Auf die eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landgericht München I die weitergehende Klage abgewiesen2.

Das Landgericht München I hat seine Entscheidung damit beründet, dass die Beklagte die vom Kläger begehrte Belegeinsicht zu Unrecht verweigert habe. Sie habe ihm zwar Einsicht in den Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Immobilienservice GmbH, den Katalog der von dieser zu erbringenden Leistungen sowie die monatlichen Einzelrechnungen der Immobilienservice GmbH gewährt. Der Geschäftsbesorgungsvertrag lasse jedoch nicht erkennen, welche Vergütung die Beklagte mit der Immobilienservice GmbH vereinbart habe. Die Kontrollbefugnis des Klägers erstrecke sich auch auf die Prüfung, ob und inwieweit er mit Gewinnmargen der Immobilienservice GmbH belastet werde. Da diese demselben Konzern wie die Beklagte zugehörig sei, bestehe für den Mieter von öffentlich gefördertem Wohnraum ein schutzwürdiges Interesse, dass der Umfang der Gewinnerzielung transparent sei.

In Anbetracht dessen habe dem Kläger zwar ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf laufende Nebenkostenvorauszahlungen und von der Beklagten verlangte Nachzahlungen zugestanden. Da er ein solches aber nicht geltend gemacht habe, bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Rückzahlungsanspruch jedoch nicht. Vielmehr sei der Kläger darauf zu verweisen, zunächst auf Vorlage der Belege zu klagen.

Der Bundesgerichtshof hat die vom Landgericht München I zugelassene Revision nun zurückgewiesen.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der Bundesgerichtshof hat, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist, bereits entschieden, dass Mieter in einem laufenden Mietverhältnis die Rückzahlung der auf die vereinbarten Nebenkosten geleisteten Abschlagszahlungen nicht verlangen können, wenn der Vermieter die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen zu Unrecht verweigert3. Die Mieter sind insoweit auch bei einer – wie hier – formell wirksamen Betriebskostenabrechnung durch ein aus § 242 BGB folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen geschützt, solange ihnen eine berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt worden ist4. Durch diesen Einbehalt können sich Mieter schadlos halten und Druck auf den Vermieter ausüben5. Überdies können Mieter – wovon das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgegangen ist – ihren Anspruch auf Vorlage der Belege einklagen, sofern der Vermieter die Belegeinsicht zu Unrecht verweigert6.
Besonderheiten, die eine weitere höchstrichterliche Leitentscheidung erforderlich machten, weist der vorliegende Fall nicht auf. Die vorgenannten Grundsätze über das Belegeinsichtsrecht gelten, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, auch für preisgebundenen und öffentlich geförderten Wohnraum.

Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob dem Kläger unzureichend Belegeinsicht gewährt worden ist. Denn entgegen der Ansicht der Revision ist an der vom Berufungsgericht zu Recht zugrunde gelegten, gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs festzuhalten, wonach in einem laufenden Mietverhältnis der Mieter nicht die Rückerstattung von Abschlagszahlungen auf die vereinbarten Betriebskosten verlangen kann, wenn der Vermieter die Betriebskosten nicht rechtzeitig abrechnet. Dies gilt erst Recht, wenn der Vermieter Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen zu Unrecht verweigert. Die Mieter – und zwar auch die Mieter preisgebundenen Wohnraums – sind insoweit durch ein aus § 242 BGB folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der laufenden Nebenkostenvorauszahlungen geschützt, solange ihnen eine berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt worden ist.
Aufgrund eines berechtigt ausgeübten Leistungsverweigerungsrechts läuft der Mieter wegen der einbehaltenen Betriebskostenvorauszahlungen mangels Schuldnerverzugs entgegen der Ansicht der Revision nicht Gefahr, dass der Vermieter das Mietverhältnis fristlos wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, b BGB) oder gegebenenfalls fristgemäß nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kündigen kann. Im Übrigen trifft es zwar zu, dass der Vermieter durch die Verweigerung einer berechtigterweise begehrten Belegeinsicht in vertrags-verletzender Weise den Mieter an der Ausübung seines Rechts auf eine vorgreifliche Überprüfung der Abrechnung hindert7. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Vertragsverletzung des Vermieters ohne Weiteres zu einem Rückzahlungsanspruch des Mieters führen müsste. Das gilt auch für den von der Revision angeführten Gesichtspunkt, bei Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts bleibe für eine gewisse Zeit ungeklärt, in welcher Höhe eine Betriebskostenforderung des Vermieters bestehe. Dies mag zwar sein, geht aber in erster Linie zu Lasten des Vermieters, der trotz laufender Kosten Vorauszahlungen des Mieters (temporär) nicht erhält.
Zwar könnte der Vermieter noch in einem unmittelbar auf Rückerstattung von Betriebskostenvorauszahlun-gen gerichteten Prozess des Mieters eine bisher zu Unrecht verweigerte Einsicht in Abrechnungsunterlagen zur Betriebskostenabrechnung gewähren. Gleichwohl stellt eine solche prozessuale Gestaltungsmöglichkeit keinen hinreichenden Grund dar, dem Mieter ohne vorausgegangene Prüfung der Abrechnungsunterlagen einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückforderung von Vorauszahlungen zu gewähren.

Die Klage auf Rückforderung der erbrachten Vorauszahlungen ist daher nach Auffassung des Bundesgerichtshofs derzeit nicht begründet. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger Rückerstattung der geleisteten Nachzahlungen wegen unzureichend gewährter Einsicht in die die Position „Hauswart“ betreffenden Abrechnungsunterlagen begehrt. Auch insoweit hätte der Kläger ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen können.

Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 08.02.2022 – VIII ZR 150/20; vom 26.10.2021  -VIII ZR 150/20

ECLI:DE:BGH:2022:080222BVIIIZR150.20.0

 

  1. AG München, Urteil vom 26.04.2019 – 461 C 21735/17 []
  2. LG München I, Urteil vom 14.05.2020 – 31 S 7015/19 []
  3. BGH, Beschluss vom 22.06.2010 – VIII ZR 288/09, NZM 2010, 857 []
  4. BGH Urteil vom 09.12.2020 – VIII ZR 118/19, NJW 2021, 693; BGH, Beschlüsse vom 22.11.2011 – VIII ZR 38/11, WuM 2012, 276; vom 22.06.2010 – VIII ZR 288/09 []
  5. BGH, Urteile vom 07.07.2021 – VIII ZR 52/20, WuM 2021, 1541; vom 29.03.2006 – VIII ZR 191/05, WuM 2006, 383 []
  6. BGH, Beschluss vom 22.06.2010 – VIII ZR 288/09 []
  7. BGH, Urteil vom 10.04.2019 – VIII ZR 250/17 []

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