Begründung einer Mieterhöhung mit einem weder qualifizierten noch einfachen Mietspiegel?

Ein Vermieter kann sein Mieterhöhungsverlangen u.A. auf den regionalen Mietspiegel stützen.

Was gilt aber, wenn es sich bei dem herausgegebenen Mietspiegel, auf den sich der Vermieter stützt, weder um einen einfachen, noch um einen qualifizierten Mietspiegel handelt?

Dieser Frage hatte sich nun das Landgericht Berlin zu widmen, nachdem vertreten wurde, dass der Berliner Mietspiegel 2021 kein qualifizierter Mietspiegel sei, weil ein solcher nach vier Jahren neu zu erstellen und nicht nur fortzuschreiben sei. Auch handele es sich nicht um einen einfachen Mietspiegel, da er seit dem 01.10.2020 aus den Mieten eines 6-Jahres-Zeitraumes zu erstellen sei und nicht nur – wie geschehen – eine 4-Jahres-Zeitraumes1.

Das Landgericht Berlin ist zu der Auffassung gelangt (anders als das Erstgericht, das Amtsgericht Spandau1), dass

1. auch ein Mietspiegel, bei dem es sich weder um einen einfachen, noch einen qualifizierten handelt, den Formerfordernissen des Mieterhöhungeverlangens genügt

und

2. es dann unerheblich ist, ob er für die Ermittlung der zwischen den Parteien streitigen ortsüblichen Vergleichsmiete geeignet ist, wenn gemäß § 287 ZPO eine richterliche Schätzung auf Grundlage eines Vorgängermietspiegels möglich ist.

Warum?

Gemäß § 558 a Abs. 1 BGB ist das Mieterhöhungsverlangen dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen. Dem wird nach Auffassung des Landgerichts Berlin das Erhöhungsverlangen der Klägerin gerecht, auch wenn es sich bei dem von ihr herangezogenen Berliner Mietspiegel 2021 um keinen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel i.S.d. §§ 558c, 558d BGB handeln und die Klägerin auch die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 50 EGBGB nicht für sich beanspruchen können sollte.

Die Berufung rügt zu Recht, dass die in § 558a Abs. 2 BGB genannten Begründungsmittel nicht abschließend sind2. Die gesetzliche Begründungspflicht verfolgt allein den Zweck, dem Mieter erste Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens zu geben3. Diesen Mindestanforderungen zur Vermittlung eines ersten Anhalts genügt der Berliner Mietspiegel 2021 nach Auffassung des Landgerichts Berlin auf jeden Fall, selbst wenn er den Mietspiegel 2019 nur linear fortschreiben und damit womöglich von einem kürzeren als dem in § 558 Abs. 2 BGB n.F. ausgewiesenen Bezugszeitraum ausgehen sollte.

Die von der Klägerin verlangte Miete von 328,70 EUR (7,64 EUR/qm) überschreitet auch die ortsübliche Miete i.S.d. § 558 Abs. 2 BGB nicht.

Insoweit bedarf es keiner Entscheidung des Gerichts, so das Landgericht Berlin, ob der als formales Begründungsmittel taugliche Berliner Mietspiegel 2021 ebenfalls geeignet ist, dem Landgericht Berlin jedenfalls im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO die Ermittlung der zwischen den Parteien streitigen ortsüblichen Vergleichsmiete zu erlauben. Denn es steht dem Landgericht Berlin frei, die Vergleichsmiete hier gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung des für eine richterliche Schätzung geeigneten Berliner Mietspiegels 2019 zu bestimmen4.

Unter Zugrundelegung des dort einschlägigen Mietspiegelfeldes und des wechselseitigen Parteivortrags ergibt sich zum Stichtag 01.09.2018 eine ortsübliche Vergleichsmiete von 345,29 EUR (8,03 EUR x 43 qm). Das Landgericht Berlin kann mit dem für eine Schätzung nach § 287 ZPO ausreichenden Überzeugungsgrad überwiegender Wahrscheinlichkeit aufgrund des allgemeinen Preisanstiegs ebenfalls davon ausgehen, dass die ortsübliche Vergleichsmiete für mit der streitgegenständlichen Mietsache vergleichbaren Wohnraum im Zeitraum 01.09.2018 bis zum Zugang des Mieterhöhungsverlangens im Juni 2021 nicht von 8,03 EUR/qm auf die von der Klägerin lediglich verlangten 7,64 EUR/qm und damit um nahezu fünf Prozent gesunken ist. Angesichts dieser erheblichen Differenz kann es das Landgericht Berlin (so die Entscheidung) – ein weiteres Mal im Wege der Schätzung – für gegeben erachten, dass es für die zutreffende Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Zugrundelegung des Berliner Mietspiegels 2019 unerheblich ist, dass diesem ein Bezugszeitraum von lediglich vier Jahren zu Grunde liegt, während § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB in seiner ab dem 01.01.2020 geltenden Fassung auf die in den letzten sechs Jahren vereinbarten oder geänderten Entgelte abstellt.

Da auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen der §§ 558 ff. BGB – unstreitig – erfüllt sind, schuldet der Beklagte gemäß § 558b Abs. 2 Satz 1 BGB seine Zustimmung zu der von der Klägerin verlangten Mieterhöhung.

Landgericht Berlin, Urteil vom 09.06.2022 – 67 S 50/22

 

 

  1. AG Spandau, Urteil vom 24.01.2022 – 6 C 403/21 [] []
  2. BT-Drs. 7/2011, 10; Emmerich, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, § 558a; Fleindl, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. April 2022, § 558a []
  3. Emmerich, in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, § 558a; Fleindl, in: BeckOGK BGB, Stand: 1. April 2022, § 558a []
  4. LG Berlin, Beschluss vom 02.06.2022 – 67 S 259/21 []

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