Der American Pocket Bully ist kein Listenhund

Lange hat sich das Verwaltungsgericht Köln im Hinblick auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münsters zum Kreuzungsbegriff des § 3 Abs. 2 LHundG NRW skeptisch gezeigt. Mittlerweile folgt es aber – jedenfalls in gewissem Umfang – dieser Rechtsprechung, wie nun eine Entscheidung zeigt, in der das Verwaltungsgericht Köln im Fall eines „American Pocket Bully“ der Einstufung als Kreuzung mit einem Listenhund durch die Behörde nicht gefolgt ist.

Worum ging es konkret?

Der Kläger ist Halter des Hundes Q., der ihm als „Pocket American Bully“ verkauft wurde.

Die beklagte Behörde vertritt die Auffassung, bei einem „American Pocket Bully“ handele es sich um eine Kreuzung aus einem Pitbull und einem American Staffordshire und damit um einen gefährlichen Hund nach § 3 LHundG NRW.

Dies bsaierte auch auf einer Begutachtung durch das Veterinäramt dr Beklagten. Es wurde eine Widerristhöhe von 48 cm gemessen. Aus Sicht des Ordnungsamtes trat der Phänotyp des Pitbull signifikant zumindest hinsichtlich Kopfform und Bemuskelung hervor. Die Amztstierärztin erklärte aufgrund von Lichtbildern des Hundes, die Aufnahmen gäben Hinweise dafür, dass der Hund nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW eingeordnet werden könne. In dieser Mail teilte das Veterinäramt weiter mit, dass der Hund nach Rücksprache mit der behandelnden Tierärztin und der Lebensgefährtin des Klägers eine Größe von nur 39 cm aufweise. Es gebe außerdem einen Labortest über eine genetische Rassebestimmung, wonach der Hund einen Anteil von 60% American Staffordshire aufweise und 40% Mischling.

Mit Schreiben vom 16.12.2020 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage der genetischen Rassebestimmung bis zum 08.01.2021 auf. Der Kläger reagierte hierauf nicht.

Mit Bescheid vom 25.02.2021 untersagte die Beklagte dem Kläger sodann unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Haltung seines Hundes Q., ordnete dessen Entzug und Abgabe an das Tierheim V. an und untersagte dem Kläger auch die zukünftige Haltung von Hunden nach §§ 11, 3 und 10 LHundG NRW.

Zur Begründung verwies die Beklagte im Wesentlichen darauf, dass der Hund nach einer Rassebeurteilung städtischer Bediensteter signifikante Rassemerkmale eines American Staffordshire Terriers entsprechend dem Rassestandard FCI Nr. 286 im Bereich von Kopf, Oberkopf, Backen, Ohren, Körper, Brust und Rute aufweise. Der Kopf des Hundes sei mittleren Ausmaßes mit einem ausgeprägten Stopp, dessen Fang unterhalb der Augen abrupt abfalle. Er weise bereits jetzt einen kompakten, muskulösen Körperbau auf, wobei die weit auseinanderstehende Vorderhand zwar durch eine leichte Schiefstellung der unteren Läufe enger werde, aber dennoch der Brustausbildung Raum biete. Die Brust sei tief und breit. Die Schultern seien gleichfalls kräftig und muskulös mit weiten, schrägliegenden Schulterblättern. Die Ohren seien hochangesetzt, halbaufgerichtet und der schwere Hals gehe in den kurzen Rücken über, welcher vom Widerrist bis zur Kruppe leicht abfallend sei. Der kurze, tief angesetzte Schwanz ende in einer Spitze. Der Kiefer sei stark und verfüge über eine ausgeprägte Wangenmuskulatur. Die für den American Pocket Bully geltende Größe von weniger als 43 cm sprenge der Hund des Klägers bereits unausgewachsen mit zuletzt 48 cm. Weiteres Wachstum werde dafür Sorge tragen, dass der Hund an Größe, Gewicht und Muskelmasse noch zulege. Dies allein spreche bereits dafür, dass der Phänotyp des Hundes deutlich von den Standards eines American Pocket Bully abweiche. Vermutlich werde auch der Größenstandard eines American Staffordshire Terriers überstiegen, was den unbekannten Rasseanteilen des Hundes zuzuschreiben sei. Da bei dem Hund mehrere signifikante Rassestandards in signifikanter Weise hervorträten, sei eine fachliche Begutachtung entbehrlich. Die Voraussetzungen für die Haltung eines gefährlichen Hundes lägen nicht vor, da es an einem besonderen privaten Interesse oder öffentlichen Interesse gemäß § 4 Abs. 2 LHundG NRW fehle.

In seiner Klage trug der Kläger vor, die der Verfügung zugrunde liegende Rasseeinstufung, die durch kynologische Laien im Alter von gerade 7 ½ Monaten erfolgt sei, sei völlig falsch und in keiner Weise belastbar. Der Hund habe selbst jetzt mit knapp 11 Monaten eine Widerristhöhe von nur 43 cm und nicht 48 cm. Das Gewicht betrage 28 kg. Gewicht und Größe entsprächen nicht dem Rassestandard Nr. 286 der FCI. Der Rüde habe standardwidrig keine geraden und senkrecht aufgestellten Vorderläufe und Füße, sondern diese seien – wie bei Bulldoggen oft zu verzeichnen – nach außen gedreht. Außerdem habe der Hund eine viel zu ausgeprägte Belefzung und Ansätze loser Kehlhaut (Wamme), die bei einem American Staffordshire Terrier nicht vorhanden sei. Letztlich sei der Rüde hinten leicht überbaut, d.h. vom Widerrist zur Kruppe leicht ansteigend. Ein phänotypisches Gutachten des Sachverständigen Joachim van Veen vom 05.04.2021 wurde zur weiteren Begründung vorgelegt.

Die Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht Köln hat der Klage stattgegeben.

Es könne nämlich bereits nicht festgestellt werden, dass es sich bei dem Hund des Klägers um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW bzw. ein Kreuzungstier mit einem solchen, was hier alleine in Betracht käme, handelt.

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW zählen zu den gefährlichen Hunden solche der Rassen Pittbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden. Nach § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW sind Kreuzungen im vorstehenden Sinne solche Hunde, bei denen der Phänotyp einer der dort genannten Rassen deutlich hervortritt. Soweit das Landeshundegesetz in den §§ 3 Abs. 2 und 10 Abs. 1 einzelne Hunderassen aufzählt, greift es auf allgemein anerkannte Rassedefinitionen insbesondere durch die großen nationalen und internationalen kynologischen Fachverbände zurück, in denen eine Rasse anhand phänotypischer, durch Vererbung übertragbarer Merkmale 21beschrieben und so eine Zuordnung eines einzelnen Hundes zu dieser Rasse ermöglicht wird (sog. Standards). Diese Verweisung auf Rassedefinitionen privater Verbände ist nicht dynamisch zu verstehen, sondern nimmt grundsätzlich auf die bei Inkrafttreten des Landeshundegesetzes bestehenden Standards Bezug1.

Die Bestimmung der Rassezugehörigkeit eines sog. Listenhundes erfolgt anhand äußerlich erkennbarer körperlicher Merkmale des jeweiligen Tieres, da eine eindeutige genetische Definition nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft (noch) nicht möglich ist. Im Falle eines Kreuzungstieres kann ein deutliches Hervortreten des Phänotyps im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW nur dann angenommen werden, wenn ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung trotz der erkennbaren Einkreuzung anderer Rassen in markanter und signifikanter Weise die Merkmale einer oder mehrerer der in Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift genannten Rassen zeigt. Die Beantwortung der Frage, wann bei einem Hund ein so verstandenes Hervortreten gegeben ist, ist einer rein schematischen Bewertung nicht zugänglich. Maßgeblich ist eine wertende Betrachtung im Einzelfall, die in den Blick nimmt, ob ungeachtet des nicht zu leugnenden Einflusses auch anderer Rassen bestimmte, die in Rede stehende Rasse besonders charakterisierende Merkmale deutlich ausgeprägt sichtbar sind2.

Zu den besonders charakterisierenden Merkmalen gehören – angesichts des Schutzzwecks des Landeshundegesetzes – solche im Rassestandard aufgeführten äußeren Merkmale des jeweiligen Hundes, die konstitutionsbedingt zu der Gefährlichkeitsvermutung beitragen. Dies wird regelmäßig bei der die Kopfform mitprägenden Ausbildung von Kiefer und Gebiss, bei Hals und Brust, der Bemuskelung dieser Körperpartien, der Bemuskelung des Körpers im Ganzen sowie hiermit zusammenhängend bei Größe und Gewicht des Hundes sowie deren Verhältnis zueinander der Fall sein. Dabei wird im Hinblick auf die Größe jedenfalls eine Unterschreitung des Standards zu einer herabgesetzten Gefährlichkeit führen können3.

Um eine ufer- und konturenlose Definition der „Kreuzungen“ i. S. d. § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW zu vermeiden, ist ein enges Verständnis des Hervortretens des Phänotyps einer der gelisteten Rassen erforderlich. Nicht ausreichend kann es daher sein, dass ein Hund lediglich einige Merkmale der in Rede stehenden gefährlichen Hunderasse zeigt, selbst wenn diese als einzelne Merkmale deutlich hervortreten. Vielmehr muss der Standard der in Rede stehenden Rasse im Wesentlichen erfüllt sein, Abweichungen dürfen lediglich Randbereiche betreffen wie etwa Fellfarbe, Ohrenform oder Schwanzform. Demgegenüber müssen die das Erscheinungsbild einer Rasse regelmäßig besonders charakterisierenden Merkmale – wie insbesondere Kopfform, Größe und Gewicht und deren Verhältnis zueinander sowie generell die Proportionen der verschiedenen Körperteile zueinander – vorliegen. Zudem müssen gerade auch die oben genannten, die Gefährlichkeitseinstufung in körperlicher Hinsicht rechtfertigenden körperlichen Merkmale gegeben sind3.

Kann ein Hervortreten des Phänotyps einer der in § 3 Abs. 2 LHundG NRW genannten Rassen nicht festgestellt werden, so ist auch nicht aufgrund der Zweifelsregel des § 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW von einem gefährlichen Hund im Sinne der Vorschrift auszugehen. Denn diese Regel ermöglicht es nicht, Hunde als gefährlich einzustufen, bei denen von einem deutlichen Hervortreten nur möglicherweise ausgegangen werden kann. Vielmehr muss grundsätzlich das deutliche Hervortreten der die in Rede stehende Rasse besonders charakterisierenden Merkmale im Sinne des Satzes 2 positiv festgestellt werden. Erst im Anschluss hieran ist ggf. der Hundehalter nach § 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW verpflichtet, nachzuweisen, dass sein Hund keine Kreuzung im Sinne des Satz 1 ist3.

Die vorstehende neuere Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster führt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln zu einer erheblichen Verengung des Kreuzungsbegriffs im Sinne von § 3 Abs. 2 LHundG NRW, die aus systematischen Erwägungen und unter Gefahrenabwehraspekten nicht unbedenklich ist. Dies gilt insbesondere, soweit dadurch ganze Rassen wie der Pitbull Terrier trotz ihrer ausdrücklichen Nennung in § 3 Abs. 2 LHundG NRW aus dessen Anwendungsbereich praktisch herausdefiniert werden. Ähnliches dürfte etwa für den in § 10 Abs. 1 LHundG NRW genannten American Bulldog gelten4.

Für die Zweifelsregel in § 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW in der ebenfalls restriktiven Auslegung, die sie nun durch das Oberverwaltungsgericht Münster erfahren hat, bleibt zudem bei einem derart engen Kreuzungsbegriff, der nahezu Rassereinheit erfordert, nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Köln kein praktischer Anwendungsbereich.

Das Verwaltungsgericht Köln schließt sich dennoch unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung der neueren Rechtsprechung des Oberverwlatungsgerichts Münster mit Blick auf die nicht von der Hand zu weisenden Probleme der verfassungsrechtlichen Bestimmtheit der Regelung und aus Gründen der Rechtseinheitlichkeit an.

In Anwendung der vom Oberverwaltungsgericht Münster aufgestellten Maßstäbe gilt zunächst, dass Hunde der Rasse „American Bully“ und auch der hier in Rede stehende „American Pocket Bully“ keine eigenständige Rasse im Sinne des Landeshundegesetzes sind. Er ist weder von der FCI noch dem Verband für das Deutsche Hundewesen als eigene Hunderasse anerkannt. Der amerikanische United Kennel Club hat zwar einen entsprechenden Rassestandard anerkannt, jedoch erst im Jahr 20135.

Es handelt sich nach phänotypischen Merkmalen bei dem Hund des Klägers auch nicht um eine Kreuzung im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW, insbesondere nicht um eine Kreuzung mit einem American Staffordshire Terrier, wie die Beklagte dies angenommen hat.

Der „American Bully“ ist ein „Hybridhund“, über dessen tatsächliche Abstammung es verschiedene Meinungen gibt. Es wird u. a. vermutet, dass er ursprünglich eine Züchtung aus American Staffordshire Terrier und American Pitbull Terrier war und später Kreuzungen mit verschiedenen Bulldoggenrassen wie American Bulldog, Old English Bulldog, Französische Bulldogge und Englische Bulldogge hinzugekommen sind. Er bringt die „typische Bulldoggen-Optik“ aus einem „imposanten Körperbau mit kräftigem Kopf“ mit, hat einen breiten Brustkorb und sieht insgesamt massiger aus als beispielsweise der American Bulldog, mit dem er leicht zu verwechseln sein soll5.

Vor diesem Hintergrund muss die phänotypische Beurteilung des hier als „American Pocket Bully“ präsentierten Hundes nachvollziehbar erkennen lassen, warum bei der gebotenen Gesamtbetrachtung gerade den Phänotyp des American Staffordshire Terrier besonders charakterisierende Merkmale deutlich ausgeprägt sichtbar sein sollen. Dabei ist namentlich eine substanzielle, nachvollziehbare und schlüssige Abgrenzung zu den genannten Bulldoggenrassen zu fordern6.

Eine derartige phänotypische Beurteilung liegt hier nicht vor. In seinem Beschluss vom 15.06.2021 in dem einsteiligen Verfügungsverfahren in der vorliegenden Sache hatte das Verwaltungsgericht Köln ausgeführt:

Zwar werden in der Ordnungsverfügung phänotypische Merkmale des Hundes Q. aufgeführt, die im Rassestandard der FCI Nr. 286 für den American Staffordshire Terrier aufgeführt sind, insbesondere betreffend die Kopfform und Bemuskelung. Es werden aber auch abweichende Merkmale benannt, so etwa die durch eine leichte Schiefstellung nach unten enger werdenden Läufe oder die Wangenmuskulatur, die nur als stark ausgeprägt bezeichnet wird, nicht aber als sehr stark ausgeprägt wie im Rassestandard gefordert. Die in der Akte befindlichen Fotos lassen aufgrund ihrer Qualität und Perspektive, aber auch aufgrund des Alters des Hundes im Zeitpunkt der Aufnahmen von nur 4 bzw. 7 1/2 Monaten keine weiter gehende sichere Einschätzung zu. Irritierend ist auch, dass in einer im Verwaltungsvorgang befindlichen E-Mail der Antragsgegnerin an das Kreisveterinäramt vom 09.12.2020 dem Hund hinsichtlich Kopfform und Bemuskelung signifikante Merkmale des Pitbull zugeschrieben werden. Eine nachvollziehbare und schlüssige Abgrenzung zu den oben genannten Bulldoggenrassen fehlt im Übrigen nahezu vollständig.7 entspricht, zu schwer. Er weist zudem auch bei anderen Merkmalen Abweichungen im Vergleich zu dem Standard Nr. 286 der FCI auf, die in dem Gutachten des Sachverständigen van Veen vom 05.04.2021 aufgeführt sind, namentlich der überbaute Rücken, die gerade und senkrechte Stellung der Vorderläufe und eine gewisse Wamme. In tatsächlicher Hinsicht sind diese Feststellungen von der Beklagten nicht angegriffen worden und sie sind auch auf den mit dem Gutachten vorgelegten Fotos erkennbar. Die Beklagte selbst hatte zudem nach ihrer Inaugenscheinnahme den Hund als Pitbull-Mischling eingestuft mit Blick auf Kopfform und Bemuskelung. Die spätere Einstufung als American Staffordshire-Kreuzung beruhte nach den Angaben der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 12.08.2021 ausschließlich auf der Kenntnisnahme von einem Gen-Test, wonach der Hund einen Anteil von 60% American Staffordshire Terrier aufweise. Derartige Gen-Tests haben aber nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft noch keine belastbare Aussagekraft und völlig unabhängig davon ist ein Gen-Test für die nach dem Gesetzeswortlaut durchzuführende rein phänotypische Beurteilung nicht maßgeblich. Für die von der Beklagten vorgenommene phänotypische Beurteilung bleibt es jedenfalls völlig unklar, wie sie von der Feststellung signifikant markanter Merkmale eines Pitbulls zur Behauptung von signifikant markanten Merkmalen eines American Staffordshire Terriers gelangen kann. Ungeachtet der zwischen beiden Rassen bestehenden Ähnlichkeiten liegt in einem solchen Vorgehen eine gewisse Beliebigkeit, der mit der oben dargelegten Verengung des Kreuzungsbegriffs gerade begegnet werden soll.

Eine qualifizierte Rassebestimmung durch das zuständige Kreisveterinäramt, die zu einer anderen Beurteilung führen könnte und der wegen der besonderen Expertise von Amtsveterinären bei der Rassebestimmung eine besondere Bedeutung zugekommen wäre8, liegt nicht vor, so das Verwaltungsgericht Köln weiter. Das Kreisveterinäramt hat den Hund zu keinem Zeitpunkt in Augenschein genommen. Im Verwaltungsverfahren hat es sich im Anschluss an die Vorführung des Hundes im Ordnungsamt anhand von Fotos lediglich allgemein dahin geäußert, es gebe Hinweise dafür, dass der Hund nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW eingeordnet werden könne. Die ihm vorgelegten Fotos hielt es dabei für „nicht allzu gut aufgenommen“. Zu einer eingehenden amtstierärztlichen Begutachtung während des Hauptsacheverfahrens ist es nicht gekommen, da das Kreisveterinäramt eine solche gegenüber der Beklagten ablehnte mit der Begründung, sie sei nicht ausführbar. Eine substanzielle, nachvollziehbare und schlüssige Abgrenzung zu den Bulldoggenrassen American Bulldog, Old English Bulldog, französische Bulldogge und Englische Bulldogge, könne nicht vorgenommen werden, da es sich bei dem American Bulldog, dem Old English Bulldog wie auch bei dem in Rede stehenden American Pocket Bully selbst um Mischlingshunde und keine eigenständigen Rassen handele. Es existierten demnach keine verlässlichen Zuchtstandards, so dass jegliche Basis für eine seriöse und gerichtlich haltbare Abgrenzung zu diesen Rassen fehle. Im Übrigen hat es ausgeführt:

„Im Zusammenhang mit den … teilweise widersprüchlichen Rechtsauffassungen der jüngsten Beschlüsse und Urteile zu dem Thema wurde bezüglich des Kreuzungsbegriffes klargestellt, dass es für die Zuordnung zu Rassen nicht ausreicht, wenn einzelne Rassemerkmale deutlich hervortreten. Vielmehr müsse der Standard der in Rede stehenden Rasse im Wesentlichen (sogenanntes enges Verständnis) erfüllt sein, Abweichungen dürften lediglich Randbereiche betreffen (wie etwa Fellfarbe, Ohren-oder Schwanzform). Eine phänotypische Beurteilung von Kreuzungshunden (Hybridhunden) mit einer derartigen Befunderhebung ist nach unserem Verständnis auch aufgrund der vorgenannten Rasseunklarheiten nicht umsetzbar und nach LHundG NRW auch nicht gefordert.“

Es mag dahingestellt bleiben, so das Verwaltungsgericht Köln, ob die letztgenannte Einschätzung generell zutreffend ist.

Für das vorliegende Verfahren steht damit aber jedenfalls fest, dass eine qualifizierte Einstufung des Hundes Q. als Kreuzungshund gemäß § 3 Abs. 2 LHundG NRW mit einem American Staffordshire Terrier entsprechend den Kriterien der neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster nach Auffassung des Kreisveterinäramtes nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund war auch die Einholung eines anderweitigen Sachverständigengutachtens nicht geboten.

Mangels positiver Feststellungen zum deutlichen Hervortreten der die Rasse des American Staffordshire Terriers besonders charakterisierenden Merkmale kommt hier schließlich die Zweifelsregel des § 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW nicht mehr zur Anwendung.

Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 04.07.2022 – 20 K 1241/21
ECLI:DE:VGK:2022:0704.20K1241.21.00

 

  1. OVG NRW, Urteile vom 17.02.2020 – 5 A 3227/17; vom 12.03.2019 – 5 A 1210/17; OVG NRW, Beschlüsse vom 17.01.2022 – 5 B 1802/20; vom 11.06.2018 – 5 B 222/18 []
  2. OVG NRW, Urteile vom 03.12.2020 – 5 A 1033/18; vom 17.02.2020 – 5 A 3227/17; vom 12.03.2019 – 5 A 1210/12; OVG NRW, Beschlüsse vom 17.01.2022 – 5 B 1802/20; vom 10.10.2017 – 5 B 552/17; vom 04.11.2016 – 5 E 866/15; vom 31.08.2013 – 5 A 2957/11 []
  3. OVG NRW, Urteil vom 03.12.2020 – 5 A 1033/18; Beschluss vom 17.01.2022 – 5 B 1802/20 [] [] []
  4. VG Düsseldorf, Urteile 19.01.2022 – 18 K 411/20; vom 28.10.2021 – 18 K 7879/19; VG Köln, Beschluss vom 30.01.2018 – 20 L 4682/17 []
  5. wikipedia – American Bully, https://de.wikipedia.org/wiki/American_Bully; https://www.zooplus.de/magazin/hund/hunderassen/american-bully [] []
  6. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 07.10.2020 – 19 L 1190/20 []
  7. VG Köln, Beschluss vom 15.06.2021 – 20 L 415/21.

    Neue belastbare Erkenntnisse, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen – so das Verwaltungsgericht nun in seinem Urteil – nicht vor. Die weiteren Ausführungen der Beklagten zu einzelnen Rassemerkmalen des Hundes Q. im Laufe des Hauptsacheverfahrens beruhen sämtlich auf der bereits im Dezember 2020 erfolgten Inaugenscheinnahme des Hundes im Alter von seinerzeit ca. 8 Monaten durch Mitarbeiter des Ordnungsamtes. Hinsichtlich Größe und Gewicht geht die Beklagte dabei von falschen Annahmen aus, da sie seinerzeit die Widerristhöhe offenbar irrtümlich mit 48 cm gemessen hatte. Wie sich aus der aktuellen, im Termin zur mündlichen Verhandlung auf Anforderung des Gerichts vorgelegten Bescheinigung der behandelnden Tierärztin ergibt, hat der Hund aktuell im ausgewachsenen Zustand eine Widerristhöhe von 44 cm und ein Gewicht von 31,5 kg. Dies entspricht den Angaben in dem Gutachten van Veen von April 2021, wo von einer noch zu erwartenden Gewichtszunahme bei damals 29 kg ausgegangen wurde. Der Hund ist damit einerseits deutlich zu klein für einen American Staffordshire Terrier Rüden, wenn er sich auch innerhalb der nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster noch zulässigen Varianz von 10 % bewegt, und andererseits ist er für diese geringe Größe mit 31,5 kg, das nahezu dem von der Beklagten angenommenen Höchstgewicht von 32 kg eines ausgewachsenen Rüden ((https://www.hund-gewicht.de/American-Staffordshire-Terrier/ []

  8. VG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2021 – 18 K 7879/19 []

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