In § 12 Abs. 1 LHundG NRW heißt es:
„Die zuständige Behörde kann die notwendigen Anordnungen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes, abzuwehren.„
Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung u.A. auch eine Begutachtung eines durch einen Beißvorfall auffällig gewordenen Hundes.
Das Verwaltungsgericht Münster hatte nun im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens über einen Fall zu entscheiden, in dem der Hundehalter sich gegen eine solche Anordnung wehrte, weil es keinen Grund für eine solche Begutachtung gäbe und zudem der Amtsveterinär befangen sei.
Der Hundehalter scheiterte mit seinem gegen die Anordnung der Begutachtung gerichteten Antrag.
Das Verwaltungsgericht Münster hat entschieden, dass die an den Antragsteller gerichtete Anordnung, seinen Hund an einen konkreten Tag auf einem Hundeplatz zur Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt vorzuführen, offensichtlich rechtmäßig ist.
Warum?
Rechtsgrundlage für die Anordnung ist § 12 Abs. 1 LHundG NRW.
Hiernach kann die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen treffen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit, insbesondere Verstöße gegen Vorschriften dieses Gesetzes, abzuwehren. Die Vorschrift ermöglicht es der Behörde, zur Gefahrerforschung und Vorbereitung einer Entscheidung über die Gefährlichkeit eines Hundes nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW eine zeitnahe Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt anzuordnen1.
Die unter formellen Gesichtspunkten nicht zu beanstandende Anordnung der Vorführung des Hundes des Antragstellers ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Münster materiell rechtmäßig.
Der Hund hat nach summarischer Prüfung durch ein in § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW benanntes Verhalten Anlass für eine amtstierärztliche Begutachtung gegeben.
Er hat sich nach Aktenlage am 12.08.2021 gegen 8.50 Uhr zwischen dem das Grundstück des Antragstellers zur Straße hin begrenzenden Hoftor und einem darüber gespannten Draht hindurch gezwängt und den davor entlanglaufenden Hund des Zeugen F. durch Biss am Ohr verletzt (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 LHundG NRW). Dies ergibt sich aus der Schilderung des Zeugen F. sowie den dieser beigefügten Unterlagen und wird auch vom Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Mit seinen Angaben im Verwaltungsverfahren, der Hund des Zeugen habe sich unangeleint seinem Hoftor genähert, wodurch sich sein Hund „bedroht gefühlt und […] verteidigt“ habe, räumt er den vorbeschriebenen Beißvorfall ein, ohne – vorbehaltlich der sachverständigen Bewertung durch den amtlichen Tierarzt – eine die Feststellung der Gefährlichkeit ausschließende Verteidigungshandlung im Sinne der Vorschrift („…ohne selbst angegriffen worden zu sein“) darzulegen. Hinzu kommt, dass der Hund des Antragstellers – wie dieser selbst einräumt – auch zuvor bereits den Hund des Zeugen F. ohne Vorwarnung in Hals und Gesicht gebissen hat. Hiervon ausgehend sind auf Rechtsfolgenseite keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO erkennbar.
Der Antragsteller dringt auch nicht mit seinem Vorbringen durch, so das Verwaltungsgericht Münster, er lehne die Begutachtung durch einen amtlichen Tierarzt des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes des Kreises U wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Es ist zunächst nichts dagegen zu erinnern, dass die Antragsgegnerin zur Vereinfachung und Beschleunigung der Abläufe und damit im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr dem Antragsteller einen bereits mit dem Kreisveterinäramt U abgestimmten Termin zur Vorführung des Hundes vorgegeben und damit zugleich die Behörde ausgewählt hat, durch deren amtlichen Tierarzt die Begutachtung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW erfolgen soll. Hiergegen lässt sich nicht einwenden, dass das Gesetz selbst eine Beschränkung auf eine bestimmte Veterinärbehörde nicht vorsieht. Denn nach § 15 LHundG NRW i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 OBG NRW genügt es, wenn von mehreren zur Abwehr einer Gefahr in Betracht kommenden Mitteln eines bestimmt wird. Gemäß § 15 LHundG NRW i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 2 OBG NRW hat der Ordnungspflichtige die Möglichkeit, die Anwendung eines Austauschmittels zu beantragen2.
Ebenso wenig begegnet es nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Münster rechtlichen Bedenken, dass die Begutachtung durch einen (nicht weiter konkretisierten) amtlichen Tierarzt des Kreisveterinäramtes U erfolgen soll. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die zuständige Ordnungsbehörde für die Begutachtung regelmäßig einen amtlichen Tierarzt des Kreisveterinäramtes heranzieht, dessen örtlicher Zuständigkeitsbereich – wie hier – den ihren umfasst (vgl. auch VV LHundG NRW Nr. 3.3.2). Denn dies entspricht nicht nur dem üblichen räumlichen Tätigkeitsbereich des Veterinäramtes und gewährleistet damit zugleich eine insoweit gleichmäßige Auslastung dieser Behörden, sondern deckt sich typischerweise auch mit dem Interesse des betroffenen Hundehalters, die Begutachtung zeitnah in seinem näheren räumlichen Umfeld vornehmen zu lassen. Es sind nach Aktenlage auch keine besonderen Umstände des Einzelfalles erkennbar, nach denen die Antragsgegnerin rechtlich gehalten gewesen wäre, ein anderes Veterinäramt zur Begutachtung heranzuziehen. Dies folgt schon daraus, dass sich der Antragsteller konkret lediglich gegen einen – zwar nicht namentlich bezeichneten, aber aufgrund der Gesamtumstände zweifelsfrei bestimmbaren – amtlichen Tierarzt wendet, für das zur Begutachtung herangezogene Kreisveterinäramt aber (wohl) drei amtliche Tierärzte im Bereich der Heim- und Haustiere tätig sind.
Unter diesen Umständen dürfte der Antragsteller für den Fall einer Mitwirkung der von ihm abgelehnten Person an der Begutachtung angesichts der geltend gemachten Besorgnis der Befangenheit darauf verwiesen sein, eine Verletzung von § 21 Abs. 1 VwVfG NRW im Rahmen von Rechtsbehelfen gegen die abschließende Entscheidung der Antragsgegnerin über die Gefährlichkeit seines Hundes nach § 3 Abs. 3 Satz 1 LHundG NRW geltend zu machen (vgl. § 44a Satz 1 VwGO).
Unabhängig davon sind in Bezug auf den vom Antragsteller abgelehnten amtlichen Tierarzt des Kreisveterinäramtes U nach Aktenlage aber auch keine Gründe ersichtlich, die geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 21 Abs. 1 VwVfG NRW zu begründen, so das Verwaltungsgericht Münster weiter. Dies setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, nicht dagegen, dass der Amtsträger tatsächlich befangen, voreingenommen oder parteiisch ist. Es genügt, wenn vom Standpunkt eines Beteiligten aus gesehen hinreichend objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an seiner Unparteilichkeit zu zweifeln. Die rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen nicht aus3.
Derartige Gründe sind hier nach Aktenlage nicht ersichtlich. Der Antragsteller begründet sein Misstrauen mit dem Verhalten des amtlichen Tierarztes anlässlich der beabsichtigten Begutachtung seines Hundes am 24. Mai 2022. In Bezug auf seinen Kernvorwurf, dieser habe ihn sowohl „direkt als auch indirekt […] als Lügner und Betrüger eingestuft“, den von ihm vorgelegten Heimtierausweis „als gefälscht deklariert“ sowie seinen „Hund als solches in Frage gestellt“, d.h. ihm unterstellt, mit einem anderen Hund erschienen zu sein, legt er aber schon nicht substantiiert dar, welche konkreten tatsächlichen Äußerungen des amtlichen Tierarztes dieser empfundenen Einstufung zu Grunde liegen. Dies wäre allerdings schon deshalb erforderlich gewesen, weil angesichts des unstreitigen Umstands, dass die bei dem Hund ausgelesene Transpondernummer nicht mit der im vorgelegten EU-Heimtierausweis eingetragenen Nummer übereinstimmte, ohne Weiteres Anlass für kritische Nachfragen durch den amtlichen Tierarzt bestand. Die übrigen zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit geltend gemachten Gesamtumstände der (mangels Nachweis einer gültigen Tollwutimpfung nicht mehr durchgeführten) Begutachtung (keine Begrüßung, keine Erläuterung des Ablaufs, mehrere Personen ohne Mund-Nasen-Schutz in den Räumlichkeiten, stressige Umgebung für den Hund u.ä.) sind schon von vornherein nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit des amtlichen Tierarztes zu begründen.
Soweit der Antragsteller darüber hinaus darauf hinweist, dass eine von ihm angebotene „Ausweichmöglichkeit“ verworfen worden sei, und damit der Sache nach die Ablehnung der Gestattung eines Austauschmittels i.S.v. § 15 LHundG NRW i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 2 OBG NRW moniert, berührt dies die hier allein zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Rechtmäßigkeit der Anordnung der Begutachtung seines Hundes nicht, sondern allenfalls die Rechtmäßigkeit der anschließenden Vollstreckung4.
Ohnehin aber hat der Antragsteller bislang nicht – wie es erforderlich wäre – die Gestattung eines konkreten Austauschmittels beantragt, d.h. der Antragsgegnerin (unter Vorlage einer entsprechenden behördlichen Bestätigung) mitgeteilt, dass ein bestimmtes Veterinäramt oder ein konkret benannter amtlicher Tierarzt bereit ist, seinen Hund innerhalb eines bestimmten Zeitraums im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW zu begutachten.
Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung der Vorführung des Hundes des Antragstellers zur Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt liegt ebenfalls vor. Es kann nicht hingenommen werden, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens möglicherweise von dem Hund des Antragstellers ausgehenden Gefahren nur unzureichend vorgebeugt wird. An der zeitnahen Begutachtung des Hundes durch einen amtlichen Tierarzt zur Vorbereitung der abschließenden Entscheidung der Antragsgegnerin über die Gefährlichkeit besteht ungeachtet der bereits mit Ordnungsverfügung vom 30. August 2021 ergriffenen Maßnahmen der vorläufigen Gefahrenabwehr ein gewichtiges öffentliches Interesse, weil die Feststellung der Gefährlichkeit kraft Gesetzes weitergehende Rechtsfolgen hat5.
Verwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 19.10.2022 – 1 L 845/22
ECLI:DE:VGMS:2022:1019.1L845.22.00
- OVG NRW, Beschlüsse vom 22.11.2013 – 5 B 592/13; vom 23.12.2015 – 5 B 850/15 [↩]
- in diese Richtung wohl OVG NRW, Beschluss vom 23.12.2015 – 5 B 850/15; siehe auch zur insoweit vergleichbaren Befugnis der Ordnungsbehörde, im Falle der Untersagung der Hundehaltung eine geeignete Person oder Stelle zur Abgabe des Hundes konkret zu bezeichnen OVG NRW, Beschluss vom 22.02.2017 – 5 B 157/16; a.A. VG Arnsberg, Beschluss vom 29.11.2011 – 3 L 628/11 [↩]
- Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 21 Rn. 11 m.w.N. [↩]
- Nayebagha/Keller, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, 22. Edition (Stand: 1. Juni 2022), § 21 OBG Rn. 11 m.w.N [↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 22.11.2013 – 5 B 592/13 [↩]