Streit um Eigentum am Hund: geschenkt oder zur Pflege?

Es ist nicht selten, dass über das Eigentum an einem Hund gestritten wird.

Das Amtsgericht Schleiden hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Klägerin als ursprüngliche Eigentümerin eines Hundes ihren Hund der Beklagten übergeben hatte und ihn nun wieder herausverlangte. Die Beklagte behauptete, der Hund sei ihr geschenkt worden; die Klägerin behauptete, der Hund sei nur vorübergehend zur Pflege übergeben worden.

Die Herausgabeklage hat das Amtsgericht Schleiden abgewiesen, das Landgericht Aachen hat die hiergegen gerichtete Berufung als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

Aber im Einzelnen:

Die Klägerin übergab der Beklagten den Hund während einer Renovierungs- und Umzugsphase der Klägerin.

Als die Klägerin den Hund später von der Beklagten herausverlangte, verweigerte diese die Herausgabe.

Die Klägerin behauptet, sie habe der Beklagten den Hund zur Aufsicht und Betreuung gegeben bis sie in die neue Wohnung habe ziehen können. Die Suche nach einer geeigneten Tierpension habe sich schwierig gestaltet. Der Vorschlag, die Tiere zu der Bekalgten zu geben, sei dann von einer Zeugin gekommen, ohne dass sie dort zuvor nachgefragt hätte. Die Zeugin habe erklärt, die Klägerin brauche nicht weiter nach einer geeigneten Tierpension zu suchen, da sie und die Beklagte die Beaufsichtigung gerne solange übernehmen würden.

Auch habe sie, die Klägerin, keine Unterlagen die Hunde betreffend herausgegeben.

Die Beklagte behauptet, dass die Klägerin der Beklagten den Hund in Anwesenheit einer Zeugin geschenkt und übergeben habe, da nach ihren Angaben eine Hundehaltung in der neuen Wohnung nicht erlaubt gewesen sei. Die Klägerin sei mit ihren beiden Hunden bei der Zeugin erschienen und habe gefragt, ob sie die Hunde nicht übernehmen wolle, sie wolle sie ihr schenken. Da die Zeugin nicht zwei Hunde habe übernehmen können, habe die Zeugin sie angerufen und gefragt, ob sie einen der Hunde übernehmen könne. Sie habe sich dann zu der Zeugin begeben und dort die Klägerin getroffen. Die Klägerin habe ihr dann mitgeteilt, dass sie die Hunde nicht mit in die neue Wohnung nehmen könne und diese, damit sie sie nicht ins Tierheim geben müsse, der Zeugin und der Beklagten schenkweise übergeben wolle.
Zuvor sei bereits eine weitere Zeugin um schenkweise Übernahme gebeten worden.
Im Rahmen der Übergabe der Hunde habe die Klägerin ihr zudem noch einen kleinen Obulus mitgegeben als kleines Dankeschön und für neue Leinen etc., da das vorhandene Geschirr dem Hund noch zu groß sei.
In diesem Zusammenhang habe die Klägerin auch darauf hingewiesen, dass sie so dankbar für die Übernahme der Hunde sei, dass sie auch gerne eventuell anfallende größere Rechnungen, die durch die Haltung der Hunde entstünden, übernehmen würde. Dies sei für sie nämlich finanziell kein Problem, da sie geerbt habe.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass für sie jedenfalls § 1006 BGB streite. Im Übrigen seien Ahnentafel und EU-Heimtierausweis nicht für einen Eigentumsnachweis geeignet.

Die Entscheidung:

Nach umfangreicher Beweisaufnahme hat das Amtsgericht Schleiden die Klage abgewiesen – und zwar aus folgenden Gründen:

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Herausgabe des Hundes gem. § 985 BGB oder sonstigen Normen zu, wobei gem. § 90a S. 3 BGB die für Sachen geltenden Vorschriften auch auf Tiere wie den hier streitgegenständlichen Hund anwendbar sind. Vielmehr wird zugunsten der Beklagten gesetzlich vermutet, dass sie Eigentümerin des Hundes geworden ist. Diese Vermutung ist klägerseits nicht widerlegt worden.

Zunächst findet § 1006 BGB Anwendung, obwohl die Beklagte behauptet, das Eigentum im Wege der Schenkung erworben zu haben. Denn nach ständiger Rechtsprechung ist der behauptete Erwerbstatbestand für die Anwendbarkeit des § 1006 BGB ohne Bedeutung1. Denn Erwägungen aus den causae des Eigentumserwerbs sind für das Sachenrecht prinzipiell ohne Bedeutung2. Dies folgt schließlich schon aus dem Wortlaut der Norm und dem zuvor genannten sachenrechtlichen Charakter; das Eigentum wird aufgrund des Besitzes und unabhängig von dem Erwerbstatbestand vermutet1.
Zugunsten der Beklagten wird danach sodann gesetzlich vermutet, dass sie Eigentümerin des Hundes ist. Diese Vermutung ist klägerseits nicht widerlegt worden. Konkret wird nach § 1006 BGB vermutet, der Eigenbesitzer einer Sache habe das unbedingte Eigentum zugleich mit dem Besitz erworben und es während der Besitzzeit behalten3. Der Nachweis des Eigenbesitzes ist als Vermutungsgrundlage in diesem Zusammenhang nicht erforderlich. Vielmehr wird für den unmittelbaren Besitzer einer Sache gem. § 1006 Abs. 1 BGB auch vermutet, dass er mit der Erlangung des Besitzes Eigenbesitzer geworden ist4.

Der Klägerin steht es sodann frei, den Beweis des Gegenteils nach § 292 ZPO zu führen. Um diese gesetzliche Vermutung zu widerlegen, hätte der Kläger den Beweis des Gegenteils im Sinne von § 292 ZPO führen müssen5, etwa durch Nachweis des Abhandenkommens oder wenn der Beweis geführt wird, dass der Besitzer Fremdbesitz erwarb oder trotz Erwerbs zu Eigenbesitz kein Eigentum erlangte oder aber der Besitzer das Eigentum nach Besitzerwerb wieder verlor6.

Gemessen an diesen Grundsätzen vermochte das Amtsgericht Schleiden sich aufgrund der Beweisaufnahme nicht von der Widerlegung der Vermutung zu überzeugen, insbesondere nicht dadurch, dass der Hund lediglich zur Aufsicht und Betreuung, bis die neue Wohnung bezogen werde, übergegen worden und die Beklagte im Schluss daraus lediglich Fremdbesitzerin geworden sei.

Gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden. Hierbei regelt § 286 ZPO auch das erforderliche Beweismaß. Weniger als Überzeugung von der Wahrheit reicht für das Bewiesensein nicht aus. Ein bloßes Glauben, Wähnen, Fürwahrscheinlichhalten berechtigt nicht zur Bejahung des streitigen Tatbestandsmerkmales. Umgekehrt kann das Gericht nicht verpflichtet sein, entgegen seiner Überzeugung von einem objektiv wahrscheinlichen Sachverhalt auszugehen7. Absolute Gewissheit wird zwar nicht verlangt, erforderlich ist aber subjektive Überzeugung, welche den vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen8. Entscheidend ist, ob das Gericht die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann9.

Ein solcher Grad an Gewissheit war vorliegend für das Amtsgericht Schleiden nicht gegeben. Die Parteien haben zu dem Geschehensablauf ebenso unterschiedlich ausgesagt wie die Zeugen.

Auch, dass die weiteren Papiere wie Ahnentafel und EU-Heimtierausweis bei der Klägerin verblieben sind, führen nicht zu einer anderen Einschätzung. Denn das Eigentum daran folgt nach Auffassung des Gerichts gem. §§ 985, 952 BGB analog aus dem Eigentum an dem Tier. Insoweit streitet für Beklagte nach den obigen Ausführungen schon die Vermutung nach § 1006 BGB. Dagegen vermag alleine der Besitz der zuvor genannten Papiere diese Vermutung nicht erschüttern. Denn selbst bei Eintragung ergibt sich daraus alleine keine Eigentümerstellung. In dem als „Chip-Ausweis“ ist die Klägerin zudem lediglich als Besitzerin eingetragen. Nach Auffassung des Amtsgerichts Schleiden handelt es sich um einen dokumentierenden Charakter, nicht um einen die Eigentümerstellung konstituierenden Charakter. Gleiches gilt für die Ahnentafel. Nach unbestrittenem Vortrag dient die Eintragung ausschließlich dazu, im Falle einer Zucht nachvollziehen zu können, in wessen Händen sich der betreffende Hund einmal befand. Die Eintragungen werden immer nur von dem jeweiligen Vorbesitzer vorgenommen. Insoweit sind diese Unterlagen auch für die Eigentumsübertragung irrelevant.

Auch die Vermutung des § 1006 Abs. 2 BGB steht den obigen Ausführungen nicht entgegen. Danach wird zugunsten eines früheren Besitzers vermutet, dass er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der gewesen ist. Insoweit mag zwar davon auszugehen sein, dass auch der Fortbestand des Eigentums eines früheren Besitzers nach vorgenannter Vorschrift vermutet wird und dass diese Vermutung über die Beendigung des Besitzes hinaus so lange fortdauert, bis sie widerlegt ist4. Die Eigentumsvermutung nach § 1006 Abs. 2 BGB tritt allerdings zurück, wenn sich ein späterer Besitzer auf die Vermutung nach § 1006 Abs. 1 BGB berufen kann4. Infolgedessen wird die Vermutung zugunsten der Beklagten nicht bereits durch den Nachweis widerlegt, dass die Klägerin selbst zu einem vormaligen Zeitpunkt als dem Besitzübergang Eigentümer war. Erforderlich ist vielmehr der Nachweis, dass die Beklagte trotz des Besitzerwerbs nie Eigentümer geworden ist6. Dies ist jedoch nach den obigen Ausführungen nicht bewiesen worden.

Weitere, durchgreifende Herausgabeanspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Sowohl für vertragliche als auch für bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen ist die Klägerin grds. darlegungs- und beweisbelastet. Dies gilt insbesondere auch für Ansprüche nach §§ 812 ff. BGB. Nach dem Wortlaut des § 812 gehört die Frage, ob dem Vermögenszufluss der Rechtsgrund fehlt, zum Tatbestand des Bereicherungsanspruchs. Daraus wird für die Leistungskondiktion mit Recht der Schluss gezogen, dass der Bereicherungsgläubiger das Fehlen des Rechtsgrundes zu beweisen hat. Dies gilt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch für Rechtsgründe, die der Empfänger zur Verteidigung gegen die Herausgabepflicht hilfsweise vorträgt10. Im Bereich der Nichtleistungskondiktion wollen der Bundesgerichtshof und ein Teil des Schrifttums ebenso dem Bereicherungsgläubiger die Beweislast für das Fehlen des Rechtsgrundes auferlegen11.
Die entsprechenden Nachweise sind nach den obigen Ausführungen nicht zur Überzeugung des Gerichts erfolgt.
Die Klägerin trägt als darlegungs- und beweisbelastete Partei den prozessualen Nachteil dafür, dass ihr die entsprechenden Nachweise nicht gelungen sind. In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass der Anspruchsteller die volle Beweislast für die Voraussetzungen seines Anspruchs trägt. Wer eine Rechtsfolge für sich in Anspruch nimmt, hat die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen12.

Die Berufungsinstanz:

Das Landgericht Aachen hat die Berufung gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Schleiden zurückgewiesen13.

Zutreffend hat das Amtsgericht Schleiden – so das Landgericht Aachen14 – zunächst zugrunde gelegt, dass die Klägerin für ihre Behauptung, die Beklagte habe Sissi lediglich zur vorübergehenden Pflege erhalten, voll beweisbelastet ist, da der Beklagten die Vermutung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB zugutekommt. Die Beklagte hat vorliegend zunächst nur den unmittelbaren Besitz als Tatsachenbasis der Vermutung vorzutragen und zu beweisen, nicht aber die den Eigentumserwerb begründenden Tatsachen. Der Vermutungsgegner – die Klägerin – hat zur Erschütterung der Eigentumsvermutung die Vermutungsbasis gemäß § 292 ZPO zu widerlegen. Hierfür genügt nicht schon das bloße Bestreiten der Umstände des Erwerbes; der Gegner – die Klägerin – muss vielmehr beweisen, dass der Besitzer – die Beklagte – beim Besitzerwerb aufgrund seiner Willensrichtung nur Fremdbesitz erworben und somit keinen Eigenbesitz begründet hat, indem er etwa den behaupteten Kauferwerb oder die behauptete Schenkung widerlegt15.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hält die amtsgerichtliche Beweiswürdigung berufungsgerichtlicher Überprüfung uneingeschränkt stand.

Auf Grundlage der völlig widersprüchlichen Angaben der Parteien sowie der Zeugen ist es schlichtweg nicht möglich, den Sachverhalt eindeutig aufzuklären, da die klägerische Darstellung ebenso zweifelhaft wie die beklagtenseitige Darstellung erscheint, sodass eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen nicht zu beanstanden ist.

Amtsgericht Schleiden, Urteil vom 14.12.2022 – 9 C 75/22

Landgericht Aachen, Beschluss vom 22.06.2023 – 5 S 1/23

  1. BGH, Urteil vom 30.01.2015 – V ZR 63/13 [] []
  2. MüKo-BGB/Raff, 8. Aufl. 2020, BGB § 1006 Rn. 70 []
  3. MüKo-BGB/Raff, 8. Aufl. 2020, BGB § 1006 Rn. 45 []
  4. BGH, Urteil vom 03.03.2017 – V ZR 268/15; LG Dortmund, Urteil vom 11.10.2019 – 4 O 385/18 [] [] []
  5. BGH, Urteil vom 04.02.2002 – II ZR 37/00 []
  6. LG Dortmund, Urteil vom 11.10.2019 – 4 O 385/18 [] []
  7. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage 2018, § 286 Rn. 18 []
  8. BGH, Urteil vom 17.02.1970 – III ZR 139/67 []
  9. BGH, Urteil vom 18.01.2000 – VI ZR 375/98 []
  10. MüKo-BGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 457 []
  11. MüKo-BGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 465 []
  12. Thomas/Putzo, ZPO, 41. Auflage 2020, Vorb. § 284 Rn. 23 []
  13. LG Aachen, Beschluss vom 22.06.2023 – 5 S 1/23 []
  14. LG Aachen, Hinweisbeschluss vom 22.05.2023 – 5 S 1/23 []
  15. BGH, Urteil vom 30.01.2015 – V ZR 63/13, NJW 2015, 1678 []