Ordnet eine Behörde eine Haltungsuntersagung für einen Hund an, bringt sie selbigen in der Regel zunächst in einem Tierheim unter. Der (bisherige) Hundehalter hängt aber zumeist an seinem Hund und möchte ihn gerne sehen. Dies wird den Haltern aber regelmäßig seitens der Behörden und der Tierheime verweigert.
Zu Unrecht, wie das Oberverwaltungsgericht Münster nun in einem Eilverfahren entschieden hat.
In dem konkreten Fall hat das Oberverwaltungsgericht Münster auf die Beschwerde der Antragsteller die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Köln vom 21.11.20221 verpflichtet, den Antragstellern zu ermöglichen, ihren Hund „J.“ vorläufig während der regelmäßigen Betriebsöffnungszeiten des Tierheims zwei Mal wöchentlich jeweils bis zu 30 Minuten zu besuchen.
Worum ging es konkret?
Dem Antragsteller zu 2. wurde mit insoweit bestandskräftiger Ordnungsverfügung die Haltung seines Hundes untersagt. Die Abgabeanordnung mit Entzug des Hundes war sofort vollziehbar. Auch mit Blick auf die Antragstellerin zu 1. sah das Verwaltungsgericht Köln keinen Anspruch auf Zugangsgewährung1. Die geltend gemachte Haltereigenschaft der Antragstellerin zu 1. sei zweifelhaft, weil sie weder die Haltung des Hundes angezeigt noch die Sachkundebescheinigung eingereicht habe. Ihre Eigentümerstellung sei nicht glaubhaft gemacht. Selbst bei unterstellter Halter- oder Eigentümerstellung sei aber eine Anspruchsgrundlage für ein Zugangsrecht eines auf der Grundlage einer sofort vollziehbaren Ordnungsverfügung untergebrachten Hundes nicht ersichtlich. Ein solches folge insbesondere nicht aus einer unterstellten Eigentümerstellung, wenn beachtliche organisatorische und personelle Hinderungsgründe durch das Tierheim sowie Belange des Tierwohls geltend gemacht würden. Es fehle an einem Anordnungsgrund mit Blick auf den Antragsteller zu 2. bereits wegen der bestandskräftigen Haltungsuntersagung. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1. kämen die gleichen Erwägungen zum Tragen, weil sich alle relevanten Beißvorfälle mit dem Hund vom gemeinsamen Grundstück aus und in Anwesenheit der Antragstellerin zu 1. ereignet hätten. Dem im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Herausgabeanspruch an die Antragstellerin zu 1. stünden darüber hinaus Bedenken entgegen, weil dadurch dem Antragsteller zu 2. wieder Mitbesitz und Verfügungsgewalt über den Hund eingeräumt würde.
Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster:
Das Oberverwaltungsgericht Münster hat eine gänzlich andere Auffassung.
Das Begehren der Antragsteller ist dahingehend zu verstehen, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Tierheim, mit welchem diese ein Verwahrverhältnis begründet hat2 auf die Realisierung der Besuche von „J.“ hinwirken soll.
Der Anspruch der Antragsteller ergibt sich unmittelbar aus ihrer Eigentümerstellung, vgl. (Art. 14 Abs. 1 GG i. V. m.) § 903 Satz 1 BGB. Es ist davon auszugehen, dass die Antragsteller beide Eigentümer des Hundes „J.“ sind. Für ihre Eigentümerstellung streitet bereits § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB. Für die Widerlegung der Vermutung sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch erkennbar. Der Hund lebte nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag bis zur Vollziehung der Ordnungsverfügung im gemeinsamen Haushalt der Antragsteller. Die Antragsgegnerin zweifelt im Übrigen das (Mit-)Eigentum der Antragstellerin zu 1. nicht (mehr) an.
Dies begründet im Übrigen – ohne dass es vorliegend darauf ankommt, wie die Antragsgegnerin zwischenzeitlich konzediert hat – auch die Haltereigenschaft der Antragstellerin zu 1. Für die Eigenschaft als Tierhalter kommt es maßgeblich auf das tatsächliche, umfassende Sorgeverhältnis gegenüber einem Tier an. Dabei ist darauf abzustellen, in wessen Gesamtinteresse das Tier gehalten wird und wessen Wirtschaftsbetrieb oder Haushalt es dient. Mehrere Personen können nebeneinander und gleichzeitig Halter eines Tieres sein. Die Eigentumsverhältnisse an dem Hund sind auch für die Haltereigenschaft im Sinne des Landeshundegesetzes nicht entscheidend, vielmehr ist auf die Bestimmungsmacht über das Tier abzustellen. Halter eines Hundes, der im gemeinsamen Haushalt eines Ehepaars lebt, sind regelmäßig beide Eheleute3.
Dem Anspruch stehen – so das Oberverwaltungsgericht Münster weiter – weder das Gesetz noch Rechte Dritter entgegen, vgl. § 903 Satz 1 BGB. Hinsichtlich des Antragstellers zu 2. gilt dies insbesondere für das Landeshundegesetz, konkretisiert durch die ihm gegenüber ergangene Ordnungsverfügung. Dem Antragsteller zu 2. ist zwar die Haltung des Hundes bestandskräftig untersagt. Die auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW ergangene Abgabeanordnung (Nr. 3 der Ordnungsverfügung vom 8. Juli 2022) ist auch vollzogen. Die von den Antragstellern begehrten Besuche bei dem Hund im Tierheim stehen aber weder mit der Haltungsuntersagung noch mit der Abgabeanordnung in Konflikt.
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW kann im Fall der Haltungsuntersagung angeordnet werden, dass der Hund dem Halter entzogen wird und an eine geeignete Person oder Stelle abzugeben ist. Der Gesetzgeber hat in § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG NRW – der das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 GG einschränkt, vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. § 18 Nr. 3 LHundG NRW – Entziehung und Abgabe zusammengefasst, um damit den einheitlichen Vorgang der „Wegnahme“ bzw. „Abschaffung“ des Hundes und den damit verbundenen Gewahrsamswechsel zum Ausdruck zu bringen. Entscheidend ist, dass derjenige, dem die Haltung seines Hundes untersagt wurde und der nicht über eine entsprechende Erlaubnis zum Halten des Tieres verfügt, mit dem Tier nicht mehr umgehen soll4.
Hiermit ist nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster auch vor dem Hintergrund des Gesetzesvorbehalts aber nicht ausgeschlossen, dass der ehemalige Halter, der bis zur Verwertung oder einer anderweitigen Aufgabe des Eigentums des Tieres Eigentümer bleibt, sein Tier sehen und z. B. streicheln darf. Durch den bloßen Besuch wird kein Gewahrsam der Antragsteller in dem Sinne begründet, dass sie den Hund für den betreffenden Zeitraum halten oder ihn ausführen. Die im oben beschriebenen Sinn verstandene Haltung des Tieres verbleibt beim Tierheim. Gefahrenabwehrrechtliche Aspekte, die eine weitergehende Beschränkung der Eigentümerrechte rechtfertigen, sind im Übrigen weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Die Antragsgegnerin ging vielmehr selbst davon aus, dass „grundsätzliche ordnungsbehördliche Bedenken gegen ein Besuchsrecht“ nicht bestehen.
Tierschutzrechtliche Gesichtspunkte stehen der Ausübung des Eigentumsrechts ebenfalls nichts entgegen. Eine entsprechende, auf Vorschriften des Tierschutzgesetzes gestützte Ordnungsverfügung existiert (bisher) nicht. Die vom Tierheim vorgetragene Schädlichkeit des Vorhandenseins mehrerer Bezugspersonen dürfte im Übrigen – auch mit Blick auf den ungeachtet der Frage der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung ungeklärten künftigen Verbleib von „J.“ – nicht tragfähig sein. Es ist darüber hinaus weder substantiiert vorgetragen noch erkennbar, dass ein Besuch der Antragsteller unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, gegebenenfalls verbunden mit bestimmten Auflagen, nicht tierschutzrechtlich verträglich durchgeführt werden könnte.
Die Antragsgegnerin verweist zur Begründung der Verwehrung des Besuchsrechts außerdem auf personelle und organisatorische Schwierigkeiten des Tierheims, das einen Besuch nicht gewährleisten könne. Diese Aspekte sind aber vorliegend nicht geeignet, die Eigentümerrechte der Antragsteller so weitgehend einzuschränken; sie stellen insbesondere keine Rechte Dritter i. S. v. § 903 Satz 1 BGB dar. Gegebenenfalls ist die Antragsgegnerin, die für die Verwahrung des Tieres verantwortlich ist, verpflichtet, das von ihr beauftragte Tierheim anzuweisen oder ggf. eine anderweitige Unterbringung zu wählen, die die grundrechtlich gesicherte Eigentumsposition einstweilen sichert.
Ein Anordnungsgrund ist mit Blick auf die Ausführungen der Antragsteller zur Aufrechterhaltung einer Bindung zu dem Hund als Lebewesen und vor dem Hintergrund der Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.
Oberverwaltungsgericht Münster, Beschluss vom 14.11.2023 – 5 B 1277/22
ECLI:DE:OVGNRW:2023:1114.5B1277.22.00
Anmerkung:
Aus unserer Sicht handelt es sich um eine bemerkenswerte Entscheidung. Jeder Hundehalter muss sich natürlich überlegen, was für seinen Hund besser ist, wenn er ihn schlussendlich doch abgeben muss. Bei allem Respekt für die Arbeit der Tierheime halten wir es für gut, dass das Oberverwaltungsgericht Münster nun der sehr häufig anzutreffenden Arroganz von Behörden und leider auch vielen Tierheimen einmal einen Riegel vorgeschoben hat.
- VG Köln, Beschluss vom 21.11.2022 – 20 L 1669/22 [↩] [↩]
- vgl. unter Qualifizierung als privatrechtlicher Vertrag Braun, in: Möstl/Kugelmann, BeckOK Polizei- und Ordnungsrecht NRW, Stand 15. Juli 2023, § 44 Rn. 10 [↩]
- vgl. zur Eigenschaft als Tierhalter OVG NRW, Beschlüsse vom 25.07.2018 – 5 B 674/18; vom 18.09.2015 – 5 E 470/15, 5 B 547/15; vom 18.05.2011 – 5 B 1323/10; Bay. VGH, Beschlüsse vom 10.03.2017 – 10 ZB 17.136; vom 18.09.2013 – 10 CS 13.1544 [↩]
- OVG NRW, Beschlüsse vom 30.05.2018 – 5 E 227/18 ; vom 05.02.2018 – 5 E 45/17; jeweils unter Verweis auf die Gesetzesbegründung, LT-Drucks. 13/2387, S. 33.13 [↩]