Mieter sind in der Regel wenig begeistert, wenn der Vermieter eine Wohnungsbesichtigung ankündigt.
Die Begeisterung sinkt dann zudem eher in den negativen Bereich, wenn die Wohnungsbesichtigung mit einem Sachverständigen erfolgen soll, um mit dessen Gutachten eine Mieterhöhung zu begründen.
Hat der Vermieter in einem solchen Fall einen Anspruch darauf, die Wohnung mit einem Sachverständigen zu besichtigen?
Der Bundesgerichtshof hat diese Frage nun bejaht.
Worum ging es konkret?
Der Beklagte ist seit Juli 2014 Mieter einer Doppelhaushälfte der Klägerin. Die Nettokaltmiete beträgt seit Mietbeginn 1.800 € im Monat zuzüglich monatlicher Vorauszahlungen auf die Betriebskosten in Höhe von 150 €.
Die Klägerin beabsichtigt, die Miete für die vom örtlichen Mietspiegel nicht erfasste Doppelhaushälfte bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen (§ 558 BGB), und hat zu deren Ermittlung einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.
Den von der Klägerin mehrfach erbetenen Zutritt zum Mietobjekt in Begleitung des Sachverständigen verweigerte der Beklagte mit der Begründung, das Gutachten zur Vorbereitung des Mieterhöhungsverlangens könne auch ohne eine Besichtigung des Mietobjekts angefertigt werden.
Die auf Duldung des Betretens der Doppelhaushälfte durch die Klägerin und einen von ihr beauftragten Sachverständigen nach schriftlicher Vorankündigung von mindestens einer Woche sowie auf die Ermöglichung des Zutritts durch den Beklagten zu bestimmten Zeiten an Werktagen gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht Erding1 im Wesentlichen Erfolg gehabt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist beim Landgericht Landshut2 ohne Erfolg geblieben.
Das Landgericht Landshut hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Den Mieter treffe eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gebe. Ein solcher sachlicher Grund liege in der Absicht der Klägerin, die Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen (§ 558 BGB) und zwecks Vorbereitung dieser Mieterhöhung das Mietobjekt – in Begleitung eines Sachverständigen – zu besichtigen, um es ihr anschließend zu ermöglichen, auf rechtssicherem Weg das Mieterhöhungsverlangen aussprechen zu können.
Die vorliegend gebotene Interessenabwägung zwischen der Unverletzlichkeit der Wohnung und dem Besitzrecht des Beklagten einerseits (Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG) sowie dem Schutz des Eigentums der Klägerin andererseits (Art. 14 Abs. 1 GG) führe zu einem Zutrittsrecht der Klägerin. Sie habe als Vermieterin ein berechtigtes und schützenswertes Interesse daran, auf rechtssicherem Wege eine Mieterhöhung vorbereiten zu können.
Zwar treffe es zu, dass – für die Vergleichsmietenerhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB maßgebende – Umstände wie etwa die Größe oder die Lage des Wohnraums auch ohne Besichtigung des Inneren der Mietsache beurteilt werden könnten. Jedoch zähle zur gemäß § 558 Abs. 2 BGB für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ebenfalls maßgebenden Beschaffenheit des Wohnraums auch dessen Erhaltungszustand beziehungsweise Instandhaltungsgrad. Dieser könne ohne Besichtigung der Räumlichkeiten durch einen Sachverständigen nicht fachkundig beurteilt werden. Im Ergebnis liege ein relativ geringer Eingriff in die grundrechtlich geschützte
Rechtsposition des beklagten Mieters vor und wiege das Eigentumsinteresse der Klägerin höher.
Der Bundesgerichtshof stimmt dieser Auffassung in seiner Entscheidung zu.
Die Entscheidung:
Das Landgericht Landshut hat nach Auffassung des Bundesgerichtshofs rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Gewährung des Zutritts zu der vom Beklagten angemieteten Doppelhaushälfte – gemeinsam mit dem von ihr mit der Erstellung eines Gutachtens zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete beauftragten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) – gemäß § 242 BGB in Verbindung mit dem streitgegenständlichen Mietvertrag zusteht.
Den Mieter trifft eine vertragliche, aus § 242 BGB herzuleitende Nebenpflicht, dem Vermieter – nach entsprechender Vorankündigung – den Zutritt zu seiner Wohnung zu gewähren, wenn es hierfür einen konkreten sachlichen Grund gibt3. Bei der Prüfung, ob ein solcher konkreter sachlicher Grund vorliegt, ist einerseits dem Eigentumsrecht des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 GG), andererseits auch dem Recht des Mieters, in den Mieträumen „in Ruhe gelassen“ zu werden (Art. 13 Abs. 1 GG), und seinem ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht am Besitz der Mietwohnung Rechnung zu tragen. Die Tatgerichte sind insofern gehalten, die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechtspositionen der Vertragsparteien zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen4.
Dies hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall, so der Bundesgerichtshof weiter, rechtsfehlerfrei getan.
Das Landgericht Landshut hat zutreffend angenommen, dass das Interesse der Klägerin, die Mietsache zwecks Vorbereitung einer Vergleichsmietenerhöhung (§ 558 Abs. 1 BGB) durch einen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragten öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) zu besichtigen, einen sachlichen Grund im vorgenannten Sinne darstellt und dass die mit dieser Besichtigung einhergehenden lediglich geringfügigen Beeinträchtigungen der von Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen des beklagten Mieters hinter die ebenfalls von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Klägerin, als Eigentümerin eine am örtlichen Markt orientierte, die Wirtschaftlichkeit der Mietsache regelmäßig sicherstellende Miete zu erzielen5, zurücktreten.
Nach § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist. Gemäß § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB sind für die ortsübliche Vergleichsmiete die Entgelte maßgebend, die für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit gelten. Das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nach § 558 BGB ist dem Mieter gegenüber in Textform zu erklären und zu begründen (§ 558a Abs. 1 BGB). Nach § 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB kann der Vermieter zur Begründung auf ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Bezug nehmen.
Zutreffend, so der Bundesgerichtsof weiter, ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass zur Beschaffenheit der Mietsache im Sinne des § 558 Abs. 2 BGB auch deren Erhaltungszustand gehört6, welcher grundsätzlich nur im Rahmen einer Besichtigung auch des Inneren der Wohnräume festgestellt werden könne. Damit besteht im Hinblick auf das Interesse der Klägerin, dem mit der Gutachtenerstellung beauftragten Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) eine Besichtigung der Doppelhaushälfte zu ermöglichen, damit dieser die ortsübliche Vergleichsmiete möglichst rechtssicher ermitteln und die Klägerin hierauf gestützt ein Mieterhöhungsverlangen erklären kann, ein sachlicher Grund für den erstrebten Zutritt zur Wohnung.
Entgegen der Ansicht der Revision ist ein Betretungsrecht der Klägerin als Vermieterin gemeinsam mit dem Sachverständigen, auf dessen Gutachten die Klägerin zur gebotenen Begründung ihres Mieterhöhungsverlangens (§ 558a Abs. 1 BGB) Bezug nehmen möchte, nicht deshalb zu verneinen, weil die Besichtigung des Mietobjekts nicht erforderlich sei, um ein Mieterhöhungsverlangen (§ 558 Abs. 1 BGB) formell wirksam erklären zu können.
Zwar verweist die Revision insoweit zutreffend darauf, dass nach der Rechtsprechung des Senats ein Mieterhöhungsverlangen nach § 558 Abs. 1 BGB nicht deshalb formell unwirksam ist, weil sich der Vermieter zur Begründung der Mieterhöhung auf das Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen (§ 558a Abs. 2 Nr. 3 BGB) stützt, welcher die Wohnräume nicht besichtigt hat7.
Anders als die Revision meint, folgt hieraus jedoch nicht, dass den schutzwürdigen Belangen des Mieters, in den Mieträumen „in Ruhe gelassen“ zu werden, der Vorrang vor denjenigen des Vermieters an einer Besichtigung des Mietobjekts einzuräumen wäre und es in Fällen dieser Art (stets) am Vorliegen eines sachlichen Grunds für einen Zutritt zur Wohnung fehlen würde.
Denn der Umstand, dass der Vermieter zur Wahrung der formellen Anforderungen eines Mieterhöhungsverlangens (§ 558a BGB) nicht zwingend darauf angewiesen ist, dass der mit der Erstellung eines Miethöhegutachtens beauftragte Sachverständige die Mieträumlichkeiten zuvor besichtigt hat, ändert nichts daran, dass ein Interesse des Vermieters daran besteht, eine Mieterhöhungserklärung, die im Falle einer fehlenden Zustimmung des Mieters die Grundlage eines prozessualen Klagebegehrens bilden kann, unter Beachtung sämtlicher Einzelfallumstände auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtssicher zu erklären. Dies bedingt, dass die Beschaffenheit der Wohnung im Sinne des § 558 Abs. 2 BGB aufgrund einer – regelmäßig gebotenen – Besichtigung möglichst realitätsnah in die Begutachtung und damit in die durch den Sachverständigen ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete einfließt.
Zudem sind die Quellen der Sachkunde des Sachverständigen für die Beurteilung der Qualität des Gutachtens bedeutsam und handelt es sich bei der Besichtigung der Wohnung vor Gutachtenerstellung auch deshalb um eine im Interesse des Vermieters liegende Maßnahme, weil sie aufgrund der Berücksichtigung etwaiger besonderer Eigenheiten des konkreten Mietobjekts geeignet ist, überflüssige Prozesse zu vermeiden, indem sie die Bereitschaft des Mieters zu einer außergerichtlichen Einigung fördert8, so der Bundesgerichtshof abschließend.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2023 – VIII ZR 77/23
- AG Erding, Urteil vom 31.10.2022 – 107 C 1097/22 [↩]
- LG Landshut, Urteil vom 22.03.2023 – 15 S 2916/22 [↩]
- BGH, Urteile vom 04.06.2014 – VIII ZR 289/13, NJW 2014, 2566; vom 26.04.2023 – VIII ZR 420/21, NZM 2023, 542 [↩]
- Urteil vom 26.04.2023 – VIII ZR 420/21 [↩]
- BVerfGE 37, 132, 140, 142; 53, 352, 357; 79, 80, 85; BGH, Urteil vom 20.06.2007 – VIII ZR 303/06, NJW 2007, 2546 [↩]
- Staudinger/V. Emmerich, BGB, Neubearb. 2021, § 558 Rn. 53; Schmidt-Futterer/ Börstinghaus, Mietrecht, 15. Aufl., § 558 BGB Rn. 77; Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Aufl., § 558 Rn. 16; BeckOK-Mietrecht/Theesfeld-Betten, Stand: 1. August 2023, § 558 BGB Rn. 43 [↩]
- BGH, Urteile vom 11.07.2018 – VIII ZR 190/17; vom 11.07.2018, NJW 2018, 2792 [↩]
- BGH, Urteile vom 11.07.2018 – VIII ZR 190/17, vom 11.07.2018; Fleindl, NZM 2018, 744 [↩]