Man sollte des Nachbars Baum nicht massakrieren – das kann kosten

Immer wieder gibt es Probleme zwischen Nachbarn wegen Büschen und Bäumen, die den Nachbarn stören.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat nun entschieden, dass ausnahmsweise die vollen Wiederbeschaffungskosten zuzuerkennen sind „wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden“.

Worum ging es konkret?

In dem entschiedenen Fall sind die Parteien Nachbarn.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen Grundstücks im Vordertaunus mit rund 70-jährigem Baumbestand. Der Baum- und Strauchbestand wird jährlich mehrfach durch ein Fachunternehmen beschnitten. An den hinteren Gartenbereich grenzt u.a. das Grundstück des Beklagten. Im Abstand von 1,60 m hierzu steht auf dem klägerischen Grundstück eine Birke, im Abstand von 3,35 m ein Kirschbaum. Beide Bäume waren zum Zeitpunkt des Erwerbs des Beklagten schon lange vorhanden. Die Klägerin war einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüberhängenden Äste der Gehölze zurückschneidet.

Ende Mai 2020 betrat der Beklagte das klägerische Grundstück in ihrer Abwesenheit und führte gravierende Schnittarbeiten unter anderem an den beiden Bäumen durch. An der Birke verblieb kein einziges Blatt. Der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum wurde vollständig eingekürzt. Ob sich die Bäume wieder vollständig erholen oder die derzeitigen Triebe allein sog. Nottriebe sind, die an dem Absterben nichts ändern, ist zwischen den Parteien streitig.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat der auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von knapp 35.000 € gerichteten Klage in Höhe von gut 4.000 € stattgegeben1.

Es führte aus, dass die Wertminderung der Bäume sowie die Kosten für die Entsorgung des Schnittguts zu ersetzen seien.

Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zum Oberlandesgericht Frankfurt am Main führte zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

Warum?

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist der Auffassung, dass der Sachverhalt zur Bemessung des Schadensersatzes weiter aufzuklären ist.

Nach gefestigter Rechtsprechung sei bei der Zerstörung eines Baumes in der Regel nicht Schadensersatz in Form von Naturalrestitution zu leisten, da die Ersatzbeschaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes regelmäßig mit besonders hohen und damit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei.

Der Schadensersatz richte sich vielmehr üblicherweise auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baumes sowie einen Ausgleichsanspruch für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Diese Werteinbuße sei zu schätzen. Nach einer insoweit möglichen Bewertungsmethode könnten dafür die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und anschließend kapitalisiert werden. Dieser Wert sei um eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände zu bereinigen. 

Ausnahmsweise seien die vollen Wiederbeschaffungskosten zuzuerkennen, „wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden“, so das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.

Aufzuklären sei deshalb bei der Bewertung des Schadensersatzes die Funktion der Bäume für das konkrete Grundstück. Zu berücksichtigen sei dabei auch der klägerische Vortrag, wonach es ihr bei der sehr aufwändigen, gleichzeitig naturnahen Gartengestaltung auch darauf angekommen sei, Lebensraum für Vögel und sonstige Tiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff zu leisten.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 060.2.2024 – 9 U 35/23

  1. Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 23.05.2023, Az. 2-07 O 264/20 []

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