Dauerhafter Einsatz von Antibell-Halsbändern ist tierschutzwidrig

Manch ein Hund bellt mehr als andere Hunde. Wenn er aber extrem viel bellt, wird es für Halter und Nachbarschaft schwierig.

Für manchen Hundehalter liegt es dann nahe, dem Hund ein „Antibell-Halsband“ anzulegen. Wenn solche automatisch mit akustischem und Vibrations-Signal der Hunde auf das Bellen reagieren, ist dies nach einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen tierschutzwidrig – jedenfalls, wenn dieses Halsband dauerhaft angelegt wird.

Worum ging es konkret?

Der Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Halter der beiden 10 bzw. 12 Jahre alten Hunde und werden von dem Kläger für die Jagd gehalten.

Aufgrund einer anonymen Tierschutzbeschwerde wurde die Hundehaltung durch die Amtsveterinärin Geicht überprüft. Dabei wurde u.a. festgestellt, dass die beiden Hunde in einer 6 m x 20 m großen Zwingeranlange im Garten gehalten werden. Dort steht ihnen eine ca. 4 m große beheizte Schutzhütte mit wärmegedämmten Liegeplätzen zur Verfügung. Die Haltungseinrichtung befand sich in einem sauberen und ordnungsgemäßen Zustand. Der Kläger gab gegenüber der Amtsveterinärin an, dass die Hunde ausschließlich jagdlich geführt werden. Über den Umfang, das Ausmaß bzw. die Regelmäßigkeit der jagdlichen Nutzung wurden keine konkreten Angaben gemacht. Normale Spaziergänge seien aufgrund des ausgeprägten Jagdverhaltens der Hunde nicht möglich und auch nicht erforderlich.

Weiter wurde festgestellt, dass beide Hunde dauerhaft das Antibell-Halsband „Antibark Vibra Trainer 2.0″ der Firma PetTec tragen, welches jeweils automatisch mit akustischem und Vibrations-Signal den Hunden das Bellen abgewöhnt habe.

Das Bellen der Hunde sei aufgrund von Beschwerden in der Nachbarschaft ein unerwünschtes Verhalten. Durch die dauerhafte Verwendung der Antibell-Halsbänder hätten sich beide Hunde erfolgreich das Bellen abgewöhnt; es würde keiner der beiden Hunde mehr bellen.

Nach Anhörung untersagte die Beklagte mit Ordnungsverfügungen sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber der Ehefrau die Verwendung von Antibell-Halsbändern, welche die Anwendung von Strafreizen nutzen, ab sofort und dauerhaft. Gleichzeitig wurde aufgegeben, den im Zwinger gehaltenen Hunden P. und U. ab sofort zweimal täglich für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf im Freien außerhalb der Haltungseinrichtung zu gewähren.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht Aachen abgewiesen.

Warum?

§ 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG ermächtigt die Behörde, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung zukünftiger Verstöße notwendigen Anordnungen zu treffen. Sie kann nach § 16a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierSchG insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. § 2 Nr. 1 TierSchG regelt die Verpflichtung eines Tierhalters oder -betreuers, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Darüber hinaus darf nach § 2 Nr. 2 TierSchG die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so eingeschränkt werden, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.

Bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind kommt dem Amtsveterinär aber eine vorrangige Beurteilungskompetenz zu. Das Gutachten eines Amtsveterinärs ist grundsätzlich ausreichend und maßgeblich dafür, einen Verstoß gegen die Grundpflichten zur artgerechten Tierhaltung nach § 2 TierSchG nachzuweisen. Es ist zwar möglich, die getroffenen Feststellungen substantiiert durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften oder dort beschäftigten Fachtierärzten in Frage zu stellen. Schlichtes Bestreiten des Halters vermag die Aussagekraft der amtstierärztlichen Beurteilung jedoch nicht zu entkräften. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich.1

Anderes gilt nur, wenn das Gutachten selbst von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unauflösbare Widersprüche aufweist, Zweifel an der Sachkunde und Unparteilichkeit aufwirft und im Hinblick auf die gutachterlich zu treffenden Feststellungen und deren Herleitung und Begründung unvollständig ist.2

Ausgehend hiervon sind – so das Verwaltungsgericht Aachen weiter – die Untersagung der dauerhaften (!) Verwendung eines Antibell-Halsbandes sowie die Anordnung, den im Zwinger gehaltenen Hunden P. und U. ab sofort zweimal täglich für insgesamt mindestens eine Stunde Auslauf im Freien außerhalb der Haltungseinrichtung zu gewähren, rechtmäßig.

Die Verwendung eines mit Straf- bzw. Schreckreizen arbeitenden sog. Antibell-Halsbandes, wie das von dem Kläger bei seinen Hunden verwendete Antibell-Halsband „Antibark Vibra Trainer 2.0″ der Firma PetTec, ist nicht nur nach der Stellungnahme der Amtsveterinärin I der Beklagten als tierschutzwidrig einzustufen.

Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht Aachen zu dieser Problematik eine Stellungnahme des LANUV NRW, Fachbereich 84, eingeholt. Die zuständige sachkundige Mitarbeiterin Frau Z hat hierzu ausgeführt:

„Anti-Bell-Sprühhalsbänder, wie auch der von Ihnen benannte Antibark Vibra Trainer 2.0 werden seitens des Fachgebiet Tierschutz des LANUV als tierschutzwidrige Hilfsmittel eingestuft. 31

Die Funktionsweise des Gerätes beruht auf einem Schreckreiz, der als aversiver Reiz als sog. positive Strafe einzustufen ist (positiv bedeutet hierbei keine Wertung, sondern ist im Sinne von „additiv“ zu verstehen). Der Einsatz positiver Strafe zur Unterbindung unerwünschten Verhaltens ist mit zahlreichen Nachteilen verbunden (z. B. hohes Risiko von Fehlverknüpfungen, Stress und Nervosität, Auslösen des Sprühstoßes auch durch das Bellen anderer Hunde / des zweiten Hundes oder andere laute Geräusche, wie schlagende Autotüren etc.).

Bei dem in Rede stehenden Gerät ist neben der Selbstauslösung bei Geräuschen auch eine Fernauslösung durch die Haltungsperson möglich, was das Risiko von Fehlverknüpfungen zusätzlich erhöht, da der Auslöser des Bellens des Hundes für die Haltungsperson ggf. gar nicht ersichtlich ist und sich Fehler im Timing der Fernauslösung äußerst ungünstig auf eventuelle Verknüpfungen auswirken können. Unter Umständen zeigt der Hund das unerwünschte Verhalten im Moment des Sprühstoßes gar nicht mehr, sondern wendet sich z. B. gerade dann vom auslösenden Reiz ab. Derartige Fehlverknüpfungen können das natürliche Verhalten eines Hundes bis hin zu einer so genannten „erlernten Hilflosigkeit“, einem kaum oder nicht mehr therapiebaren Zustand erheblichen Leidens, verändern.

Das Bellen des Hundes stellt eine arttypische Form der Kommunikation dar und gehört somit zum Normalverhalten. Sollte das Bellen der Hunde aufgrund eines Verhaltensproblems, so beispielsweise Trennungsstress mit Vokalisation beruhen, ist der Einsatz der in Rede stehenden Geräte hochgradig tierschutzwidrig.

Auch die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz stuft die in Rede stehenden Geräte als tierschutzwidrige Hilfsmittel ein. Bitte beachten Sie die Ausführungen zu den Anti-Bell-Sprühhalsbändern ab Seite 10 im beigefügten Merkblatt. Die Merkblätter der TVT werden i. d. R. als antizipierte Sachverständigengutachten eingestuft.

Das reine Vibrationshalsband (https://pettec.de/products/pettec-antibell-vibra-trainer) birgt, um effektiv wirken zu können, die gleichen Risiken wie ein Sprühhalsband. Der Wirkmechanismus (Schreckreiz, „positive Strafe“, aversiver Reiz) ist identisch mit dem Einsatz eines Sprühhalsbandes, daher kann die untenstehende Argumentationskette weiter genutzt werden. Eine Duftkonditionierung findet allerdings nicht statt.

Damit der Hund das Bellen (für welches im Rahmen der artgemäßen Kommunikation eine hohe Motivation besteht) einstellt, muss der Vibrationsreiz sehr stark sein.

Würde nur eine leichte Vibrationsstufe genutzt, stellt der Hund das unerwünschte Verhalten nicht ein. Das Gerät ist auf einer niedrigen Vibrationsstufe somit völlig ineffektiv.

Es ist davon auszugehen, dass die Vibrationsstärke immer weiter erhöht wird, was in Kombination mit Fehlauslösungen und Fehlverknüpfungen zu erheblichen Stresszuständen führen kann.“

Nach dieser schlüssigen gutachterlichen Stellungnahme ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Aachen davon auszugehen, dass die dauerhafte Verwendung eines solchen Antibell-Halsbandes bei den Hunden zu Verhaltensänderungen / -störungen bzw. Stresszuständen führen kann und daher mit dem Gebot einer artgerechten Pflege i.S.v. § 2 Nr. 1 TierSchG nicht vereinbar ist. Die hiergegen von Klägerseite erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Soweit der Kläger geltend macht, er habe eine Verhaltensänderung bei seinen Hunden nicht feststellen können, wird verkannt, so das Verwaltungsgericht Aachen weiter, dass diese Verhaltensänderung gerade darin liegt, dass durch den Einsatz der Antibell-Halsbänder das Bellen als arttypische Form der Kommunikation – zumindest teilweise – unterbunden wird.

Unerheblich im vorliegenden Zusammenhang ist auch der Umstand, dass die Antibell-Halsbändern verwendet werden, um den möglicherweise berechtigten Interessen der Nachbarn Rechnung zu tragen. Denn eine solche Konfliktlage kann jedenfalls nicht durch Verwendung eines tierschutzwidrigen Instruments gelöst werden.

Auch greift nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Aachen der Einwand des Klägers nicht, die von ihm verwendeten Antibell-Halsbänder seien (im Bundesgebiet) frei verkäuflich und daher müsse auch deren Einsatz zulässig sein. Dabei wird nämlich verkannt, dass zu dem hier verwendeten Halsband „Antibark Vibra Trainer 2.0″ in der Bedienungsanleitung der Firma PetTec (S. 14 f.) zum „richtigen Hundetraining“ ausgeführt wird:

  • 1.46Nehmen Sie den Trainer bei verstörtem Verhalten Ihres Hundes sofort ab. Der Trainer ist nicht für den täglichen Einsatz, sondern nur für gezielte Trainingseinheiten gedacht.
  • 2.47Trainieren Sie maximal 1 bis 2 Stunden pro Tag unter Aufsicht mit Ihrem Hund. Nehmen Sie den Trainer nach jedem Training ab und schalten Sie ihn aus.
  • 3.48Prüfen Sie nach dem 2. bis 3. Versuch, ob Ihr Hund auf den Antibark Vibra Trainer 2.0 anspricht und das Bellen unterlässt. Falls Ihr Hund nicht reagiert, sollten Sie eine andere Trainingsmethode anwenden.

Das Halsband ist daher selbst nach den Herstellerangaben nicht für einen dauerhaften Einsatz vorgesehen. Im Übrigen hat die Amtsveterinärin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt, dass gegen einen Einsatz zu Trainingszwecken – wie er in der Bedienungsanleitung beschrieben ist – keine Bedenken bestünden und ein solcher Einsatz durch die streitgegenständliche Ordnungsverfügung nicht untersagt sei.

Die Verpflichtung des Klägers, den beiden Hunden zweimal täglich Auslauf zu ermöglichen, ergibt sich ohne weiteres aus § 2 Abs. 1 TierSchHuV. Danach ist einem Hund (1.) ausreichend Auslauf im Freien außerhalb eines Zwingers zu gewähren, (2.) mehrmals täglich in ausreichender Dauer Umgang mit der Person, die den Hund hält, betreut oder zu betreuen hat (Betreuungsperson), zu gewähren und (3.) regelmäßig der Kontakt zu Artgenossen zu ermöglichen, es sei denn, dies ist im Einzelfall aus gesundheitlichen Gründen oder aus Gründen der Unverträglichkeit zum Schutz des Hundes oder seiner Artgenossen nicht möglich.

Besonderheiten für Jagdhunde sind nicht vorgesehen und für die Behauptung des Klägers, seine beiden Jagdhunde wären bei einem bloßen Spaziergang an der Leine enttäuscht und unzufrieden gibt es keinen fachlich fundierten Beleg.

Hinsichtlich der Dauer des täglichen Auslaufs hat die sachverständige Mitarbeiterin des LANUV mit eMail auf entsprechende Nachfrage des Gerichts u.a. ausgeführt:

„Vorgegeben wären zweimal täglich mindestens 30 Minuten Auslauf, bei sehr bewegungsfreudigen Rassen wie Jagdhunden werden zwei bis vier Stunden Auslauf empfohlen. Der Hund muss dabei auch tatsächlich frei laufen können (Bei einem Jagdhund möglichst nicht in der „Arbeitsumgebung“ des Hundes im Wald oder Revier, anderenfalls könnte es zu unerwünschtem Aufstöbern und Hetzen von Wild außerhalb der Jagdausübung kommen.).

Nach übereinstimmender Einschätzung der Bundestierärztekammer, der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz sowie des Verbands für das Deutsche Hundewesen ist ein Zeitrahmen von zwei Stunden für den Kontakt und den Umgang mit der Betreuungsperson für einen erwachsenen Hund anzusetzen.“

Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten, so dass die Anordnung auch hinsichtlich des zeitlichen Umfangs des Auslaufs nicht zu beanstanden ist, so das Verwaltungsgericht Aachen abschliessend.

Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 03.04.2024 – 6 K 2297/23

ECLI:DE:VGAC:2024:0403.6K2297.23.00

  1. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.07.2021 – 7 A 11413/20 []
  2. Bay. VGH, Beschluss vom 12.03.2020 – 23 CS 19.2486 []

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