Eigenbedarfskündigung: Der Cousin ist keine Familie

Spricht ein Vermieter eine Kündigung der Wohnung wegen Eigenbedarfs aus, so gibt es in der Regel Streit zwischen Vermieter und Mieter um die Wirksamkeit der Kündigung.

Der Bundesgerichtshof hat nun klargestellt, dass eine Eigenbedarfskündigung mit der Begründung, dass der Vermieter die Wohnung für einen Cousin benötige, nicht wirksam ist.

Was ist der Hintergrund?

Nach § 573 Abs. 1 BGB gilt folgendes:

Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. (…)

Sodann wird in § 573 Abs. 2 BGB das berechtigte Interesse u.A. für folgenden Fall definiert:

Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn (…) der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt.

Wer ist aber nun „Familienangehöriger“?

Dies hat der Bundesgerichtshof aktuell genauer definiert.

In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte die Vermieterin eine Eigenbedarfskündigung ausgesprochen, da ein Cousin in die Wohnung einziehen wollte.

Diese Verwandtschaftsbeziehung reichte dem Bundesgerichtshof indes nicht.

Nach seiner Auffassung kommt den Begriffen „Familie“ in § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB und „Familienangehörige“ in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB  dieselbe Bedeutung zu und hiervon seien ausschließlich diejenigen Personen umfasst, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht nach § 383 ZPO, § 52 StPO zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehört somit auch dann nicht zu dem von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht.

Ebenso gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Privilegierung des § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB selbst im Falle einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung nach § 383 ZPO§ 52 StPO berechtigt.

Mit der Privilegierung von Familienangehörigen in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass innerhalb einer Familie aufgrund enger Verwandtschaft typischerweise ein Verhältnis persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität besteht, das die Ermöglichung einer Kündigung zu Gunsten Familienangehöriger rechtfertigt. Auch die Privilegierung von Familienangehörigen in § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB beruht auf der Überlegung, dass aufgrund der engen persönlichen Bindung ein legitimes Interesse an der (zeitnahen) Geltendmachung des Eigenbedarfs besteht.

Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den vorgenannten Bestimmungen liegt – so der Bundesgerichtshof weiter – mithin eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen auf Grund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedarf es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheidet eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises auf Grund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zu Grunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.

Entscheidend ist damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der Familie eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB hat der Gesetzgeber dies nicht näher konkretisiert. Er hat eine solche Bewertung jedoch im Rahmen der ebenfalls auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort hat er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Auffassung typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es ist sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB und § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB heranzuziehen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2024 – VIII ZR 276/23

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