Ist eine Berufsunfähigkeits-Versicherung zur Leistung gegenüber dem Versicherungsnehmer verpflichtet, kann sie sich dieser Leistungspflicht, wie ein jetzt veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt, nicht durch eine anderslautende Vereinbarung mit ihrem Versicherungsnehmer entziehen.
Der Kläger verlangt von der beklagten Versicherungsgesellschaft Leistungen aus mehreren Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen. Er hatte den Beruf des Fischwirts Kleine Hochsee- und Küstenfischerei erlernt und den Meisterbrief und das Kapitänspatent erworben. In diesem Beruf, in dem er als Krabbenfischer tätig war, ist er infolge eines Bandscheibenvorfalls seit September 1995 zu 100% berufsunfähig. Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger nach der von ihm vom 1. Juli 1997 bis 31. Juli 1999 erfolgreich absolvierten Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann auf diesen Beruf verwiesen werden kann, den er als Fischverkäufer im elterlichen Betrieb ausübt.
Nach einer von der Beklagten entworfenen und vom Kläger im November 1997 unterzeichneten Vereinbarung stellte die Beklagte die Entscheidung über das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit bis zum 31. Juli 1999 zurück, erbrachte für den Zeitraum vom 1. Juli 1997 bis 31. Juli 1999 im Wege der Kulanz die vertraglich vorgesehenen Leistungen und behielt sich vor, nach Ablauf dieser Zeit das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit anhand der dann vorliegenden gesundheitlichen Verhältnisse und auch unter Berücksichtigung zwischenzeitlich neu erworbener beruflicher Fähigkeiten abschließend zu prüfen. Aufgrund dieser Vereinbarung verwies die Beklagte den Kläger nach Abschluss der Ausbildung auf die neue Tätigkeit als Einzelhandelskaufmann und stellte die Leistungen ab dem 1. Januar 2000 ein. Der Kläger hält die Vereinbarung für unwirksam, die Berufung darauf jedenfalls für rechtsmissbräuchlich.
Das Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage ab.
Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Januar 2000 die jährliche Rente von knapp 16.000 ? weiter zu zahlen und ihn im Wesentlichen von der Beitragszahlung freizustellen. Der Beklagten ist es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Vereinbarung zu berufen. Sie hatte damit den Versuch unternommen, unter Ausnutzung ihrer überlegenen Sach- und Rechtskenntnisse die vertragliche Rechtsposition des Klägers in schwerwiegender Weise zu verschlechtern. Nach den Versicherungsbedingungen konnte der in seinem bisherigen Beruf als Krabbenfischer berufsunfähig gewordene Kläger zwar auf einen nach Qualifikation und Lebensstellung gleichwertigen Beruf verwiesen werden. Eine Qualifikation für einen solchen anderen Beruf hatte er aber nicht. Die Beklagte hatte auch nicht das Recht, ihn später auf neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu verweisen. Sie hätte deshalb ihre Pflicht zur Zahlung der Rente und der Beitragsfreiheit unbefristet anerkennen müssen und hätte davon nur bei einer wesentlichen Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers freikommen können. Statt dessen hat sie sich gegen das Versprechen befristeter Kulanzleistungen eine nach dem Versicherungsvertrag ausgeschlossene, zur Leistungseinstellung führende Verweisungsmöglichkeit verschaffen wollen, ohne dem Kläger die mit der Vereinbarung verbundene gravierende Einschränkung seiner Rechtsposition zu offenbaren. Ein Versicherer, der sich auf eine solche Vereinbarung beruft, handelt rechtsmissbräuchlich.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Februar 2007 – IV ZR 244/03