Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr

Die Zuständigkeit zur Erteilung einer (EU-bezogenen) Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr ist nicht auf den Mitgliedstaat beschränkt, in dem das Unternehmen seine Hauptniederlassung hat.

Die Erteilung einer Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr nach Art. 3 Abs. 2 VO-EWG 881/92, die von einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht („Limited“) im Bundesgebiet beantragt wird, darf nicht unter Hinweis auf den satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft in Großbritannien abgelehnt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht Aachen nunmehr durch Urteil. Die Klägerin, ein Gütertransportunternehmen, ist die Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht („private company limited bei shares“), die ihren Sitz in Birmingham/Großbritannien hat und im zentralen englischen Handelsregister registriert ist. Die tatsächliche Durchführung geschäftlicher Aktivitäten erfolgt ausschließlich von Stolberg aus, wo das Gewerbe auch angemeldet ist. Mitte 2005 beantragte die Klägerin beim Straßenverkehrsamt Aachen (Beklagter) eine Gemeinschaftslizenz für den grenzüberschreitenden gewerblichen Güterkraftverkehr. Dabei gab die Klägerin an, in Großbritannien keinen Antrag auf Erteilung einer Gemeinschaftslizenz gestellt zu haben, da nach Auffassung der dortigen Behörden nicht der Staat des Hauptsitzes der Gesellschaft, sondern der Staat der tatsächlichen Niederlassung für die Erteilung zuständig sei. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil er sich für örtlich nicht zuständig hielt. Nach der EU- Verordnung werde die begehrte Lizenz einem gewerblichen Güterverkehrsunternehmer erteilt, der in einem Mitgliedstaat (Niederlassungsstaat) gemäß dessen Rechtsvorschriften niedergelassen sei. Die Klägerin sei in Großbritannien in das Handelsregister eingetragen und somit in Großbritannien niedergelassen, weshalb der Antrag dort zu stellen sei. Das Gericht folgte dieser Auffassung nicht. Unter Berücksichtigung des durch Art. 43 und 48 EGV (Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) gewährleisteten Niederlassungsrechts sei die Klägerin mit ihrer Zweigniederlassung in Stolberg in der Bundesrepublik „niedergelassen“. Als „Niederlassung“ im europarechtlichen Sinne sei jede feste Einrichtung, die der tatsächlichen Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit dienen soll, zu sehen. Die Klägerin betreibe ihr Güterverkehrsunternehmen allein von Stolberg aus, lediglich der satzungsmäßige Sitz sei in Großbritannien. Der Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften (Art.3 und 5 VO-EWG 881/92) enthalte auch keine Hinweise darauf, dass lediglich die sog. primäre Niederlassungen, d.h. Neugründung oder Übersiedlung einer Hauptniederlassung erfasst werden sollen. Vielmehr müsse davon auszugehen sein, dass auch sog. sekundäre Niederlassungen, d.h. Fälle, in denen abhängige Zweigstellen in einem anderen Mitgliedstaat unter Beibehaltung der bisherigen (Haupt-) Niederlassung begründet werden, einbezogen seien. Eine einschränkende – nationale – Auslegung des Begriffes „niederlassen“, die lediglich sog. primäre Niederlassungen erfasse, d.h. im Falle von Gesellschaften allein auf den „Gründungsstaat“ als Niederlassungsstaat bzw. auf den (Haupt-)Sitz der Gesellschaft abstellt, sei nicht mit der von Art. 43 und 48 EGV gewährleisteten Niederlassungsfreiheit vereinbar.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräfitg. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat die Kammer die Berufung zugelassen.

Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 6. MÄrz 2007 – 2 K 2560/05