Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster sind die Tierärztekammern grundsätzlich verpflichtet, einem Tierarzt die Führung einer Zweitpraxis zu genehmigen.
In dem jetzt vom VG Münster entschiedenen Fall darf eine tierärztliche Gemeinschaftspraxis aus Ascheberg in Münster-Hiltrup eine Zweitpraxis eröffnen. Das Verwaltungsgericht Münster hat heute entschieden, die Tierärztekammer Westfalen-Lippe sei verpflichtet, den Tierärzten die nach der Berufsordnung hierzu erforderliche Zustimmung zu erteilen. Das VG macht mit dieser grundsätzlichen Entscheidung zugleich den Weg für weitere Tierärzte frei, die ebenfalls die Errichtung einer Zweitpraxis beabsichtigen.
Die Ascheberger Tierärzte wollen in den früheren Praxisräumen eines Kollegen in Münster-Hiltrup eine Zweitpraxis zur Behandlung von Kleintieren eröffnen. Nach der Berufsordnung der Tierärztekammer Westfalen-Lippe benötigen sie hierfür die Zustimmung der Kammer. Diese wurde ihnen jedoch versagt, nachdem die Kammerversammlung beschlossen hatte, Anträge auf Zulassung von Zweitpraxen abzulehnen, da die tierärztliche Versorgung auch ohne das Betreiben von Zweitpraxen gesichert sei. In ihrer gegen diese Entscheidung erhobenen Klage machten die Tierärzte unter anderem geltend, das in der Berufsordnung vorgesehene Zustimmungserfordernis sei schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht haltbar. Es gehöre nicht mehr zum ärztlichen Leitbild, dass ein Arzt nur in einer Praxis für seine Patienten erreichbar sei; diesem Wandel sei in zahlreichen Berufsordnungen bereits Rechnung getragen worden.
Die 6. Kammer gab der Klage der Tierärzte statt und verpflichtete die Tierärztekammer Westfalen-Lippe, die Zustimmung zur Errichtung der Zweitpraxis zu erteilen. Zwar verletze die grundsätzliche Bindung der Tätigkeit des niedergelassenen Tierarztes an eine Praxisstelle nicht das Grundrecht der Berufsfreiheit, weil sie der Qualitätssicherung der tierärztlichen Versorgung diene. Es sei verfassungsrechtlich unbedenklich, dass in der Berufsordnung der Tierärztekammer Westfalen-Lippe die Errichtung einer Zweitpraxis zustimmungspflichtig und nicht, wie in anderen Berufsordnungen (etwa der Zahnärzte- oder der Ärztekammern), lediglich anzeigepflichtig sei. Allerdings bestehe unter Berücksichtigung der Freiheit der Berufsausübung ein Anspruch auf Erteilung der Zustimmung, wenn die ordnungsgemäße tierärztliche Versorgung an jedem Ort der Tätigkeit in personeller und sachlicher Hinsicht gewährleistet sei. Demgegenüber dürfe nicht darauf abgestellt werden, ob die Zweitpraxis zur Sicherstellung der tierärztlichen Versorgung erforderlich sei. Eine Bedarfsprüfung – etwa mit dem Ziel des Konkurrentenschutzes – verstoße gegen die Berufs- sowie die Niederlassungsfreiheit. Bei den Klägern bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die ordnungsgemäße tierärztliche Versorgung nicht gewährleistet sei. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Zweitpraxis in Münster-Hiltrup innerhalb kurzer Zeit erreichbar sei und wegen der Mehrzahl der in der Gemeinschaftspraxis tätigen Tierärzte auch eine Präsenz gewährleistet sei.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 6. Juni 2007 – 6 K 1554/06