Im Ausland ansässige Künstler und deren ausländische Veranstalter sind bei Auftritten im Inland mit ihren Honoraren beschränkt steuerpflichtig. Die Honorare unterliegen einer Abgeltungssteuer, die ein in Deutschland ansässiger Veranstalter bei Auszahlung der Honorare auf Bruttobasis einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen hat. Andernfalls haftet er für den Abzugsbetrag.
Mit seinem „Scorpio“-Urteil vom 3. Oktober 2006 – C-290/04 – hatte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften auf Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs entschieden, dass der Steuerabzug sowie die sich ggf. anschließende Haftung aus Gründen des effektiven Steuervollzugs mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehe. Allerdings seien Ausgaben des Künstlers oder ausländischen Veranstalters, die unmittelbar mit der erbrachten Leistung zusammenhängen und dem inländischen Veranstalter mitgeteilt werden, bereits im Abzugs- bzw. Haftungsverfahren zu berücksichtigen. Für weitere Betriebsausgaben genüge es, dass sie in einem anschließenden Erstattungsverfahren geltend gemacht werden könnten.
Der BFH hat diese Vorgaben des EuGH in seinem Schlussurteil in der Rechtssache Scorpio umgesetzt: Es bleibt danach dabei, dass der Steuerabzug zunächst von den Bruttohonoraren vorzunehmen ist, es sei denn, entsprechende Aufwendungen wurden dem Abzugsverpflichteten zuvor mitgeteilt. Daran fehlte es im konkret zu entscheidenden Fall.
Nach Auffassung des BFH sind die einschlägigen deutschen Regelungen als solche weiterhin anzuwenden, obwohl sie den Abzug von Erwerbsaufwendungen nicht vorsehen. Sie sind aber entsprechend den vom EuGH aufgestellten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen auszulegen und in normerhaltender Weise zu reduzieren. Da im konkreten Fall keine in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den zur Verfügung gestellten Auftritten stehenden Ausgaben mitgeteilt worden waren, blieb es bei dem festgesetzten Haftungsbetrag. Ob die von der Finanzverwaltung vertretenen und jetzt in einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 5. April 2007 niedergelegten modifizierten Grundsätze zur Anwendung des Abzugsverfahrens den Vorgaben des EuGH genügen, konnte der BFH dementsprechend offen lassen.
1. Ficht ein Vergütungsschuldner einen gegen ihn gemäß § 50a Abs. 5 EStG 1990 ergangenen Haftungsbescheid an, so ist der Vergütungsgläubiger, auf den sich die Inanspruchnahme aus dem Haftungsbescheid bezieht, zu dem finanzgerichtlichen Verfahren nicht notwendig beizuladen (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Die Haftung des Vergütungsschuldners gemäß § 50a Abs. 5 EStG 1990 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Besteuerungsrecht für die von dem Vergütungsgläubiger erzielten Einkünfte nach Maßgabe des betreffenden Doppelbesteuerungsabkommens dem Ansässigkeitsstaat zusteht und Deutschland daher diese Einkünfte nicht besteuern darf.
3. Ein beschränkt Steuerpflichtiger mit Einkünften gemäß § 50a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG 1990 n.F. unterliegt im Anmeldungszeitraum 1993 dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Sätze 3, 5 und 6 EStG 1990 n.F. mit seinen Bruttoeinnahmen. Nur wenn der beschränkt Steuerpflichtige Ausgaben hat, welche unmittelbar mit der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, und wenn diese Ausgaben dem Vergütungsschuldner mitgeteilt werden, sind die Ausgaben bereits im Rahmen des Abzugs- bzw. eines ggf. nachfolgenden Haftungsverfahrens zu berücksichtigen. Soweit § 50a Abs. 4 Satz 5 und 6 EStG 1990 n.F. dies ausschließt, verstößt die Vorschrift gegen Gemeinschaftsrecht und ist sie deswegen in normerhaltender Weise zu reduzieren (Anschluss an EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 Rs. C-290/04 „Scorpio“, IStR 2006, 743).
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. April 2007 – I R 39/04