Ein in der Handelsbilanz gebildeter Sonderposten mit Rücklageanteil bildet nach Ansicht des Bundesfinanzhofes keinen Schuldposten ab, der aus zivilrechtlicher Sicht das Unternehmensvermögen mindert. Er ist deshalb bei der Prüfung der Frage, ob eine Kapitalgesellschaft überschuldet und deshalb eine gegen sie gerichtete Forderung eines Gesellschafters wertlos ist, regelmäßig nicht zu berücksichtigen.
Erlässt der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft dieser eine Forderung, so führt dies aus der Sicht der Kapitalgesellschaft zum Erlöschen einer Verbindlichkeit und damit zu einer Gewinnerhöhung. Diese in der Steuerbilanz zu erfassende Gewinnerhöhung ist zwar außerhalb der Bilanz zu neutralisieren, soweit es sich bei dem Forderungsverzicht steuerrechtlich um eine verdeckte Einlage handelt. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) führt jedoch ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster Forderungsverzicht nur zu einer verdeckten Einlage in Höhe des Teilwerts der Forderung im Zeitpunkt des Verzichts. Soweit die Forderung zu diesem Zeitpunkt nicht (mehr) werthaltig war, bleibt es mithin bei der durch den Wegfall der Verbindlichkeit ausgelösten Gewinnerhöhung.
Der Teilwert der erlassenen Forderung, auf den es für die Frage nach dem Vorliegen und dem Umfang einer verdeckten Einlage ankommt, ist nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu bestimmen. Danach ist Teilwert der Betrag, den ein Erwerber des Betriebs für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Maßgeblich ist hiernach nicht derjenige Betrag, für den das betreffende Wirtschaftsgut im Fall der Zerschlagung des Betriebs veräußert werden könnte (Liquidationswert), sondern der an den objektiven Gegebenheiten des Betriebs orientierte Fortführungswert. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Teilwert einer Forderung im Allgemeinen mit Null anzusetzen ist, wenn sich die Forderung gegen eine überschuldete Kapitalgesellschaft richtet und Gläubiger ein Gesellschafter dieser Gesellschaft ist. Die Frage, ob eine Überschuldung vorliegt, kann sich freilich nicht unter Berücksichtigung eines in der Bilanz der Gesellschaft gebildeten Sonderposten mit Rücklagenanteils beantwortet werden. Ein Sonderposten mit Rücklageanteil bildet weder eine Verbindlichkeit noch eine sonstige Last des Unternehmens ab. Es handelt sich vielmehr um eine Bilanzposition, durch die steuerrechtlich zulässige Passivposten (auch) in der Handelsbilanz) berücksichtigt werden können (§ 247 Abs. 3, § 273 HGB). Inhaltlich drückt diese Position zum Teil eine latente Steuerbelastung aus; zum anderen Teil handelt es sich um Eigenkapital. Dagegen bezieht sie sich nicht auf einen Schuldposten, der aus zivilrechtlicher Sicht das Unternehmensvermögen mindert.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 31. Mai 2005 – I R 35/04