Der Bundesgerichtshof hat gestern darüber entschieden, wie die in den Ausschreibungsbedingungen eines öffentlichen Vergabeverfahrens enthaltene Klausel
„Beginn der Ausführung spätestens 12 Werktage nach Zuschlagserteilung“
auszulegen ist.
Konkret ging es darum, daß der Auftragnehmer von der beklagten Bundesrepublik Deutschland u. a. deshalb eine Mehrvergütung verlangte, weil sich nach seiner Auffassung infolge einer Verschiebung des in einer öffentlichen Ausschreibung vorgesehenen Zuschlagstermins um mehrere Monate auch die vorgesehene Bauzeit geändert habe und infolgedessen die Baukosten gestiegen seien. Die Parteien haben über die Auslegung der oben genannten Klausel gestritten, die so oder in ähnlicher Form in vielen öffentlichen Ausschreibungen zu finden ist. Die Beklagte vertrat die Auffassung, die vorgesehene Bauzeit habe sich nicht geändert. Der Beginn der Ausführung solle nach dieser Klausel an die tatsächliche Zuschlagserteilung geknüpft sein. Der Auftragnehmer meinte hingegen, Anknüpfungspunkt für den Baubeginn sei der in der Ausschreibung vorgesehene Zuschlagstermin, so dass dessen Verschiebung auch zu einer Verschiebung der vertraglich vorgesehenen Bauzeit geführt habe.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Baubeginn an die ausgeschriebene Zuschlagsfrist anknüpft, wenn – wie hier – der Zuschlag erst nach Ablauf der in den Ausschreibungsbedingungen festgelegten Zuschlagsfrist erfolgt. Eine andere Auslegung sei nicht möglich, weil sie gegen § 9 Nr. 2 VOB/A verstieße. Nach dieser Regelung darf dem Bieter kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Ein derartiges unwägbares Risiko hätte die Beklagte den Bietern auferlegt, wenn der vertraglich an den Zuschlag gekoppelte Ausführungsbeginn über den in den Ausschreibungsbedingungen vorgesehenen Zuschlagstermin hinaus völlig offen bliebe. Denn dann könnte eine Preiskalkulation nicht mehr auf verlässlichen Bauterminen, sondern nur auf Mutmaßungen aufbauen.
Auf dieser Grundlage sei es zu einer Verschiebung der vertraglich vorgesehenen Bauzeit gekommen, so dass der Vertrag durch eine nachträgliche Vereinbarung der Parteien oder durch ergänzende Vertragsauslegung an die tatsächlichen Verhältnisse anzupassen und der Mehrvergütungsanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt sei (der Senat bezog sich dabei auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. Mai 2009 – VII ZR 11/08).
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. September 2009 – VII ZR 152/08