Völkerrechtlich verbindliche Verständigungsvereinbarungen zwischen der deutschen und einer ausländischen Finanzverwaltung binden die die deutschen Finanzgerichte nur dann, wenn sie in Einklang mit innerstaatlichen Steuergesetzen stehen, wie jetzt der Bundesfinanzhof entschied.
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen zwei Staaten bezwecken, Doppelbesteuerungen in den Vertragsstaaten zu vermeiden; das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte wird entweder dem einen oder dem anderen Staat zugeordnet. Zuweilen kann die Anwendung der DBA aber auch eine doppelte Nichtbesteuerung nach sich ziehen, dann nämlich, wenn der eine Vertragsstaat eine Abkommensbestimmung anders auslegt als der andere Vertragsstaat und im Ergebnis jeder Staat das Besteuerungsrecht des jeweils anderen Staats annimmt („negativer Qualifikationskonflikt“). Abhilfe sollen in derartigen Fällen sog. Verständigungsvereinbarungen der Finanzverwaltungen beider Staaten schaffen.
Der BFH hat nun durch zwei Urteile bekräftigt, dass solche Verständigungsvereinbarungen völkerrechtlich verbindlich sind und infolgedessen auch die beteiligten Finanzverwaltungen binden. Das gilt jedoch nicht für die Finanzgerichte. Diese entscheiden nur nach dem Gesetz, also dem DBA, und nicht auf der Basis bloßer Verwaltungsvereinbarungen. Diese können das DBA nicht ändern. Ohne gesetzliche Legitimation dürfen die Vereinbarungen nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen.
So verhielt es sich auch in den beiden Urteilsfällen, in denen es um Abfindungszahlungen an Arbeitnehmer aus Anlass der Beendigung der Arbeitsverhältnisse ging:
In dem Urteil I R 90/08 klagte ein belgischer Staatsangehöriger, der in Belgien wohnte und in Deutschland arbeitete. Der Arbeitslohn wurde nach übereinstimmender Rechtsauffassung nach Maßgabe des zwischen Deutschland und Belgien geschlossenen DBA sowohl in Deutschland als auch in Belgien (nur) in Deutschland versteuert. Das gilt nach deutscher Rechtsauffassung jedoch nicht für die Abfindung; Belgien nimmt hingegen auch dafür das deutsche Besteuerungsrecht an. Die deshalb zwischen Deutschland und Belgien getroffene Verständigungsvereinbarung folgt insoweit der belgischen Auffassung und ordnet das Besteuerungsrecht Deutschland zu. Nach Ansicht des BFH fehlt für die Geltendmachung dieses Rechts gegenüber dem Arbeitnehmer aber die Rechtsgrundlage.
In dem Urteil I R 111/08 war Klägerin eine Italienerin, die in Deutschland gearbeitet und die sodann nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in die Schweiz verzogen war. Auch hier sah der BFH auf der Basis des DBA Deutschland-Schweiz keine Möglichkeit, die gezahlte Abfindung nach Maßgabe der entsprechenden deutsch-schweizerischen Verständigungsvereinbarung in Deutschland zu besteuern.
Derzeit ist eine zunehmende Tendenz der Finanzverwaltungen zu beobachten, sich in der genannten Weise zwischenstaatlich über die Auslegung von DBA zu verständigen. Ohne Umsetzung in ein Gesetz muss kein Steuerpflichtiger eine solche Vereinbarung gegen sich gelten lassen.
Bundesfinanzhof, Urteile vom 2. September 2009 – I R 90/08 und I R 111/08