Krankenkassen müssen ihre Absprachen nicht vor dem Bundeskartellamt rechtfertigen

Ein gemeinsames Handeln der gesetzlichen Krankenkassen im Hinblick auf die Erhebung von Zusatzbeiträgen unterliegt nicht der Kartellaufsicht, so das Hessische Landessozialgericht. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sei insoweit nicht anwendbar.

Am 25. Januar 2010 kündigten acht gesetzliche Krankenkassen bei einem gemeinsamen Presseauftritt im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin die Erhebung von Zusatzbeiträgen an. Wegen des Verdachts der unerlaubten Preisabsprache leitete das Bundeskartellamt förmliche Verfahren ein und erließ am 17. Februar 2010 gegenüber den Krankenkassen entsprechende Auskunftsbeschlüsse. Hiergegen erhob die Krankenkasse Klage vor dem Hessischen Landessozialgericht, das hierfür erstinstanzlich zuständig ist. Sie sieht ihr Selbstverwaltungsrecht verletzt und hält das Kartellrecht für nicht anwendbar. Das Bundeskartellamt hingegen stuft die gesetzlichen Krankenkassen als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts ein.

Zunächst war streitig, ob die Sozialgerichtsbarkeit hierfür zuständig ist. Mit Beschluss vom 01. Juni 2010 hatte das Hessische Landessozialgericht die Eröffnung des Rechtsweges zu den Sozialgerichten bejaht1. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte das Bundessozialgericht2 zurückgewiesen.

Nun konnte das Landessozialgericht in der Sache entscheiden und stellte fest, dass das Kartellamt nicht zuständig sei, da es mit seiner Entscheidung das Selbstverwaltungsrecht der Krankenkasse verletze.

Der Auskunftsbeschluss wurde seitens des Hessischen Landessozialgerichts für rechtswidrig erklärt. Für das Auskunftsbegehren des Kartellamtes gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Auskunftsbeschluss verletze daher die Krankenkasse in ihrem Selbstverwaltungsrecht. Für die staatliche Aufsicht der Versicherungsträger sei zudem ausschließlich das Bundesversicherungsamt zuständig.

Das Kartellamt könne sich auch nicht auf ein Nebeneinander von Kartell- und Aufsichtsrecht berufen. Denn das GWB sei auf die Wettbewerbsbeziehungen der Krankenkassen untereinander im Verhältnis zu potentiellen Pflichtversicherten nicht anwendbar. Die Krankenkassen als Körperschaften des öffentlichen Rechts handelten insoweit nicht als Unternehmen. Die Teilnahme am Preiswettbewerb unter den gesetzlichen Krankenkassen und damit auch das auf die Erhebung eines Zusatzbeitrags gerichtete Handeln seien keine wirtschaftliche Tätigkeit.

Anders als die privaten Versicherungsträger würden die gesetzlichen Krankenkassen eine rein soziale Aufgabe wahrnehmen, die auf dem Grundsatz der Solidarität beruhe und ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werde. Dabei seien die Krankenkassen im Wesentlichen zu den gleichen Leistungen verpflichtet und müssten diese unabhängig von der jeweiligen Beitragshöhe erbringen. Die Beitragsbemessung sei grundsätzlich einkommens- und nicht risikoabhängig. Zudem seien die Krankenkassen zu einer Art Solidargemeinschaft zusammengeschlossen und hätten untereinander einen Kosten- und Risikoausgleich vorzunehmen.

Hessisches Landessozialgericht,  Urteil vom 15.09.2011 – L 1 KR 89/10 KL

  1. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 01.06.2010 – L 1 KR 89/10 KL []
  2. Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.09.2010 – B 1 SF 1/10 R []

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