Kostentragung durch Familienkasse bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung

Belehrt die Familienkasse in einer Entscheidung, in welcher einem Einspruch gegen einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid von Kindergeld teilweise stattgegeben und zugleich die Kostenerstattung nach § 77 EStG abgelehnt wurde, den Einspruchsführer dahin, dass gegen die getroffenen Entscheidungen die Klage zulässig sei, hat sie im Falle der (unzulässigen) Klageerhebung die Kosten des Klageverfahrens zu tragen.

So entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg.

Nach § 72 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist ein solches Verfahren nach Zurücknahme der Klage durch Beschluss einzustellen. In dem Einstellungsbeschluss ist zugleich über die Kosten zu befinden. Nach § 143 FGO ist über die Kosten durch Beschluss zu entscheiden, sofern das Verfahren in anderer Weise als durch Urteil beendet wurde. Dies gilt in Fällen, in denen ein Rechtbehelf seinem vollen Umfang nach zurückgenommen worden ist nur, wenn ein Beteiligter Kostenerstattung beantragt (§ 144 FGO).

Im Streitfall hat die sachkundig vertretene Klägerin ihre Klage zurückgenommen und beantragt, die Kosten des Verfahrens der Familienkasse aufzuerlegen.

Die Kosten sind der Familienkasse nach § 137 Satz 2 FGO aufzuerlegen, so das Finanzgericht Baden-Württemberg. Nach dieser Vorschrift können die Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Die unrichtige Belehrung der Familienkasse (Finanzbehörde), dass gegen eine Entscheidung die Klage gegeben sei, erfüllt diesen Tatbestand1.

Die Familienkasse hatte in ihrer angefochtenen Entscheidung, in welcher dem Einspruch gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid von Kindergeld teilweise stattgegeben und zugleich die Kostenerstattung nach § 77 EStG abgelehnt wurde, die Klägerin dahin belehrt, dass gegen die getroffenen Entscheidungen die Klage zulässig sei. Mit einem späteren Schreiben bekräftigte die Familienkasse ihre Auffassung, indem sie ausführte, auch gegen die Kostenentscheidung sei – entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung – nur die Klage zulässig. Diese Belehrung war unzutreffend. Denn die Kostenentscheidung ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO, gegen den der Einspruch (§ 347 AO) statthaft ist. Auch wenn die Kostenentscheidung – wie hier bei teilweisem Obsiegen – mit der Einspruchsentscheidung äußerlich in einem Bescheid verbunden ist, ist sie eine eigenständige Regelung, die nicht selbst „Einspruchsentscheidung“ i.S.d. § 348 Nr. 1 AO ist2. Durch ihr gesetzeswidriges Verhalten hat die Familienkasse die Erhebung der Klage verursacht, welche die Klägerin nach Belehrung durch das Gericht unverzüglich zurückgenommen hat.

Nach § 136 Abs. 2 FGO hat derjenige die Kosten zu tragen, der eine Klage zurücknimmt. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden (§ 137 Satz 2 FGO). § 137 Satz 2 FGO geht insoweit als speziellere Regelung dem § 136 Abs. 2 FGO vor3. Die gegenteilige Auffassung führt zu dem sinnwidrigen Ergebnis, dass ein Kläger in derartigen Fällen, statt die Klage zurückzunehmen, ein klageabweisendes Urteil beantragen müsste, in welchem die Kosten nach § 137 Satz 2 FGO dem Beklagten aufzuerlegen wären. Diese Verfahrensweise ist aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes nicht vertretbar. Dass der Kläger in einem solchen Fall Kostenersatz durch zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch erstreiten soll4, ist bei der bestehenden Gesetzeslage, die eine rechtsschutzwahrende Auslegung zulässt, aus Gründen der Prozessökonomie abzulehnen.

Nach dem neuen Kostenrecht kann ein Kläger in einem derartigen Fall auch nicht mehr auf gerichtsgebührenfreie Klagerücknahme verwiesen werden.

 

Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluß vom 09.08.2011 – 2 K 1648/11

  1. Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.09.1994 – VIII R 36/89 []
  2. herrschende Meinung, z.B. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, § 77 Rn. D 7; Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur EStG und Körperschaftsteuer, § 77 EStG Anmerkung 7 []
  3. Finanzgericht des Saarlandes, Beschluss vom 03.12.2007 – 2 K 1096/07; Finanzgericht Hamburg, Beschluss vom 09.08.2000 – VII 353/99; andere Ansicht: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 19.09.1969 – III B 18/69, in BStBl II 1970, 92; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.01.1994 – VIII R 10/93, VIII B 7/93, VIII B 8/93, in BFH/NV – 1994, 872; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 25.11.1997 – X R 117/97, in BFH/NV 1998, 622 []
  4. so Brandis in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 144 FGO Tz. 1 []

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