Das Niedersächsische Finanzgericht hatte darüber zu entscheiden, ob die Überlassung von Draisinen an Gäste auch dann eine Vermietungs- und keine Beförderungsleistung darstellt, wenn für die Fahrt eine Begleitperson gestellt wird.
Das Finanzgericht hat diese Frage bejaht, was bedeutet, daß die Leistung deshalb nicht dem begünstigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterfällt, sondern gemäß § 12 Abs. 1 UStG dem Regelsatz (im entschiedenen Fall 16 %, da es sich um das Jahr 2006 handelte).
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchstabe b (UStG) unterliegt die Beförderung von Personen im Schienenbahnverkehr dem ermäßigten Steuersatz von 7 %, wenn die Beförderungsstrecke weniger als 50 km beträgt.
Die Klägerin, die die Draisinen überlassen hatte, hat keine Beförderungsleistung erbracht. Befördern ist die räumliche Fortbewegung von Personen oder Gegenständen, unabhängig aus welchem Grund sie erfolgt. Erforderlich ist insbesondere nicht, dass mit der Beförderungsleistung für die beförderte Person ein wirtschaftlicher Nutzen verbunden ist. Eine Beförderungsleistung kann auch vorliegen, wenn sie aus Gründen der Freizeitgestaltung, insbesondere der Sportausübung oder aus touristischen Gründen erfolgt1. So hat der Bundesfinanzhof eine Beförderungsleistung bei der Durchführung von Stadtrundfahrten2, von mehrtägigen Hochseeangelreisen1 oder von aus touristischen Gründen veranlassten Schifffahrten auf dem Rhein3 angenommen.
Gemeinsam ist den von dem Bundesfinanzhof entschiedenen Sachverhalten, dass der leistende Unternehmer durch seine Angestellten den Transport der Personen selbst bewirkt hat, indem z. B. der mit dem Kraftfahrzeug überlassene Chauffeur oder die Besatzung der Schiffe, die Fahrzeuge fortbewegt haben, sie gelenkt bzw. navigiert haben. Im Streitfall hat die Klägerin den Fahrgästen die Draisinen überlassen, damit die Gäste aus eigener Kraft von ihrem Ausgangspunkt zum Zielort gelangen konnten.
Das Niedersächsische Finanzgericht sieht deshalb die wesentliche Leistung der Klägerin in der zeitweisen Überlassung eines Fahrzeuges als Transportmittel an die Fahrgäste. Dies ergibt sich, soweit die Fahrgäste über die Bedienung der Draisinen nur eine Einweisung erhalten haben, unmittelbar. Denn in diesem Fall erbringt die Klägerin außer der Überlassung des Fahrzeuges keine weiteren Leistungen. Es gilt aber nach Auffassung des Gerichts auch für die begleiteten Draisinenfahrten.
Das Überlassen der Draisinen und die Begleitung bestimmter Draisinenfahrten durch Mitarbeiter der Klägerin sind als eine einheitliche Leistung anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhof liegt eine einheitliche Leistung insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung darstellen und andere Teile der gesamten Leistung Nebenleistungen darstellen, die steuerlich gesehen, das Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist dann zu einer Hauptleistung eine Nebenleistung, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern sie es dem Leistungsempfänger ermöglichen soll, die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen4.
Hiervon ausgehend liegt der Schwerpunkt der von der Klägerin erbrachten Leistung, so das Finanzgericht, in dem Überlassen des Beförderungsmittels. Das Begleiten der Fahrgäste hatte nicht den Zweck, den eigentlichen Transport der Gäste durchzuführen, sondern sollte gewährleisten, dass die Fahrgäste die Sicherheitsrichtlinien einhalten und ihnen eine sichere und gefahrlose Nutzung der Draisinen ermöglichen.
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 26. Oktober 2011 – 5 K 340/10
Revision wurde eingelegt: Bundesfinanzhof – V R 36/11
- vgl. Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.03.2011 – XI R 25/09 [↩] [↩]
- Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.06.2011 – V R 44/10 [↩]
- Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.09.1996 – V R 129/92, in: BStBl II 1997, 164 [↩]
- vgl. z. B. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 25.02.1999 – Rs. C – 349/96; Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.02.2010 – XI R 49/07, in: BStBl II 2010, 1109 [↩]