Krankenkassenbeiträge und der Sonderausgabenabzug

Der Bundesfinanzhof hält die betragsmäßige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen für verfassungswidrig, weil die gesetzlichen Höchstbeträge es dem Steuerpflichtigen nicht ermöglichen, in angemessenem Umfang Krankenversicherungsschutz zu erlangen. Er hat daher in einem bei ihm anhängigen Revisionsfrage diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht darüber eingeholt, ob § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr 1997 geltenden Fassung insofern verfassungsmäßig ist, als

1. diese Vorschrift den Abzug von Beiträgen zu Krankenversicherungen mit der Wirkung begrenzt, dass diese im Streitfall nicht ausreichen, damit die Kläger für sich selbst Krankenversicherungsschutz in dem von den gesetzlichen Krankenversicherungen gewährten und somit angemessenen Umfang erlangen können,

2. die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Abziehbarkeit der den gesamten Vorsorgebedarf abdeckenden Aufwendungen durch den dem Steuerpflichtigen selbst und seinem Ehegatten zustehenden Höchstbetrag unabhängig davon begrenzt wird, ob unterhaltsberechtigte Kinder vorhanden sind oder nicht. Weder § 10 Abs. 3 EStG noch eine sonstige Vorschrift des EStG sieht eine steuerliche Entlastung oder bei der Bemessung des Kindergeldes eine Transferleistung für den Fall vor, dass der Steuerpflichtige seine Kinder privat gegen Krankheit versichert, um für diese im Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherungsschutz zu erlangen.

Kläger sind ein freiberuflich tätiger Rechtsanwalt und seine Ehefrau, die Eltern von sechs Kindern sind. Sie machen geltend, dass sie für sich selbst und für ihre Kinder Beiträge zu privaten Krankenversicherungen aus dem versteuerten Einkommen zahlen müssten, da sie mit Prämien im betragsmäßigen Umfang des Sonderausgaben-Höchstbetrags einen existenzsichernden Versicherungsschutz nicht erlangen könnten.

Der BFH ist dem Vorbringen der Kläger weitgehend gefolgt. Nach seiner Auffassung gebietet es das verfassungsrechtliche subjektive Nettoprinzip, dass existenznotwendige Aufwendungen des Steuerpflichtigen steuerlich verschont werden. Hierzu gehörten auch Beiträge zu Krankenversicherungen, soweit sie dazu dienten, Versicherungsschutz in dem von den gesetzlichen Krankenversicherungen gewährten Umfang zu erlangen. Diese Beiträge dienten der eigenverantwortlichen Vorsorge gegen ein stets gegenwärtiges Lebensrisiko; dieser Vorsorge könne sich – u.a. auch nach der Wertung des Sozialversicherungs- und des Sozialhilferechts – der Steuerpflichtige nicht entziehen. Zwar sei es steuersystematisch richtig, entsprechende Aufwendungen nicht in den steuerlichen Grundfreibetrag – das sog. steuerfreie Existenzminimum – einzubeziehen. Dem individuellen Vorsorgebedarf müsse der Gesetzgeber aber jedenfalls durch eine realitätsgerechte Bemessung des Sonderausgabenabzugs Rechnung tragen.

Soweit Eltern in Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht für ihre Kinder Beiträge zu Krankenversicherungen aufbringen müssten, sei der Gesetzgeber zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Benachteiligung der Familie gehalten, diese Belastung angemessen steuerlich zu berücksichtigen. Das geltende Steuerrecht sehe eine entsprechende Entlastung der Eltern weder im Rahmen des Familienleistungsausgleichs noch beim Sonderausgabenabzug vor.

BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2005 – X R 20/04

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