Erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten: Die Fahrtkosten der Großeltern

Ob Fahrtkostenersatz, der von den (gegen das Finanzamt klagenden) Eltern ihren Müttern für Fahrten bezahlt wurden, die im Zusammenhang mit der von den Müttern geleisteten Betreuung des Sohnes der Kläger angefallen sind, als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten gemäß § 4f Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind, hatte das Finanzgericht Baden-Würtemberg zu entscheiden.

Das Finanzgericht hat entschieden, dass eine solche Erstattung von Fahrtkosten in Zusammenhang mit unentgeltlicher Kinderbetreuung in Höhe von 2/3 der Aufwendungen als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten steuerlich abzugsfähig sein können, wenn dem eine entsprechende Vertragsgestaltung zugrunde liegt.

Im Streitfall haben die beiden Großmütter ihr Enkelkind an einzelnen Tagen in der Woche unentgeltlich im Haushalt der Eltern des Kindes betreut, damit diese arbeiten konnten. Nur die Fahrtkosten erhielten Sie von den Eltern des Kindes aufgrund schriftlicher Verträge erstattet. Das Finanzamt erkannte die Fahrtkosten nicht an, weil es der Meinung war, es handele sich um familieninterne und damit außerhalb der Rechtssphäre liegende Gefälligkeiten.

Das Finanzgericht ließ den Abzug indes in o.g. Umfang zu.

Gemäß § 4f EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Kindes im Sinne des § 32 Abs. 1, die wegen einer Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen anfallen, bei Kindern, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, in Höhe von zwei Dritteln der Aufwendungen, höchstens € 4.000 je Kind, bei der Ermittlung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit wie Betriebsausgaben abgezogen werden (Satz 1). Im Falle des Zusammenlebens der Elternteile gilt Satz 1 nur, wenn beide Elternteile erwerbstätig sind (Satz 2).

Der Begriff der „Dienstleistung“ im Sinne des § 4f EStG umfasst jede Tätigkeit, die aufgrund eines Schuldverhältnisses erfolgt, aufgrund dessen der Steuerpflichtige berechtigt ist, die Betreuung des Kindes zu fordern (§ 241 Satz 1 BGB) und die Betreuungsperson die vereinbarte Vergütung oder aber auch nur einen Aufwendungsersatzanspruch (z.B. nach §§ 662, 670 BGB) geltend machen kann. § 4f EStG umfasst neben gegenseitigen Verträgen im Sinne des BGB auch Vereinbarungen über unentgeltliche Geschäftsbesorgungen im Sinne des § 675 BGB. Nicht von § 4f EStG erfasst werden dagegen Aufwendungen für Betreuungsleistungen, die lediglich auf familiärer Grundlage oder aufgrund eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses erfolgen. Die somit erforderliche Abgrenzung zwischen Betreuungsleistungen, die vom Regelungsgehalt des § 4f EStG umfasst werden und den von § 4f EStG nicht erfassten Betreuungsleistungen, die lediglich auf familiärer Grundlage oder auf der Basis eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses erbracht werden, hat danach zu erfolgen, ob zwischen den Steuerpflichtigen und der Betreuungsperson ein ernstgemeintes, gegenseitig berechtigendes und verpflichtendes Schuldverhältnisses bestand, das wie unter fremden Dritten üblich vereinbart und durchgeführt wurde1.

Im Streitfall sind die Voraussetzungen für das Vorliegen von „Dienstleistungen“ im Sinne des § 4f EStG erfüllt. Durch den Abschluss der „Vereinbarungen zur Kinderbetreuung“ vom 22.12.2007, vom 12.05.2008 und vom 14.05.2008 haben die Kläger und die Großeltern schuldrechtliche (vertragliche) Vereinbarungen geschaffen und die Betreuung des Kindes der Kläger nicht im Wege bloßer familiärer Hilfeleistung oder Gefälligkeit, sondern – darüber hinausgehend – auf der Ebene rechtsgeschäftlicher Verbindlichkeit geregelt. Diese Vereinbarungen wurden auch im Vorhinein, d.h. vor Erbringung der Betreuungsleistungen, abgeschlossen und entsprechen in Inhalt und Durchführung dem zwischen fremden Dritten Üblichen. So wurden die Betreuungsleistungen durch die Mütter der Kläger unstreitig erbracht und der von den Klägern aufgrund der Vereinbarungen mit den Betreuungspersonen geschuldete Fahrtkostenersatz jeweils im Wege der Überweisung geleistet. Unschädlich ist, dass die konkreten Tage, an denen die Betreuungsleistungen zu erbringen waren, nicht bereits in den Vereinbarungen selbst festgelegt wurden, sondern bloße Rahmenvereinbarungen abschlossen wurden, die noch der Konkretisierung hinsichtlich der genauen Zeiten, an denen Betreuungsleistungen erforderlich wurden, bedurften. In diesem Zusammenhang hat der Kläger im Erörterungstermin vor dem Finanzgericht nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass jeweils an den Wochenenden im Hinblick auf die zeitliche Situation der folgenden Woche die konkreten Zeiten, in denen die Betreuung des Sohnes der Kläger durch deren Mütter erforderlich wurde, festgelegt wurde. Diese Handhabung führt indes nicht dazu, dass die Vereinbarung nicht als wie unter fremden Dritten üblich anzusehen wäre. Denn sie ergibt sich ersichtlich aus den äußeren Umständen, nämlich insbesondere aus den terminlichen Verpflichtungen der Kläger in der Folgewoche, weshalb eine entsprechende Handhabung auch bei einem Vertragsabschluss mit fremden Betreuungspersonen erforderlich gewesen wäre.

Ebenfalls unschädlich ist der Umstand, dass die Mütter der Kläger die eigentlichen Betreuungsleistungen unentgeltlich erbracht haben und mit den Klägern lediglich Vereinbarungen über den Ersatz der Fahrtkosten getroffen haben, die ihnen im Zusammenhang mit der Betreuung des Sohnes der Kläger entstanden. Denn bei nur teilweise gegebener Entgeltlichkeit erfolgt die Betreuung nur insoweit auf der Grundlage familiärer Gefälligkeit, als sie unentgeltlich erbracht wird. Soweit aber eine Entgeltlichkeit vereinbart ist und diese Vereinbarung auch vollzogen wird, ist die Betreuung in Erfüllung der Vereinbarung über die Erbringung einer Dienstleistung erfolgt2. Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, hat der erforderliche Vergleich mit einer Vertragsgestaltung, wie sie unter fremden Dritten üblich wäre, nicht dergestalt zu erfolgen, dass darauf abzustellen ist, dass eine fremde Betreuungsperson auch für die Betreuungsleistung selbst ein Honorar gefordert hätte. Es kommt vielmehr darauf an, ob die getroffene Vereinbarung über die Verpflichtung der Kläger zum Ersatz der Fahrtkosten auch zwischen fremden Dritten so üblich wäre. Diese Frage ist ohne Weiteres zu bejahen. Denn ein fremder Dritter hätte – neben dem Honorar für die Betreuungsleistung selbst – auf den Ersatz der ihm entstehenden Fahrtkosten bestanden.

Da im Streitfall anzuerkennende rechtsgeschäftliche Vereinbarungen zwischen den Klägern und den Betreuungspersonen getroffen wurden, ist es für die Entscheidung nicht von Bedeutung, dass in anderen Fällen derartige Hilfeleistungen ggf. auf der Grundlage bloßer familiärer Hilfeleistung erfolgen. Denn der Anerkennung einer vertraglichen Vereinbarung, die den Anforderungen eines Fremdvergleichs standhält, steht nicht entgegen, dass in Fällen anderer Steuerpflichtigen und deren Familien ggf. eine nicht-rechtsgeschäftliche Handhabung praktiziert wird. Entgegen der Auffassung des beklagten Finanzamtes steht der Anerkennung der streitgegenständlichen Aufwendungen auch nicht entgegen, dass der Sohn der Kläger im Streitjahr zum Teil auch in einer Kindertagesstätte betreut wurde. Denn die Kl haben glaubhaft ausgeführt, dass die Betreuungsleistungen durch ihre Mütter zusätzlich zu den Aufenthalten des Sohnes in der Kindertagesstätte erforderlich geworden seien. Außerdem sind Notwendigkeit, Angemessenheit, Üblichkeit oder Zweckmäßigkeit der Aufwendungen im Sinne des § 4f EStG nicht zu prüfen.

Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil vom 9.5.2012, 4 K 3278/11 (rechtskräftig)

  1. vgl. zum vormaligen § 33c EStG: BFH, Urteil vom 10.04.1992 – III R 184/90, BStBl II 1992, 814; BFH, Urteil vom 4. Juni 1998 – III R 94/96, BFH/NV 1999, 163 []
  2. vgl. BFH, Urteil vom 10.04.1992 – III R 184/90, BStBl. II 1992, 814 []