Bauzeitzinsen als Herstellungskosten

Der Bundesfinanzhof hatte darüber zu entscheiden, ob Bauzeitzinsen, wenn sie während der Herstellungsphase nicht als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehbar sind, in die Herstellungskosten einbezogen werden können, wenn das fertiggestellte Gebäude durch Vermietung genutzt wird.

Dies hat der Bundesfinanzhof  in einem Fall bejaht, in dem der Steuerpflichtige ein Mehrfamilienhaus errichtete, es zunächst verkaufen wollte, es dann aber aufgrund einer neuen Entscheidung ab Fertigstellung vermietete. Solange das Gebäude veräußert werden sollte, waren die während der Bauphase anfallenden Finanzierungsaufwendungen keine vorab entstandenen Werbungskosten. Die Frage stellte sich aber, ob sie insoweit in die Herstellungskosten und damit in die AfA-Bemessungsgrundlage einbezogen werden konnten.

Aufwendungen, die bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 EStG) erwachsen, mithin durch sie veranlasst sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), können dann nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) sofort abgezogen werden, wenn es sich um Herstellungskosten handelt. Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 HGB1.

Danach sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstands (Wirtschaftsguts), seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Zinsen für Fremdkapital gehören nicht zu den Herstellungskosten (§ 255 Abs. 3 Satz 1 HGB). Wird das Fremdkapital indes zur Finanzierung der Herstellung eines Vermögensgegenstands verwendet, dürfen die Zinsen angesetzt werden, soweit sie auf den Zeitraum der Herstellung entfallen (Bauzeitzinsen); in diesem Falle gelten sie nach § 255 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz HGB als Herstellungskosten des Vermögensgegenstands.

Dieses handelsrechtliche Einbeziehungswahlrecht wird auch einkommensteuerlich gewährt2, und zwar für solche bilanzierende Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG ermitteln3. Dasselbe muss nach dem Prinzip der Gesamtgewinngleichheit4 auch für nicht bilanzierende Steuerpflichtige gelten, die ihren Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermitteln.

Bauzeitzinsen sind auch bei Steuerpflichtigen, die ihre Einkünfte durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermitteln (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, §§ 8 bis 9a EStG), in die Herstellungskosten einzubeziehen, und zwar jedenfalls dann, wenn sie nicht schon im Zeitpunkt ihrer Leistung als Werbungskosten abziehbar sind.

Nach dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 04.07.19905 sind die AfA für den Bereich der Überschusseinkünfte nach den gleichen Grundsätzen zu bestimmen, die für die Gewinneinkünfte gelten. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die Herstellungskosten als Grundlage für die Bemessung der AfA bei den Überschusseinkünften nicht in anderer Weise als bei den Gewinneinkünften ermittelt werden dürfen5. Eine unterschiedliche Auslegung der Begriffe für die Bereiche des Betriebsvermögens einerseits und des Privatvermögens andererseits ist danach zwar nicht ohne Weiteres ausgeschlossen; sie bedarf jedoch der Rechtfertigung durch unabweisbare Gründe, die sich aus der Systematik des Gesetzes und aus besonderen Zwecken der in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften ergeben müssten5.

Solche Gründe liegen für die hier zu entscheidende Frage der Bauzeitzinsen nicht vor.

Es kann dahinstehen, ob es die im Zu- und Abflussprinzip gründende Systematik des Gesetzes verhindert, solche Zinsen in die Herstellungskosten einzubeziehen, die bereits bei ihrer Leistung (§ 11 Abs. 2 EStG) als (vorab entstandene) Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG absetzbar sind6. Denn ein derartiger Fall liegt nicht vor, wenn das hergestellte Gebäude zunächst veräußert werden sollte und der Steuerpflichtige es erst kurz vor Fertigstellung in einen steuerrechtlich bedeutsamen Zusammenhang mit der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung bringt. Hier sind die Zinsen in dem Moment, in dem sie geleistet werden (§ 11 Abs. 2 EStG) keine Werbungskosten und mithin nicht nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG absetzbar.

Die Bauzeitzinsen sind demgegenüber nicht von vornherein steuerrechtlich unerheblich, weil der Steuerpflichtige in der Herstellungsphase zunächst keine steuerrechtlich bedeutsamen Zwecke verfolgte. Ist die AfA gemäß § 7 EStG dazu bestimmt, Aufwendungen des Steuerpflichtigen in Gestalt von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das jeweilige Wirtschaftsgut typisierend periodengerecht zu verteilen7 und ist das Jahr der Herstellung nach § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung das Jahr der Fertigstellung, so kommt es maßgebend darauf an, dass der Steuerpflichtige das hergestellte Gebäude – als Wirtschaftsgut – zur Erzielung von Einkünften nutzt (so § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG). Tut er dies, tritt ein während der Herstellungsphase verfolgter – nicht steuerrechtlich erheblicher – Zweck in den Hintergrund.

Es sind auch keine weiteren Gründe ersichtlich, die Herstellungskosten als Grundlage für die Bemessung der AfA bei den Überschusseinkünften in Bezug auf Bauzeitzinsen in anderer Weise zu ermitteln als bei den Gewinneinkünften: Zutreffend stellt das FG darauf ab, dass Bauzeitzinsen kontrollier- und nachprüfbar nicht nur in der Handelsbilanz erfasst werden8, sondern auch in der Aufstellung der Herstellungskosten, die für die Berechnung der AfA eingereicht werden muss.

Unter diesen Voraussetzungen widerspräche es dem Grundsatz der Gleichbehandlung des Gleichartigen9, wenn man bei Steuerpflichtigen mit Gewinneinkunftsarten die Bauzeitzinsen in die Bemessungsgrundlage einbezieht, es den Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünften aber trotz in gleicher Weise geminderter Leistungsfähigkeit verwehrte10.

Sind nach diesen Grundsätzen die Bauzeitzinsen in die Bemessung der AfA einzubeziehen, so weicht der der Bundesfinanzhof auch  nicht von seinem Urteil in BFHE 159, 439, BStBl. II 1990, 460 ab. Diese Entscheidung betraf Zinsaufwendungen, die als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abziehbar waren.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.05.2012 – IX R 2/12

  1. vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom 25.09.2007 – IX R 28/07, BFHE 219, 96, BStBl. II 2008, 218 []
  2. s. R 6.3 Abs. 4 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien – EStR - []
  3. vgl. BFH, Urteile vom 30.04.2003 – I R 19/02, BFHE 202, 357, BStBl. II 2004, 192 – zur Gewerbesteuer -, und vom 19.10.2006 – III R 73/05, BFHE 215, 438, BStBl. II 2007, 331 – zur Investitionszulage - []
  4. dazu eingehend BFH, Urteil vom 22.06.2010 – VIII R 3/08, BFHE 230, 342, BStBl. II 2010, 1035 []
  5. BFH, Beschluss vom 04.07.1990 – GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl. II 1990, 830 [] [] []
  6. so die Fallkonstellation des BFH-Urteils in BFHE 159, 439, BStBl. II 1990, 460 []
  7. zum Zweck der AfA: BFH, Urteil vom 19.12.2007 – IX R 50/06, BFHE 220, 261, BStBl. II 2008, 480 []
  8. zu diesem Erfordernis s. R 6.3 Abs. 4 Satz 1 EStR []
  9. vgl. dazu BFH, Urteil vom 25.02.2009 – IX R 24/08, BFHE 224, 390, BStBl. II 2009, 587 []
  10. vgl. in diesem Zusammenhang BFH, Urteil vom 07.12.2010 – IX R 46/09, BFH/NV 2011, 797 Rz 22 []

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