Das Sparbuch von der Oma steht einem BAföG nicht zwingend entgegen. So hat jetzt das Verwaltungsgericht Göttingen zwei BAfög-Empfängerinnen Recht gegeben, die sich mit ihrer Klage gegen die Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen durch die Georg-August-Universität wegen verschwiegenen Vermögens gewendet hatten.
Die Klägerinnen sind Schwestern und lebten mit ihren Eltern und ihrer Großmutter zusammen auf einem Bauernhof. Auf den Namen der Klägerinnen waren nach ihrer Geburt Sparbücher angelegt worden. Die Großmutter der Klägerinnen, die laufend Einzahlungen darauf vornahm, war im Besitz der Sparbücher und wollte sie den Klägerinnen zur Hochzeit schenken. Die Klägerinnen wussten wohl von der Existenz dieser Sparbücher, kannten aber nicht die Kontonummer und die Höhe der Forderungen gegen die Bank. Als die ältere der Schwestern für ihr Studium BAföG beantragen wollte, fragte sie ihre Großmutter nach dem Konto. Die Großmutter reagierte abweisend und gereizt mit dem Vorwurf, ihre Enkelin könne ihren Tod wohl nicht abwarten und verweigerte jede Auskunft. Ihr Vater bat die Klägerin, das Thema Sparkonten um des Familienfriedens willen nicht mehr anzusprechen. Weder sie noch – eingedenk der mit der Großmutter gemachten Erfahrungen – ihre jüngere Schwester, die ein Jahr später anfing zu studieren, sprachen die Oma auf das Thema Sparbücher noch einmal an.
Beide Schwestern stellten BAföG-Anträge und gaben dabei an, kein Vermögen zu besitzen.
Durch einen bundesweiten Datenabgleich erfuhr die Beklagte davon, dass die Klägerinnen Freistellungsaufträge erteilt hatten. Im Zuge der Ermittlungen stellte sie die Existenz der auf den Namen der Klägerinnen laufenden Sparkonten fest. Diese wiesen jeweils Bestände auf, die über dem Freibetrag nach dem BAföG in Höhe von 5.200.- Euro lagen. Die Beklagte berechnete darauf hin die den Klägerinnen zustehenden Ausbildungsförderungsleistungen neu und forderte von beiden je ca. 4.000.- Euro zuviel gezahlter Leistungen zurück.
Dagegen haben die Klägerinnen Klage erhoben. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, sie hätten geglaubt, ihre Großmutter sei Inhaberin der Sparbuchforderungen gewesen, da sie sich ihnen gegenüber so benommen habe. Hätten sie mehr über die Sparbücher von ihrer Großmutter erfahren wollen, so hätten sie sie wohl auf Auskunft verklagen müssen. Das sei aber sittlich und moralisch nicht zumutbar. Die Beklagte verteidigte ihre Bescheide im Wesentlichen mit der Begründung, rechtlich seien die Klägerinnen Inhaberinnen der Sparbuchforderungen gewesen, da das jeweilige Konto auf ihren Namen lief. Sie hätten auch die Freistellungsaufträge unterzeichnet und Geld vom Konto abgehoben.
Das Gericht folgte im Ergebnis der Argumentation der Klägerinnen und hob die Rückforderungsbescheide auf.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei schon fraglich, ob die Sparbuchforderungen den Klägerinnen nur deshalb als eigenes Vermögen zugerechnet werden könne, weil die Konten auf ihren Namen liefen. Diese Frage ließ das Gericht offen, weil sich die Klägerinnen auf Vertrauensschutz berufen könnten. Die BAföG-Leistungen seien für ihren Lebensunterhalt verbraucht worden. Sie hätten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben zu ihrem Vermögen gemacht, was die Berufung auf Vertrauensschutz ausgeschlossen hätte. Sie konnten und durften in Anbetracht des Verhaltens der Großmutter und ihres Vaters davon ausgehen, dass nicht sie, sondern ihre Großmutter Forderungsinhaberin war. Zudem habe es die Beklagte versäumt, die besondere Familiensituation in ihre Ermessensüberlegungen einzustellen. Denn die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Ausbildungsförderung sei nicht zwingend, sondern stehe im Ermessen der Behörde.
Gegen die Entscheidung kann die Beklagte Antrag auf Zulassung der Berufung beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg stellen.
Verwaltungsgericht Göttingen, Urteil vom 9. Oktober 2007 – 2 A 144/06