Behandlungsfehler in der Schweiz – Deutsches oder Schweizer Recht?

Der Bundesgerichtshof hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Patient einen Schweizer Arzt wegen unzureichender Aufklärung über die mit einer Medikamenteneinnahme verbundenen Risiken auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat.

Am 13. Juli 2004 stellte sich der in Deutschland wohnhafte Patient (der spätere Kläger) in dem von dem Schweizer Kanton Basel-Stadt betriebenen Universitätsspital zur ambulanten Behandlung einer chronischen Hepatitis C-Erkrankung vor. Die ersten Gespräche und Untersuchungen erfolgten am 13. und 15. Juli 2004 durch Prof. Dr. B.. Am 26. Juli 2004 übernahm der beim Spital beschäftigte Beklagte die weitere Behandlung. Er verordnete dem Kläger eine medikamentöse Therapie in Form von Tabletten und Eigeninjektionen über eine Dauer von 24 Wochen, die – nach Erstinjektion im Universitätsspital am 30. Juli 2004 – am Wohnort des Klägers unter begleitender Kontrolle seines Hausarztes stattfand. Die Rechnungen für die Behandlung wurden von dem Universitätsspital erstellt und von dem Kläger bezahlt. Im November 2004 brach der Kläger die Therapie ab.

Der Kläger, der gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB die Anwendung deutschen Rechts als des Rechts des Erfolgsortes gewählt hat, und daher Klage vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen erhob, macht geltend, bei ihm seien schwere Nebenwirkungen der Medikamente aufgetreten, über die er nicht ausreichend aufgeklärt worden sei.

Mit Urteil vom 26. November 2009 hat das Landgericht die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Es hat die geltend gemachten Ansprüche nach deutschem Recht beurteilt, da die Nebenwirkungen der Medikamente in Deutschland aufgetreten seien. Das Oberlandesgericht Karlsruhe ist von der Anwendbarkeit Schweizer Rechts ausgegangen und hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als (endgültig) unbegründet abgewiesen wird.

Der Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass sich die deliktische Haftung des Beklagten gemäß Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nach Schweizer Recht richtet. Diese Bestimmung verdränge als Ausnahmebestimmung in besonders gelagerten Fällen die allgemein gehaltenen Anknüpfungsregeln der Art. 38 bis 40 Abs. 2 EGBGB – mithin auch das vom Kläger in Anspruch genommene Wahlrecht des Verletzten aus Art. 40 Abs. 1 S. 2. Danach komme ein anderes Recht zur Anwendung, mit dem der zu beurteilende Sachverhalt eine wesentlich engere Verbindung aufweise. Der vorliegend zu beurteilende Lebenssachverhalt stehe mit der gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB an sich zur Anwendung berufenen deutschen Rechtsordnung in geringem, mit der Schweizer Rechtsordnung jedoch in wesentlich engerem Zusammenhang. Auch wenn zwischen den Parteien kein vertragliches Rechtsverhältnis bestanden habe, seien ihre Beziehungen zueinander maßgeblich durch das zwischen dem Kanton als Träger des Universitätsspitals und dem Kläger bestehende und in der Schweizer Rechtsordnung verwurzelte ärztliche Behandlungsverhältnis geprägt. Der beim Spital beschäftigte Beklagte war einer der behandelnden Ärzte und mit der Erfüllung der dem Kanton aufgrund des mit dem Kläger bestehenden Behandlungsverhältnisses obliegenden Pflichten betraut gewesen. Der behauptete Aufklärungsfehler unterlief, so der Bundesgerichtshof, dem Beklagten im inneren sachlichen Zusammenhang mit der Erfüllung der sowohl den Kanton aufgrund des Behandlungsverhältnisses mit dem Kläger als auch ihn als behandelnden Arzt treffenden Pflichten.

Gemäß § 3 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Basel-Stadt über die Haftung des Staates und seines Personals vom 17. November 1999 (Haftungsgesetz) ist der Beklagte als Beschäftigter des Kantons aber von jeder Haftung frei, so der Bundesgerichtshof. Gemäß § 3 Abs. 1 Haftungsgesetz hafte der Kanton nach den Bestimmungen des Haftungsgesetzes für den Schaden, den sein Personal in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich zufüge.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.07.2011- VI ZR 217/10

 

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