Drogeriemärkte und andere Geschäfte dürfen nach einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster einen Bestell- und Abholservice für Arzneimittel in Zusammenarbeit mit einer Versandhandelsapotheke unterhalten.
Im Juni 2004 hatte eine Drogeriemarktkette in Kooperation mit einer niederländischen Versandhandelsapotheke aus Venlo in acht Testfilialen in Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach und Viersen einen Bestell- und Abholservice für Arzneimittel eingerichtet: Der Kunde füllte den in der Filiale ausliegenden Bestellschein aus, steckte ihn – bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln zusammen mit dem Rezept – in eine Bestelltasche und warf diese in eine Bestellbox. Spätestens 72 Stunden später konnte der Kunde das Paket mit den aus Venlo gelieferten Arzneimitteln in der Filiale abholen.
Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf sah darin einen Verstoß gegen das Arzneimittelrecht, das eine Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel nur in einer Apotheke oder im genehmigten Versandhandel durch eine Apotheke vorsehe, und untersagte den Service. Der Drogeriemarkt und die Versandhandelsapotheke setzten daraufhin ihre Kooperation aus. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hatte der Drogeriemarkt zunächst weder vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf noch im Beschwerdeverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg. Im Hauptsacheverfahren wurde ihre Klage vom Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 15.02.2006 abgewiesen. Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung des Drogeriemarktes hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr jedoch stattgegeben. In der mündlichen Urteilsbegründung heißt es, das Vertriebskonzept des Drogeriemarktes und der Venloer Apotheke verstoße weder gegen das Arzneimittelrecht noch gegen das Apothekenrecht. Seit 2004 lasse dieses den Versandhandel mit Arzneimitteln durch Apotheken zu. Auch niederländische Apotheken könnten Arzneimittel nach Deutschland versenden. Der Sache nach entspreche das Vertriebskonzept zwar nicht dem herkömmlichen Bild des Versandhandels, bei dem eine Ware an eine vom Besteller angegebene Anschrift geliefert werde. Der vom Gesetz verwendete Begriff des Versandhandels sei aber für neue Formen des Versandhandels offen. Zwischenzeitlich hätten sich vermehrt Formen des Versandhandels entwickelt, bei denen der Besteller die Ware von Abholpunkten, etwa in Gewerbebetrieben mit langen Öffnungszeiten wie Tankstellen oder Videotheken, oder in Paketstationen rund um die Uhr abholen könne. In solchen Formen würden auch Arzneimittel vertrieben. Das Vertriebskonzept von dm und der Venloer Apotheke sei nicht anders zu bewerten, es berge eher weniger Gefahren für die Arzneimittelsicherheit in sich als der Vertrieb von Arzneimitteln im Versandhandel herkömmlichen Stils oder mit anderen Abholstationen.
Der Drogeriemarkt unterhalte mit dem Bestellservice auch keine verbotene Rezeptsammelstelle. Dem Inhaber einer Präsenzapotheke sei eine Rezeptsammelstelle außerhalb der Apothekenräume grundsätzlich untersagt. Demgegenüber sei das Sammeln von Rezepten außerhalb der Apothekenräume für eine Versandhandelsapotheke geradezu typisch. Mit der Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln sei darum auch das Sammeln von Rezepten in Briefkästen oder wie hier in Bestellboxen in den Drogeriemarkt-Filialen zugelassen.
Unabhängig davon, dass damit die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Oberbürgermeisters der Stadt Düsseldorf gefehlt hätten, sei die gegen den Drogeriemarkt ergangene Untersagungsverfügung auch deshalb aufzuheben, weil die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht gesehen und betätigt habe. Die Behörde sei zu Unrecht von einer Pflicht zum Einschreiten ausgegangen. Auch habe sie nicht in Erwägung gezogen, ob nicht anstelle oder neben dem Drogeriemarkt die Venloer Apotheke hätte in Anspruch genommen werden können. Dieser Ermessensnichtgebrauch sei im gerichtlichen Verfahren nicht mehr zu heilen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Zwar habe die Frage, ob ein Vertriebskonzept wie das zwischen dem Drogeriemarkt und der Venloer Apotheke vereinbarte arzneimittel- und apothekenrechtlich zulässig sei, grundsätzliche Bedeutung; diese Frage sei aber nicht allein entscheidungserheblich. Der weiterhin entscheidungserhebliche Ermessensnichtgebrauch rechtfertige nicht die Zulassung der Revision. Gegen die Nichtzulassung der Revision ist allerdings die Beschwerde möglich, über die dann das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 07.11.2006 – 13 A 1314/06