Dealer von GBL machen sich nach dem Arzneimittelgesetz strafbar

Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Urteil vom 22. Dezember 2008 – 7 Kls 352 Js 22486/06) bestätigt, mit dem zwei Angeklagten, die mit der chemischen Substanz Gamma-Butyrolacton (GBL) – einem der Grundstoffe zur Herstellung von „liquid ecstasy“ – handelten, wegen unerlaubten Inverkehrbringens bedenklicher Arzneimittel in acht Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von fünf Jahren und drei Monaten bzw. von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurden (außerdem hatte das Landgericht den Verfall von Wertersatz in Höhe von 463.410,- Euro angeordnet).

Der Bundesgerichtshof hat die Revisionen der beiden Angeklagten gegen das landgerichtliche Urteil als unbegründet zurückgewiesen und erstmals höchstrichterlich entschieden, dass es sich bei GBL – sowohl nach der alten als auch nach der neuen, seit dem 23. Juli 2009 geltenden Gesetzesfassung – um ein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes handelt. Dies war bislang, insbesondere unter den Konsumenten des Mittels, umstritten.

Nach den landgerichtlichen Feststellungen wird GBL, von dem jährlich allein in Deutschland etwa 50.000 Tonnen industriell hergestellt werden, hauptsächlich in der chemischen Industrie verwendet, etwa als Ausgangsstoff für chemische Synthesen oder als Wirkstoff in Reinigungs- und Lösungsmitteln. GBL kann daneben aber auch als Droge konsumiert werden. In geringen Dosen führt es zu Rauschzuständen. Insoweit hat sich bereits ein gewisser Markt an Konsumenten gebildet. Bei Überdosierungen oder in Verbindung mit Alkohol kann die Einnahme von GBL zu schweren Gesundheitsbeeinträchtigungen führen. So kann es zu Krämpfen, Brechreiz und komatösen Zuständen kommen, aber auch einen Atemstillstand oder sogar Herz- oder Kreislaufversagen zur Folge haben. Nachdem GBL aus dem Anwendungsbereich des BtMG herausgenommen worden war, hat sich die chemische Industrie wegen der Missbrauchsgefahren einer freiwilligen Selbstkontrolle unterworfen, dem sog. Monitoring, mit der Folge, dass der Verkauf der Substanz an private Abnehmer erheblichen Beschränkungen unterliegt. Die Angeklagten, die das von ihnen über das Internet vertriebene GBL im Chemiegroßhandel erwarben, hielten sich nicht an diese Verkaufsbeschränkungen. Nach den landgerichtlichen Feststellungen wollten sie das GBL an Privatabnehmer verkaufen, die die Absicht hatten, das GBL als Droge zu verwenden. Auf ihren Internetseiten warben sie deshalb mit einem „Verkauf an Privat/kein Monitoring“. Um den tatsächlichen Verwendungszweck des GBL als Droge zu verschleiern, boten die Angeklagten es als „wheel-cleaner“ oder „glue-remover“ an. Im Tatzeitraum von März 2005 bis Februar 2007 erhielten die Angeklagten insgesamt acht Lieferungen des Stoffes in einer Gesamtmenge von 5699 Litern, die sie bis auf wenige hundert Liter an ihre Kunden zum Konsum abgaben. Sie erzielten hierbei einen Erlös von etwa 564.000,- Euro. Durch die Einnahme des von den Angeklagten vertriebenen GBL kam es bei einigen Konsumenten, die zum Teil noch minderjährig waren, zu beträchtlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen wie Bewusstseinsverlust, Schwindel-gefühlen, Erbrechen oder schwerer Abhängigkeit.

Das Landgericht ist bei seiner rechtlichen Bewertung davon ausgegangen, dass GBL zwar nach der Verkehrsanschauung wegen seiner hauptsächlichen Verwendung in der chemischen Industrie kein Arzneimittel darstelle. Im vorliegenden Fall sei aber ausnahmsweise auf die subjektive Zweckbestimmung durch die Angeklagten abzustellen, weil das Mittel für mehrere Verwendungszwecke geeignet sei und die Angeklagten es zu Konsumzwecken abgegeben hätten, so dass GBL vorliegend dennoch ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG in der bis 22. Juli 2009 geltenden Fassung sei.

Der 1. Strafsenat hat diese Auffassung nur insoweit bestätigt, als es sich bei GBL um ein Arzneimittel im Sinne des AMG handelt. Der Auffassung des Landgerichts, wonach sich lediglich aus der subjektiven Zweckbestimmung durch die Angeklagten die Arzneimitteleigenschaft des Mittels ergebe, ist der 1. Strafsenat dagegen nicht gefolgt. Ausschlaggebend hierfür war, dass aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Arzneimittelbegriff die subjektive Zweckbestimmung eines Mittels nur zur Beschränkung, aber nicht zur Begründung einer Strafbarkeit herangezogen werden darf. In den Fällen, in denen nach der Verkehrsanschauung objektiv kein Arzneimittel vorliegt, kann die Arzneimitteleigenschaft daher auch nicht durch einen Rückgriff auf eine subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller oder denjenigen, der das Mittel in Verkehr gebracht hat, begründet werden. Die insoweit fehlerhafte Bewertung durch das Landgericht hat dennoch nicht zur Urteilsaufhebung geführt. Der 1. Strafsenat hat entschieden, dass es sich bei GBL auch nach der Verkehrsanschauung um ein Arzneimittel nach dem AMG handelt. Maßgeblich hierfür waren unter anderem die pharmakologische Wirkung von GBL sowie der Umstand, dass die Verwendungsmöglichkeiten als Droge – insbesondere aufgrund von Beiträgen im Internet – in der Öffentlichkeit bekannt sind und dass sich dementsprechend schon ein Markt an Konsumenten gebildet hat. Der 1. Strafsenat hat in seiner Entscheidung zudem klargestellt, dass sich an dieser Rechtslage auch durch die Neufassung des Arzneimittelgesetzes nichts geändert hat und die Abgabe von GBL zu Konsumzwecken auch weiterhin strafbar ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Dezember 2009 – 1 StR 277/09

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