Der begrenzt lautstarke Schäferhund

Immer wieder werden die Gerichte wegen (manchmal auch nur angeblichem) Hundegebell beschäftigt. Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem Fall, in dem ein Nachbar eine weitreichende Verpflichtung des Hundehalters dazu anstrebte, fast jedes Bellen zu unterbinden, entschieden, daß (lediglich) die Nachtruhe einzuhalten sei:

Der Beklagte wird verurteilt, geeignete Maßnahmen vorzunehmen, die gewährleisten, dass von dem auf seinem Grundstück gehaltenen Schäferhund V. wochentags und an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 22:00 Uhr bis 7:00 Uhr keine wesentlichen lautstarken Lärmbelästigungen in Form von Bellattacken ausgehen, die das Eigentum der Klägerin an ihrem Grundstück, ihren Besitz und ihre Gesundheit beeinträchtigen.

Der Hintergrund der Entscheidung:

Die Parteien sind seit 2001 benachbarte Grundstückseigentümer in der G.straße in G. Der Beklagte hält auf seinem Grundstück einen Schäferhund, dessen Gebell Gegenstand des Rechtsstreits ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts bellt der Hund des Beklagten morgens vor sechs Uhr, wenn die Zeitung gebracht wird, und wenn der Lkw des weiteren Nachbarn der Klägerin, des Brunnenbauers R., am Grundstück der Klägerin vorbei auf sein Gewerbegrundstück fährt. Der Hund bellt auch, wenn die Post oder Paketdienste – normalerweise mittags – erscheinen. Gemäß Protokoll des Landgerichts vom 21.09.2005 über die Einnahme richterlichen Augenscheins bellte der Hund des Beklagten, wenn jemand die Garageneinfahrt betrat und auf ihn zulief, wobei er allerdings nur kurz anschlug und nicht sonderlich laut bellte.

Die klagende Nachbarin hat unter Aufzählung zahlreicher Störungen in dem Zeitraum von März 2004 bis Juni 2005 (unter anderem, neben einem Schadensersatzantrag) beantragt, den Hundehalter zu verurteilen, es zu unterlassen, dass wochentags in der Zeit von 22:00 Uhr bis 7:00 Uhr und 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen ganztags durch den auf seinem Grundstück gehaltenen Schäferhund V. wesentliche lautstarke Lärmbelästigungen in Form von Bellattacken ausgehen, die das Eigentum der Klägerin an ihrem Grundstück, dem Besitz der Klägerin und ihre Gesundheit beeinträchtigen und für jeden Fall des Zuwiderhandelns ein Ordnungsgeld anzudrohen.

Der beklagte Hundehalter hat sich darauf berufen, dass die Parteien in einem Mischgebiet wohnen und in der Nachbarschaft weitere Hunde gehalten würden. Sein Hund schlage in Ruhezeiten und nur ausnahmsweise an und das schon gar nicht in Form von Dauergebell sowie Bellattacken.

Das Oberlandesgericht führte aus:

Anspruchsgrundlage ist § 1004 i. V. m. § 906 BGB. Nach dem unstreitigen Sachverhalt und auch auf Grund der erstinstanzlich erhobenen Beweise ist davon auszugehen, dass von dem Grundstück des Beklagten in der Vergangenheit in Folge des von ihm dort gehaltenen Hundes Belästigungen ausgegangen sind, durch die die Klägerin in der Nutzung ihres Grundstücks beeinträchtigt worden ist und die sie nicht hinnehmen muss, weil sie die Wesentlichkeitsgrenze des §§ 906 BGB übersteigen.
Der Beklagte hält auf seinem Grundstück einen Hund. Dieser Hund bellt. Bei einem Hundegebell handelt es sich um Geräusche, die generell störend sein können und damit um Emissionen im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB darstellen.
Im Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die tagsüber (16:00 Uhr) stattgefunden hat, schlug der Hund durch zwei- bis dreimaliges nicht sonderlich lautes Bellen an, als sich sämtliche beim Ortstermin anwesende Personen (fünf) über die Einfahrt unmittelbar auf den am Zaun liegenden Hund zu bewegten. Der Hund bellte auch, als der Richter allein über die Einfahrt des Beklagten unmittelbar auf den Hund zuging und hörte erst auf, als er das Grundstück verließ. Eine Auswertung des von der Klägerin vorgelegten Videos durch das Landgericht ergab, dass bis auf eine Ausnahme, der Hund des Beklagten, wenn überhaupt, dann mit etwa fünfmaligem Bellen reagierte. Für den 5. Juli 2003, 14:00 Uhr ist auf dem Video festgehalten, dass der Hund ca. 30mal bei einer Postzustellung und zwar solange bellte, bis sich die Zustellerin zurück in Richtung Straße begab. Derartiges Gebell soll nach den Bekundungen der Zeugen I. und S. Sch. die Regel sein, während nach den Bekundungen der vom Beklagten benannten Zeugen S. und E. F. sowie J. und D. N. der Hund des Beklagten so gut wie gar nicht anschlage, insbesondere nicht die Nacht- oder die Sonn- und Feiertagsruhe störe.
Nach diesen vom Landgericht getroffenen Feststellungen bellt der Hund dann, wenn jemand das Grundstück des Beklagten betritt und, wenn er nicht von dem Beklagten beruhigt wird, solange, bis die Person das Grundstück wieder verlässt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Video, aber auch aus den Bekundungen der Zeugen I. und S. Sch., S. F., E. F., J. N. und D. N., dass der Hund bellt, wenn sich der Nachbar R. morgens zwischen 6:30 Uhr und 7:00 Uhr mit seinem Pritschenwagen nähert.

Danach ist jedenfalls für die nächtlichen Ruhezeiten von einer wesentlichen Lärmbeeinträchtigung auszugehen, die als “Bellattacke” anzusehen ist, auch wenn dem Landgericht das Bellen nicht sonderlich laut erschien. Denn es geht um die allgemein geschützte Nachtruhe, also um Zeiten, zu denen werktägliche Hintergrundgeräusche, wie sie normalerweise in einem Mischgebiet vorhanden sind, wie etwa der alltägliche Autoverkehr fehlen, so dass schon deswegen die Wirkung einer Lärmquelle erhöht ist. Zudem wirkt sich derartiger auch kurzfristiger Lärm zu diesen Zeiten ohnehin besonders störend aus. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob Geräuschemissionsrichtwerte überschritten werden. Auch Geräuschemissionen unterhalb eines bestimmten Lärmpegels werden danach, was ihre Erheblichkeit und Zumutbarkeit angeht, entscheidend von wertenden Elementen wie solchen der Herkömmlichkeit, der sozialen Adäquanz und einer allgemeinen Akzeptanz mitgeprägt1. Geräusche, welche die Aufmerksamkeit in besonderem Maße auf sich ziehen, wie vorliegend Hundegebell zu nächtlichen Ruhezeiten, sind eine störende Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB auch dann, wenn sie diejenige Phonstärke nicht überschreiten, bei der Verkehrs- und Industriegeräusche noch hinnehmbar sind; sie beeinträchtigen schon bei einer Lautstärke, mit der sie sich in das Bewusstsein desjenigen drängen, der sie nicht hören will. Zu diesen Geräuschen, die nach ihrer Art den unfreiwillig Hörenden in besonderem Maße beeinträchtigen gehört – neben unerwünschter Musik auch Hundegebell2 insbesondere zu Ruhezeiten.

Jedenfalls was die nächtlichen Ruhezeiten angeht, muss die Klägerin nach alledem das störende Hundegebell nicht nach § 906 Abs. 1 BGB als nur unwesentliche Beeinträchtigung hinnehmen. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass das Grundstück der Beklagten in einem Mischgebiet liegt. Denn auch in Mischgebieten sind nächtliche Ruhezeiten einzuhalten. Schließlich ist es dem Beklagten auch zuzumuten, den Hund in den nächtlichen Ruhezeiten – etwa durch Unterbringung im Haus – so zu halten, dass sein Gebell die Klägerin nicht stört.

Hat danach die Klage, was die Nachtzeiten angeht, Erfolg, gilt dies nicht in gleicher Weise, soweit die Klägerin derartige Ruhestörungen auch für die Sonn- und Feiertage sowie die Mittagsruhe zu unterbinden verlangt. Da Sonn- und Feiertags keine Post ausgetragen wird und auch der Betrieb des Brunnenbauers der Sonntagsruhe unterliegen dürfte, sind Störungen zu dieser Zeit nicht feststellbar. Gleiches gilt für die Mittagsruhe, da gemäß den Feststellungen des Landgerichts zu dieser Zeit wegen der in einem Mischgebiet vorhandenen Hintergrundgeräusche das Hundegebell nicht sonderlich auffällt.

Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 11. Januar 2007 – 5 U 152/05

  1. BVerwG, Urteile vom 21.05.1976 – IV C 80.74; vom 22.05.1987 – 4 C 33/83 []
  2. OLG Hamm, in AgrarR 1989, 312 []

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