Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts München müssen Mieträume im Bereich einer historisch gewachsenen Stadt, die wegen ihrer Lage grundsätzlich einer erhöhten Hochwassergefahr ausgesetzt ist, wenn sie bei Hochwasser nicht mehr geräumt werden können, so beschaffen sein, dass sie gegen solche Hochwasser geschützt sind, die voraussehbar sind und für deren Eintritt tatsächliche Anhaltspunkte bestehen.
In der Zeit des Klimawandels bedeutet dies, so das Oberlandesegricht München, dass die Mieträume nach den baulichen Verhältnissen nicht nur gegen ein Hochwasser gesichert sein müssen, das den bisherigen bekannten höchsten Wasserstand aus zurückliegenden Jahren erreicht, sondern dass beim Hochwasserschutz des Gebäudes ein gewisser „Sicherheitszuschlag“ zu berücksichtigen ist.
Ein Tiefgaragenstellplatz, der nach den baulichen Verhältnissen gegen ein Hochwasser gesichert ist, das den bis dahin verzeichneten höchsten Wasserstand von 10,80 m noch um knapp 80 cm übertreffen darf, ohne dass es zu einem Eindringen von Wasser kommt, ist nach diesen Kriterien nicht mangelhaft im Sinne von § 536 BGB.
In dem entschiedenen Fall striiten die Parteien um die Verpflichtung der Beklagten, für die Beschädigung des Pkw des Klägers Ersatz zu leisten, die bei der Überschwemmung der Tiefgarage der Beklagten, in der der Wagen abgestellt war, beim Hochwasser im Juni 2013 in Passau entstanden ist.
Der Kläger fuhr am 30.05.2013 um 11:01 bei einem Pegelstand der Donau von 5,55 m in den Teil des Parkhauses der Beklagten ein, der nur Parkflächen im Erdgeschoß und in zwei Tiefgeschossen beinhaltet und über keine Zufahrt zum anderen Teil des Parkhauses mit den höher gelegenen Ebenen verfügt, und stellte sein Fahrzeug auf der Ebene 0 ab.
Im Einfahrtsbereich des Parkhauses sind Schotten angebracht, auf deren mögliche Schließung bei Hochwasser durch ein Schild hingewiesen wird. Bei dem bislang höchsten Wasserstand nach Installierung dieser Schotten im Jahr 2002 in Höhe von ca. 10,80 m blieb das Parkhaus völlig trocken.
Bei einem Pegelstand von etwa 7,70 m erfolgte am 01.06.2013, gegen 20:00 Uhr die Schließung der Schotten. Danach war eine Ausfahrt aus der Garage nicht mehr möglich. Aufgrund des weiteren Ansteigens der Donau in den folgenden Tagen drang durch die Lichtschächte an den anderen Seiten des Gebäudes Wasser in die Garage ein, während die angebrachten Schotten nach wie vor dicht blieben, und verursachte an dem Fahrzeug des Klägers mit einem Zeitwert von € 11.468,00 einen Totalschaden.
Das Landgericht Passau hat die Klage auf Schadensersatz vollumfänglich abgewiesen mit der Begründung, der Beklagten seien weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit, auf die nach Nr. 5 der Vertragsbedingungen ihre Haftung beschränkt sei, vorzuwerfen1.
Die hiergegen gerichtete Berufung zum Oberlandesgericht München blieb erfolglos.
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 823 Abs. 1, 831 BGB; §§ 535, 280 Abs. 1, 276, 278 BGB scheitert bereits an einer mangelnden Pflichtverletzung, so dass es auf die Frage des Verschuldens auf Seiten der Beklagten und die vertragliche Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht ankommt.
Nachdem der Schaden am Fahrzeug des Klägers nicht durch aktives Handeln seitens der Beklagten bzw. eines ihrer Gehilfen herbeigeführt worden ist, kommt eine Haftung nur bei einer Verletzung von vertraglichen Schutz- und Obhutspflichten bzw. von Verkehrssicherungspflichten durch Unterlassen gebotener Handlungen in Betracht, wobei zu beachten ist, dass nach den Vertrags- und Einstellbedingungen der Beklagten zwischen den Parteien des Rechtsstreits eine mietvertragliche Beziehung vorliegt unter Ausschluss von Pflichten, die „über die reine Raumüberlassung“ hinausgehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern2.
Die Beklagte trifft deshalb als Vermieterin des Geschädigten grundsätzlich die Pflicht, alle ihr zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung ihres Mieters durch eine Gefahrenquelle oder einen gefahrdrohenden Zustand der Mietsache in ihrem Verantwortungsbereich zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Es muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden2.
Zu dem Zeitpunkt, als der Kläger am 30.05.2013 um 11:01 in die Garage einfuhr, war für die Beklagte noch nicht zu erkennen, dass aufgrund der anhaltenden Regenfälle ein Pegelstand erreicht werden könnte, der über den bisher höchsten Wasserstand, dem die Schotten standgehalten hatten, weit hinausgeht.
Die erste Warnung des deutschen Wetterdienstes vor Dauerregen und Hochwassergefahr erfolgte am 30.05.2013 um 17:15 und prognostizierte einen zu erwartenden Pegelstand der Meldestufe 1. Die Beklagte traf deshalb bei Einfahrt des Klägers in die Garage keine weitere Warnpflicht, die über die Hinweise in den vorhandenen Schildern zur Möglichkeit der Schottenschließung hinausging.
Die Beklagte traf auch keine Pflicht, vor Schließung der Schotten am 01.06.2013 gegen 20:00 Uhr neben den hierzu ständig laufenden Lautsprecherdurchsagen den Kläger über Polizei und/oder Melderegister ausfindig machen zu lassen, damit er sein Fahrzeug noch entfernen könne, oder dieses selbst abschleppen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt lag die amtliche Hochwasserprognose bei einem zu erwartenden Höchststand von ca. 9,00 m. Nachdem das Garagengebäude bereits einem Pegelstand von 10,80 m im Jahr 2002 problemlos standgehalten hatte, musste die Beklagte angesichts der erheblich darunter liegenden Prognose auch keine Maßnahmen zur Evakuierung noch verbliebener Fahrzeuge treffen.
Die Beklagte hätte auch bei dem weiter steigenden Hochwasser keine Vorkehrungen zur Abdichtung der Kellerschächte treffen müssen.
Nach den Informationen, die die Stadt Passau an die Betroffenen im Laufe des 02.06.2013 weitergeben konnte, war für den Nachmittag dieses Tages noch ein Wasserstand von bis zu 10,50 m prognostiziert. Aufgrund dieser Vorhersage, die immer noch unter dem früheren Pegelhöchststand lag, bestand keine Veranlassung, im Tagesverlauf weitere Abdichtmaßnahmen zu treffen.
Als die Stadt Passau schließlich am 02.06.2013 gegen 20:00 einen neuen zu erwartenden Pegelstand von über 12 m bekannt gab, ist aufgrund der Uhrzeit und aufgrund der Gesamtsituation in der Stadt nicht davon auszugehen, dass noch irgendwelche Vorkehrungen zur Abdichtung der Kellerschächte möglich und erfolgversprechend gewesen wären2, da zu diesem Zeitpunkt nach Ausrufung des Katastrophenfalles für die vorhandenen Hilfskräfte die Personenrettung im Vordergrund stehen musste.
Die Beklagte haftet auch nicht aus §§ 535, 536, 536a Abs. 1 BGB auf Schadensersatz, da der vermietete Stellplatz nicht mit einem anfänglichen Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB behaftet war.
Nach §§ 535, 536, 536a Abs. 1 BGB haftet ein Vermieter auch ohne Verschulden dem Mieter auf Ersatz des Schadens, der auf solche bereits bei dem Abschluss eines Mietvertrages vorhandene Fehler der Mietsache zurückzuführen ist, die deren Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch aufheben oder mindern. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind als derartige Fehler der Mietsache nicht nur solche Mängel zu verstehen, mit denen die Mietsache selbst behaftet ist, sondern auch tatsächliche und rechtliche Verhältnisse und Zustände, die mit der Mietsache zusammenhängen und sie in ihrer Tauglichkeit zu dem vertragsmäßigen Gebrauch unmittelbar beeinträchtigen.
Daraus folgt, dass Mieträume so beschaffen sein müssen, dass sie unter gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Wasserverhältnissen gegen Eindringen von Wasser geschützt sind3. Für Mieträume im Bereich einer historisch gewachsenen Stadt, die wegen ihrer Lage grundsätzlich einer erhöhten Hochwassergefahr ausgesetzt ist, bedeutet dies, dass die Räume zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages gegen solche Einwirkungen geschützt sein müssen, die voraussehbar sind und für deren Eintritt tatsächliche Anhaltspunkte bestehen3. In Zeiten des Klimawandels mit immer häufiger auftretenden und immer heftiger ausfallenden Unwettern müssen Mieträume deshalb nach den baulichen Verhältnissen nicht nur gegen ein Hochwasser gesichert sein, das den bisherigen bekannten höchsten Wasserstand aus zurückliegenden Jahren erreicht; vielmehr ist beim Hochwasserschutz eines Gebäudes ein gewisser „Sicherheitszuschlag“ zu berücksichtigen.
Aufgrund der Beweisaufnahme stand dabei zur Überzeugung des Oberlandesgerichts fest, dass erst am 03.06.2013 gegen 02:00 Uhr morgens Wasser über die Lichtschächte an den Seitenwänden des Gebäudes in die Garage eindrang und zur Überflutung und Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers führte, als nach der amtlichen Messung ein Pegelstand von etwa 11,60 m zu verzeichnen war.
Der vom Kläger angemietete Stellplatz war damit nach den baulichen Verhältnissen gegen ein Hochwasser gesichert, das den bisherigen höchsten Wasserstand aus dem Jahr 2002 von 10,80 m noch um knapp 80 cm übertreffen durfte, ohne dass es zu einem Eindringen von Wasser kommen konnte.
Ein derartiger „Sicherheitszuschlag“ beim Hochwasserschutz des Gebäudes und damit auch der Stellfläche ist nach Dafürhalten des Oberlandesgerichts München ausreichend, um von einer solchen Beschaffenheit der Mieträume zu sprechen, dass sie unter gewöhnlichen, der örtlichen Lage entsprechenden Wasserverhältnissen auch unter Beachtung gesteigerter Naturereignisse gegen Eindringen von Wasser geschützt sind.
Der vom Kläger angemietete Stellplatz war daher nicht mangelhaft im Sinne von § 536 a Abs. 1 BGB, auch wenn er wider alles Erwarten dennoch durch das „Jahrhunderthochwasser“ überflutet wurde.
Oberlandesgericht München, Urteil vom 29.01.2015 – 32 U 1185/14
- LG Passau, Urteil vom 03.03.2014 – 4 O 764/13 [↩]
- BGH, Urteil vom 16.05.2006 – VI ZR 189/05 [↩] [↩] [↩]
- BGH, Urteil vom 09.12.1970 – VIII ZR 149/69 [↩] [↩]