Was fällt unter das allgemeine Lebensrisiko? Mit dieser Frage mußte sich das Oberlandesgericht Karlsruhe beschäftigen.
Was war passiert?
Nach einem Sturz in der Tiefgarage ihrer Wohnanlage verlangte die Klägerin vom Hausmeisterservice wegen Verletzung seiner Reinigungspflicht Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 6.000 Euro und Schadensersatz. Nach dem Hausmeistervertrag war der Beklagte verpflichtet, die offene Tiefgarage einmal im Monat zu reinigen und dabei Spinnweben zu entfernen.
Die Klägerin hatte vorgetragen, sie habe im Mai 2008 mit ihrem Ehemann mit dem Auto wegfahren wollen. Noch bevor sie in das Fahrzeug eingestiegen sei, habe ihr Ehemann gesehen, dass sich in ihrer Kopfhöhe eine fette schwarze Spinne an einem Faden herabgelassen habe, und sie durch Zuruf gewarnt. Im gleichen Moment habe sie die Spinne ebenfalls gesehen, sei reflexartig einen Schritt zurück getreten und habe dabei das Gleichgewicht verloren. Bei dem Sturz habe sie eine Beckenprellung rechts, eine Prellung der rechten Gesichtshälfte und einen komplizierten Bruch am rechten Handgelenk davongetragen.
Die Entscheidung:
Das Landgericht Mannheim hatte die Klage abgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Landgerichts bestätigt und die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen, da die Ursächlichkeit der behaupteten Pflichtverletzung für den behaupteten Schaden zu verneinen sei.
Nach Auffassung des Senats habe die Klägerin weder ausreichend vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass die behauptete Pflichtverletzung, nämlich die schlechte oder unterlassene Säuberung der Tiefgarage, für ihren Sturz ursächlich war. Eine solche Ursächlichkeit könne aber nur dann angenommen werden, wenn die Erfüllung der Verpflichtung des Beklagten, die Spinnweben in der Tiefgarage zu entfernen, sichergestellt hätte, dass am Tag der geplanten Fahrt keine Spinne im Gesichtsfeld der Klägerin in einer Weise auftauchen würde, die zu einem reflexartigen Zurückweichen hätte führen können. Davon könne aber nicht ausgegangen werden. Der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, die Reinigung genau an diesem Morgen durchzuführen, das allein hätte aber eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür begründet, dass zu dem Zeitpunkt, als die Klägerin an das Auto trat, keine Spinne vorhanden gewesen wäre. Mangels näherer Fixierung des Zeitpunkts der Reinigung konnte der Beklagte die Entfernung von Spinnweben an einem beliebigen Tag im Mai 2008 vornehmen, sodass ungewiss ist, ob eine Reinigung – an welchem Tag auch immer – dazu geführt hätte, dass am Tag der Fahrt keine Spinne dagewesen wäre. Auch durch eine regelmäßige Reinigung der Tiefgarage hätte nicht sichergestellt werden können, dass am Tag des Unfalls keine Spinne mehr vorhanden ist, denn selbst bei ordnungsgemäßer Beseitigung der Spinnweben kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch die an einer Seite der Garage befindlichen Fensteröffnungen Spinnen eindringen und Netze an der Decke, den Stützpfeilern und den Wänden bauen. Das Unterlassen der Reinigung mag die Wahrscheinlichkeit dafür erhöhen, dass sich mehr Spinnen in der Tiefgarage ansiedeln. Das genüge aber nicht für den zur vollen Überzeugung des Gerichts zu führenden Beweis, dass es zum Sturz der Klägerin bei ordnungsgemäßer monatlicher Reinigung nicht gekommen wäre, weil gerade die sich an der konkreten Stelle auf Kopfhöhe herablassende Spinne dort nicht gewesen, sie deshalb nicht erschrocken und beim Zurückweichen nicht gestolpert wäre.
Der Klägerin komme auch kein Anscheinsbeweis zugute. Zwar werde im Rahmen der Verkehrssicherungspflichtverletzung ein Anscheinsbeweis dann angenommen, wenn ein verkehrssicherungswidriger Zustand bewiesen sei und sich das Schadensereignis als typische Folge der Pflichtverletzung darstelle, die durch die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflicht gerade verhindert werden solle, z.B. bei einem Sturz auf extrem glatter Treppenstufe. Ein solcher Fall sei hier jedoch nicht gegeben. Denn die ordnungsgemäße Einhaltung der Pflicht zur monatlichen Reinigung auch von Spinnweben konnte nicht sicherstellen, dass sich in der Garage keine Spinnen ansiedeln. Darüber hinaus sei die Beseitigung von Spinnenweben auch nicht zuvorderst darauf gerichtet, Stürze zu vermeiden. Hier habe sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht, für das der Beklagte nicht einzustehen habe.
Hier hat das Oberlandesgericht der immer weiter um sich greifenden Mentalität, für alles und jedes andere verantwortlich zu machen und hieraus Profit zu schlagen (im Zweifel steht ja ein Versicherer dahinter, dem das ja nichts ausmacht), erfreulicher Weise einen Riegel vorgeschoben.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 24. Juni 2009 – 7 U 58/09