Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass Einkünfte und Bezüge eines in Ausbildung stehenden Kindes für den Kalendermonat, in dem das Kind das 25. Lebensjahr vollendet, nur insoweit anzusetzen sind, als sie auf die Zeit bis zum Erreichen der Altersgrenze entfallen.
In dem entschiedenen Fall erhielt die Klägerin für ihre Tochter T Kindergeld. T studierte an der Universität Y und erzielte aus einer nebenberuflichen Tätigkeit im streitigen Zeitraum Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit; daneben erhielt T Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Nachdem T am 08.07.2010 ihr 25. Lebensjahr vollendet hatte, gelangte die beklagte Familienkasse zu dem Ergebnis, dass T‘s Einkünfte und Bezüge im Streitzeitraum den maßgeblichen anteiligen Jahresgrenzbetrag überschritten. Die Familienkasse hob darauf mit Wirkung ab Januar 2010 die Kindergeldfestsetzung auf und forderte das für die Zeit von Januar bis Juli 2010 gezahlte Kindergeld von der Klägerin zurück.
Die Klägerin machte dagegen mit ihrer Klage geltend, dass die Familienkasse für den Monat Juli 2010 zu Unrecht den vollen Monatslohn und die vollen BAföG-Bezüge zum Ansatz gebracht habe.
Das Hessische Finanzgericht folgte der Auffassung der Klägerin und entschied, dass die für Juli erzielten Einkünfte und Bezüge abweichend von der Auffassung der Familienkasse nach § 32 Abs. 4 S. 6 EStG in der im Streitfall geltenden Fassung nur bis zur Vollendung des 25. Lebensjahrs – also zu 7/30 – zu berücksichtigen seien1. Auf Grundlage dieser Berechnung überschritten die anteiligen Einkünfte und Bezüge nach Abzug der anteiligen Kostenpauschale mit 4.366,45 EUR nicht den maßgeblichen anteiligen Jahresgrenzbetrag in Höhe von 4.669 EUR.
Die Revision der Familienkasse zum Bundesfinanzhof blieb erfolglos.
Das Finanzgericht hat nämlich zu Recht entschieden, dass nach § 32 Abs. 4 S. 6 EStG die Einkünfte und Bezüge nur insoweit anzusetzen sind, als die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG vorliegen und zu diesen Voraussetzungen auch die dort ausdrücklich genannten Altersgrenzen gehören.
Nach §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG wird ein über 18 Jahre altes Kind in Berufsausbildung nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 8.004 EUR im Kalenderjahr hat. Liegen die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG nur in einem Teil des Kalendermonats vor, sind nach § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG Einkünfte und Bezüge nur insoweit anzusetzen, als sie auf diesen Teil entfallen.
§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG enthalten eine Reihe von Voraussetzungen. Zentrale Bedeutung hat allerdings das Lebensalter des Kindes, denn diese Voraussetzung strukturiert § 32 Abs. 4 S. 1 EStG. So kommt es nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG zuvorderst darauf an, dass das Kind noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat. Entsprechendes gilt nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG für die Altersgrenze von 25 Jahren. Erst im Weiteren kommt es dann auf die weiteren Voraussetzungen unter a) bis d) an. Wenn angesichts dessen der Gesetzgeber in § 32 Abs. 4 S. 6 EStG ausdrücklich auf „die Voraussetzungen nach Satz 1 Nummer 1 oder 2“ Bezug nimmt und im Hinblick darauf Einkünfte und Bezüge nur pro rata ansetzen will, ist dies so zu verstehen, dass § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG auch das Lebensalter zu diesen Voraussetzungen zählt. Zutreffend verweist das Finanzgericht insoweit auf den eindeutigen Wortlaut der Norm sowie auf den Umstand, dass der Gesetzgeber die Auffassung der Familienkasse, § 32 Abs. 4 S. 6 EStG beziehe sich nur auf die in § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a bis d EStG genannten (besonderen) Anspruchsvoraussetzungen, im Gesetz entsprechend zum Ausdruck gebracht hätte, wenn er sie so hätte regeln wollen. Auch die von der Familienkasse herangezogenen Ausführungen in den Gesetzesmaterialien2 stützen die gegenteilige Auffassung nicht. Zwar beschreibt das dort erläuterte Beispiel des Übergangsmonats von der Berufsausbildung in die Berufsausübung den wohl typischen Fall in der Praxis. Das bedeutet aber nicht, dass der Gesetzgeber diese Regelung nicht auf den Fall der Vollendung des 21. oder 25. Lebensjahres hätte anwenden wollen.
Danach hat das Finanzgericht diese Einkünfte und Bezüge zutreffend ermittelt und insbesondere die von der Tochter der Klägerin im Monat Juli erzielten Einkünfte dementsprechend nur mit 7/30 der maßgeblichen Beträge angesetzt. Die so ermittelten Einkünfte und Bezüge in Höhe von insgesamt 4.366,45 EUR überschritten damit nicht den maßgeblichen anteiligen Jahresgrenzbetrag.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.04.2014 – VI R 64/13