Vorfahrtverletzung : Geschwindigkeitsüberschreitung = 2/3 : 1/3

Treffen bei einem Verkehrsunfall eine Vorfahrtverletzung und eine überhöhte Geschwindigkeit des Vorfahrtberechtigten zusammen, so ist im Regelfall eine Mithaftung des Vorfahrtberechtigten von 1/3 angemessen, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit – wie hier – um ca. 25 bis 35 % überschritten wurde.

Dies hat das Oberlandesgericht Koblenz im Rahmen der Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Koblenz1 entschieden.

Der beklagte Fahrer eines Pkw hatte die Vorfahrt des Fahrzeugs des Klägers verletzt, als er von einer Straße nach links auf die X-Straße einbog und dabei das Fahrzeug des Klägers, das von links kommend die X-Straße befuhr, nicht hinreichend beachtete.

Dem Sohn des Klägers, der das Fahrzeug des Klägers steuerte, war jedoch vorzuwerfen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten zu haben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen betrug die Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Klägers im Zeitpunkt der Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten mindestens 68 km/h. Berücksichtigt man die Einlassung des Klägers, sein Sohn habe zur Vermeidung einer Kollision noch beschleunigt, betrug die Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Klägers vor dem Beschleunigen mindestens 62 km/h. Das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit war ursächlich für den Unfall, da der Sohn des Klägers nach den Feststellungen des Sachverständigen bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h die Kollision durch Abbremsen hätte verhindern können.

Bei dieser Sachlage kann der Kläger 2/3 seines Schadens ersetzt verlangen. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG ist maßgeblich, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Der Verursachungsbeitrag des Fahrzeugs des Klägers ist zwar durchaus von Gewicht. Der Sohn des Klägers hatte die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 24 % (bei Ansatz von 62 km/h) bzw. um 36 % (bei 68 km/h) überschritten. Dieser Verstoß ist aber nicht so schwerwiegend, so das Oberlandesgericht Koblenz, dass die vom Landgericht vorgenommene Mithaftung des Klägers von 50 % gerechtfertigt wäre. Das Oberlandesgericht Koblenz hält bei einem Zusammentreffen einer Vorfahrtverletzung und einer überhöhten Geschwindigkeit des Vorfahrtberechtigten im Regelfall eine Mithaftung des Vorfahrberechtigten von 1/3 für angemessen, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit – wie hier – um ca. 25 bis 35 % überschritten wurde. Besonderheiten des Einzelfalles, die zu einer Abweichung von dieser regelmäßigen Haftungsverteilung führen könnten, waren im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Da das Oberlandesgericht zur Vermeidung einer übertriebenen Differenzierung sowohl bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um ca. 25 % als auch bei einer Überschreitung um ca. 35 % eine Mithaftung von 1/3 annimmt, kam es nicht darauf an, ob dem Kläger die Kollisionsgeschwindigkeit von 68 km/h oder lediglich die Ausgangsgeschwindigkeit vor der behaupteten Beschleunigung von 62 km/h anzulasten war.

Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 18.07.2011 – 12 U 189/10

  1. Landgericht Koblenz, Urteil vom 29.01.2010 – 5 O 267/08 []

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