Das Finanzgericht Düsseldorf hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Importeur Ware aus der VR China zu selbst für dortige Verhältnisse erstaunlich geringen Preisen bezogen hatte und auch keine nachvollziehbaren Gründe hierfür angeben konnte, so dass der Zollwert nach Art 31 ZK ermittelt wurde, was eine entsprechende Nacherhebung von Zoll zur Folge hatte.
Im Einzelnen:
Auf Anordnung des Beklagten erfolgte bei der Klägerin eine Zollprüfung durch das Sachgebiet Prüfungsdienst des Beklagten. Dabei stellte der Prüfungsbeamte u.a. folgendes fest:
Die Klägerin führte hauptsächlich gewebte und gewirkte Bekleidung der Kapitel 61 und 62 der Kombinierten Nomenklatur (KN) sowie Phantasieschmuck der Unterposition 7117 90 00 KN ein. Daneben importierte sie eine Reihe weiterer Waren in geringem Umfang, wie Artikel aus Kunststoff des Kapitels 39 KN, Täschnerwaren der Position 4202 KN und Spielzeug und Sportartikel des Kapitels 95 KN. Die Waren hatten ausschließlich chinesischen Ursprung.
Die Klägerin erhielt ihre Waren im Wesentlichen von vier Unternehmen aus der VR China.
In ihren Zollwertanmeldungen meldete die Klägerin die jeweiligen Lieferfirmen als Verkäufer und sich als Käufer sowie die in US$ ausgewiesenen Rechnungspreise als Zollwert an.
Die Klägerin handelte ihre Einkaufspreise mit den Lieferfirmen nach ihren Angaben frei aus. Lieferbedingung war CFR xxx/Deutschland. Als Zahlungsbedingung gab sie Zahlungsziele bis über ein Jahr an.
Weiter waren die Zollwerte je Maßeinheit (Stück, kg, Paar) insbesondere bei eingeführten Textilien verglichen mit den durch die Zollverwaltung für Waren der jeweiligen Unterpositionen ermittelten Durchschnittspreisen aus der VR China außergewöhnlich niedrig. Die Unterfakturierungen gegenüber den Durchschnittspreisen betrugen überwiegend zwischen 50 und 90% der Durchschnittspreise und entsprachen den Durchschnittspreisen nur in seltenen Fällen.
Die die Wareneinfuhr betreffenden Rechnungen waren nach der Buchhaltung der Klägerin zu ca. 6,4% in bar, zu ca. 37,9% durch Überweisung und zu 55,7% nicht beglichen.
Daraufhin hatte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2009 aufgefordert,
(1) auf Grund der eingeräumten Kreditlinie darzulegen, dass eine Verbundenheit nicht vorliege,
(2) eine Zuordnung der Kaufpreiszahlungen zu Lieferungen und Lieferanten vorzunehmen, obwohl ihre großenteils handschriftlich gefertigten Rechnungen nur rudimentäre Angaben zu den Waren enthielten, weitergehende Belege sowie Dokumentationen aus dem Bereich der Warenwirtschaft nicht verfügbar seien und ein Bezug zwischen Wareneinkauf und der dazugehörigen Zahlung und dem Warenverkauf nicht ersichtlich sei;
(3) das System der Zuordnung von Verkaufsrechnungen zu den dazugehörigen Rechnungen trotz Fehlens schriftlicher Bestellungen, von Kaufverträgen und Wareneingangsunterlagen zu erläutern und
(4) zu den auffallend niedrigen Rechnungswerten Stellung zu nehmen, zumal die allgemein gehaltenen Warenbeschreibungen eine Identifizierung der jeweiligen Einfuhrware nicht zuließen.
Hierauf ließ die Klägerin durch ihren Steuerberater mitteilen,
(1) für die Kreditlinie hätten ihre Gesellschafter in der VR China persönliche, private Sicherheiten gegeben. Auch herrsche dort ein großes Vertrauensverhältnis;
(2) die Wareneinkäufe seien kreditorisch über eine sog. „Offene Posten Liste“ erfasst worden, so dass sie immer überprüfen könne, welche Rechnung noch nicht bezahlt worden sei. Bei Bezahlung werde durch Angabe der Rechnungsnummer und des Lieferanten die Zahlung entsprechend zugeordnet;
(3) die Warenverkäufe würden aus ihrem Lager gegen Barzahlung abgeholt, Rechnungen zwischen ihr und ihren Kunden seien unüblich, zumal es sich meist um Großkunden handele, die schon lange zu ihr Geschäftsbeziehungen unterhalten hätten;
(4) bei den angemeldeten Zollwerten handele es sich um die tatsächlich gezahlten Preise, wobei sich die niedrigen Preise dadurch erklärten, dass die Klägerin Restposten aus Überproduktionen aufkaufe, die sonst in der VR China vernichtet würden. Auch handele es sich zum Teil um veraltete oder fehlerhafte Waren. Zudem kaufe sie auch Waren aus Insolvenzmassen und Dekorations- und Ausstellungsmaterial.
Hierauf forderte der Prüfungsbeamte die Klägerin vergeblich und unter mehrfach verlängerter Fristsetzung auf, eine detaillierte Erklärung zu den an die Lieferanten begebenen persönlichen Sicherheiten abzugeben, die zum 31.12.2008 offenen Rechnungen darzustellen und die Erklärung zu den Zollwerten durch geeignete Unterlagen zu belegen.
Der Beklagte folgte den Feststellungen des Prüfungsberichts und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 09.02.2010 mit, eine Bemessung der angemeldeten Zollwerte nach Art. 29 Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12.10.1992 (ZK) scheide aus, da seine mit Schreiben vom 18.11.2009 genannten Zweifel nicht ausgeräumt worden seien. Er habe deshalb die Zollwerte nach Art. 31 ZK nach Durchschnittswerten ermittelt.
Zugleich übersandte der Beklagte der Klägerin den Einfuhrabgabenbescheid vom 09.02.2010, mit dem er 555.082,43 € Zoll nacherhob.
Der seitens der Klägerin eingelegt Einspruch war erfolglos, so dass sie Klage erhob. Das Finanzgericht Düsseldorf bestätigte indes die Auffassung des Beklagten.
Der Zollwert eingeführter Waren ist nach Art. 29 ZK der Transaktionswert, d.h. der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende ‑ und ggf. gemäß Art. 32 und 33 ZK zu berichtigende ‑ Preis. Nur wenn der Zollwert nicht nach der Transaktionswert-Methode und auch nicht nach einer der in Art. 30 ZK beschriebenen Folgemethoden ermittelt werden kann, ist er nach der sog. Schlussmethode gemäß Art. 31 ZK zu ermitteln, die der Beklagte im Streitfall herangezogen hat.
Die Zollbehörden müssen nach Art. 181a Abs. 1 ZKDVO den Zollwert eingeführter Waren nicht nach dem angegebenen Transaktionswert ermitteln, sondern können eine der Folgemethoden und ggf. die Schlussmethode anwenden, wenn sie ‑ nach Durchführung des Verfahrens gemäß Abs. 2 der Vorschrift ‑ wegen begründeter Zweifel nicht überzeugt sind, dass der angemeldete Wert dem gezahlten oder zu zahlenden Preis entspricht1.
Im Streitfall musste der Beklagte die angemeldeten Zollwerte nicht auf der Grundlage des Transaktionswerts ermitteln, weil er zu Recht wegen begründeter Zweifel nicht davon überzeugt sein durfte, dass die angemeldeten Werte den gezahlten oder zu zahlenden Preisen entsprachen.
Die von der Klägerin angemeldeten Zollwerte betrugen ganz überwiegend nur Bruchteile der durch die Zollverwaltung für Waren der jeweiligen Unterpositionen ermittelten Durchschnittspreise aus der VR China, ohne dass für die angemeldeten Preise eine bezogen auf jede Zollwertanmeldung plausible Erklärung gegeben werden konnte. Hinzu kommt, dass weder während der Zollprüfung (Art. 78 Abs. 2 ZK in Verbindung mit §§ 193 ff. AO) noch im Einspruchs- oder im Klageverfahren bezogen auf jede einzelne Einfuhr substantiiert Umstände ermittelt werden konnten, die den angemeldeten Zollwert als zutreffend erscheinen lassen konnten.
Vielmehr war selbst die Feststellung der bloßen Plausibilität der angemeldeten Zollwerte auf Grund der Geschäftsunterlagen der Klägerin nicht möglich. Die von der Klägerin angemeldeten Zollwerte beruhten auf Rechnungspreisen, die nur sehr rudimentäre Angaben zu den Waren sowohl hinsichtlich der Menge als auch der Qualität enthielten.
Aus der Buchhaltung der Klägerin, die weder über Aufzeichnungen des Warenein ‑ und ‑ ausgangs (§§ 143 f. AO), noch schriftliche Verträge über den An- und Verkauf der gehandelten Waren verfügte, war kein durchschnittlicher Aufschlagssatz der Klägerin zu ermitteln. Damit war auch nicht feststellbar, ob die von ihr angemeldeten Zollwerte plausibel sein konnten.
Zudem konnte auf Grund der der Klägerin nach ihren Angaben eingeräumten langfristigen Zahlungsziele von bis zu zwei Jahren auf Grund des Zahlungsverkehrs auch nichts anderes ermittelt werden. Hinzu kommt, dass die Klägerin trotz ihrer erheblichen Umsätze nach ihren Angaben ein Buchhaltungssystem praktiziert hat, dessen Richtigkeit weder für sie noch für Dritte nachvollziehbar war. Sie hat die gehandelte Ware im Wege einer „offenen Posten-Liste“ dokumentiert, wobei die jeweiligen Lieferungen und der für die Waren vereinbarte Kaufpreis von den Lieferanten eingetragen worden sein sollen. Damit war es selbst ihr nicht möglich festzustellen, ob die Eintragungen zutreffend waren.
Der Beklagte hat auch die Voraussetzungen des Art. 181a Abs. 2 ZKDVO eingehalten, denn er hat die Klägerin während der Zollprüfung mit Schreiben vom 18.11.2009 nach Art. 178 Abs. 4 ZKDVO aufgefordert, in der im Tatbestand dargestellten Weise weitere Angaben zu machen und weitere Belege vorzulegen. Diese Aufforderung hat die Klägerin nur in unzureichender Weise beantwortet. Sie hat weder weitere Belege vorgelegt, noch substantiiert zu jeder einzelnen Sendung die tatsächliche Warenbeschaffenheit und die zutreffende Menge dargetan. Zudem hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid eine schriftliche, mit Gründen versehene Entscheidung im Sinne des Art. 181a Abs. 2 Satz 3 ZKDVO erlassen.
Dementsprechend war der Beklagte berechtigt, die Zollwerte nach Art. 31 ZK zu ermitteln. Eine Ermittlung des Preises nach den Folgemethoden des Art. 30 ZK war nämlich nicht möglich. Der Transaktionswert gleicher Waren (Art. 30 Abs. 2 Buchst. a ZK in Verbindung mit Art. 150 ZKDVO und Anhang 23 ZKDVO) oder gleichartiger Waren (Art. 30 Abs. 2 Buchst. b ZK in Verbindung mit Art. 151 ZKDVO und Anhang 23 ZKDVO) war im Streitfall schon mangels nachvollziehbarer Angaben zu Art und Qualität der jeweils eingeführten Waren nicht ermittelbar.
Ebenso wenig lagen Werte für die Ermittlung des Zollwerts nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. c ZK, Art. 152 ZKDVO (deduktive Methode) oder nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. d ZK, Art. 153 ZKDVO (additive Methode) vor.
Im Rahmen der Bestimmung des Zollwerts nach Art. 31 Abs. 1 ZK sind die vom Beklagten angenommenen Zollwerte nicht zu beanstanden. Bei dieser Zollwertermittlung ist unter Ausschluss der in Art. 31 Abs. 2 ZK genannten Methoden eine zweckmäßige Methode zu wählen, die sich an den Leitlinien und Allgemeinen Regeln des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VII des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens von 1994, dem Artikel VII dieses Abkommens und dem Kapitel 3 des ZK orientiert.
Hierbei konnte der Beklagte die von ihm angenommenen Zollwerte den statistisch aus ATLAS ermittelten Durchschnittspreisen für Waren der gleichen Unterposition im gleichen Zeitraum aus der VR China entnehmen, da andere verwertbare Angaben nicht vorlagen. Zudem hatte die Klägerin in Einzelfällen auch Preise angemeldet, die den Durchschnittspreisen auch in etwa entsprachen und damit deren grundsätzliche Richtigkeit bestätigten. Insbesondere gab es nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Finanzgerichts Düsseldorf (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) keinen Anlass, die so ermittelten Durchschnittswerte im Hinblick auf die behauptete mindere Qualität (veraltete, fehlerhafte Waren) oder die behaupteten Umstände der Erwerbs (Restposten, Havarieschäden und Insolvenzankäufe) der von der Klägerin eingeführten Waren zu kürzen. Diese Umstände hat die Klägerin nur behauptet, aber weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Die von der Klägerin vorgelegten Erklärungen ihrer Lieferanten konnten ihren Vortrag nicht bestätigen: Für die niedrigen Verkaufspreise wurde in keinem Fall der Erwerb von Waren aus Havarien angegeben. Da die Klägerin in Einzelfällen auch als Zollwert Preise angemeldet hatte, die den vom Beklagten ermittelten Durchschnittswerten entsprachen, haben die behaupteten wertmindernden Faktoren keineswegs durchgehend vorgelegen. Darüber hinaus sind die vorgelegten Erklärungen der Lieferanten nicht bestimmten, genau benannten Einfuhren oder Lieferungen zuzuordnen, sondern völlig pauschal abgefasst. Sie bestätigen auch nur, dass die Preise der Waren und Lieferungen korrekt seien, nicht aber, dass die in den Rechnungen angegebenen Preise den zu zahlenden Preis im Sinne des Art. 29 ZK darstellten.
Zudem gibt gerade ihre einheitliche Fassung, in der zunächst erklärt wird, dass die Preise korrekt seien, sodann im Wesentlichen gleichlautende Gründe für diese Preise genannt werden, denen Angaben zu günstigen Zahlungsbedingen folgen und die mit abschließenden Wünschen für weitere gute Geschäfte enden, Anlass zur Annahme, dass die Bestätigungen auf Anforderung der Klägerin und aus Gefälligkeit abgegeben worden zu sind.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 10.07.2013 – 4 K 1701/12 Z
- BFH, Beschluss vom 28.07.2010 – VII B 270/09 [↩]