Auch islamischer Verein muss Extremismus-Vorwurf widerlegen – sonst keine Gemeinnützigkeit

Dass ein Verein als gemeinnützig anerkannt ist, ist bekanntlich in mehrfacher Hinsicht für Verein und Mitglieder relevant, was wir hier bereits an einer anderen Entscheidung des Bundesfinanzhofs ausgeführt haben.

Wie steht es nun mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit, wenn der Verein im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistisch eingestuft wird?

In § 51 Abs. 3 AO heisst es:

Eine Steuervergünstigung setzt zudem voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht erfüllt sind.

Der Bundesfinanzhof hat dazu nun in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung festgestellt, dass

  • die widerlegbare Vermutung des § 51 Abs. 3 S. 2 AO voraussetzt, dass die betreffende Körperschaft (hier: ein islamischer Verein) im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes für den zu beurteilenden Veranlagungszeitraum ausdrücklich als extremistisch eingestuft wird1,
  • die Widerlegung dieser Vermutung den vollen Beweis des Gegenteils erfordert und eine Erschütterung nicht ausreichend ist und
  • im Rahmen des § 51 Abs. 3 S. 1 AO die Leistungen des Vereins für das Gemeinwohl nicht im Wege einer Gesamtschau gegen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche tatsächliche Geschäftsführung abzuwägen sind.

Worum ging es im konkreten Fall?

Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt die Anerkennung des klagenden Vereins als gemeinnütziger Verein für 2009 und 2010 (Streitjahre) zu Recht widerrufen hat.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit Sitz in X. Er wurde 1997 gegründet.

In der Präambel der Satzung bekennen sich die Mitglieder zur freiheitlich demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger setzte sich laut § 3 der Satzung folgende Ziele:

„1. Die Förderung der Vermittlung und Wahrnehmung von richtigen und sachbezogenen Informationen über die Islamische Religion.

2. Die Förderung der deutschen Sprache und Kultur bei ausländischen Mitbürgern, um eine Integration und Akkulturation in die deutsche Gesellschaft zu fördern.

3. Die Schaffung von Möglichkeiten, einen Islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen einzuführen.

4. Die Bildung von friedlichen Beziehungen zu Mitbürgern zu fördern.

(…)“

In § 4 der Satzung verpflichtet sich der Kläger, ausschließlich und unmittelbar religiöse und gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung (AO) und keine politischen Ziele zu verfolgen.

Seine Aktivitäten übt der Kläger in dem Objekt Y-Str. aus, auf dem sich u.a. die von ihm unterhaltene Moschee befindet. Das Grundstück hat der Kläger für einen Pachtzins in symbolischer Höhe von 1 EUR/Jahr gepachtet; außerdem hat er sämtliche Grundabgaben und Renovierungs- sowie Unterhaltskosten für das Grundstück zu tragen. Diese beliefen sich, da das auf dem Grundstück befindliche Gebäude noch aus der Jahrhundertwende stammt, in der Vergangenheit in einer Größenordnung von mehreren Hunderttausend EUR.

Nachdem das Finanzamt den Kläger mit Freistellungsbescheid vom 14.12.2009 als gemeinnützig anerkannt hatte, wurde ihm bekannt, dass der Kläger in den Verfassungsschutzberichten des Bundes für 2009 und 2010 namentlich erwähnt und seine Stellung innerhalb des Islamismus erläutert wird. Hierauf widerrief es am 25.08.2011 die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und führte eine Körperschaftsteuer- und eine Gewerbesteuerveranlagung für 2009 durch. Für 2010 erließ das Finanzamt dann einen Körperschaftsteuerbescheid; dem Antrag des Klägers auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit folgte es nicht.

Gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2009 und 2010 sowie gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 legte der Kläger Einspruch ein. Er erfülle die Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Den Ausführungen der Verfassungsschutzbehörden sei nicht zu folgen.

Den Einspruch wies das Finanzamt als unbegründet zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht als unbegründet abgewiesen, da die Anerkennung der Gemeinnützigkeit daran scheitere, dass es sich beim Kläger um eine extremistische Organisation handele.

Der Kläger sei im Anhang der Verfassungsschutzberichte des Bundes (2009 und 2010) namentlich unter den Gruppierungen aufgeführt, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolgten, sodass es sich auch beim Kläger um eine extremistische Gruppierung handele. Die wiederholte Benennung in Verfassungsschutzberichten habe der Kläger hingenommen, obwohl ihm hiergegen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen gestanden hätte.

Dem Kläger sei es nicht gelungen, die gesetzliche Vermutung des § 51 Abs. 3 S. 2 AO zu widerlegen. Er habe insbesondere nicht den Nachweis führen können, dass er sich in den Streitjahren hinreichend vom verfassungswidrigen Gedankengut der … distanziert habe.

Ein überragendes soziales Engagement des Klägers (Integration, soziale Jugendarbeit, kulturelle und überkonfessioneller Austausch) könne nicht dazu führen, dass im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung die Gemeinnützigkeit zuerkannt werden müsse.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Revision:

Das Urteil des Finanzgerichts widerspreche der Leitentscheidung des Bundesfinanzhofs vom 11.04.20122. Danach sei die gesetzliche Vermutung des § 51 Abs. 3 S. 2 AO nicht anwendbar, wenn der jeweilige Kläger im Bericht des Verfassungsschutzes nur in einer Liste der als extremistische eingeschätzten Gruppierungen im Anhang aufgeführt werde. Nicht anders verhalte es sich im Streitfall. Es sei in keiner Weise dargelegt worden, weshalb der Kläger extremistisch sei und gegen die Völkerverständigung agiere. Die summarische Aufzählung von Vereinen und Verbänden im Anhang genüge nicht den vom Bundesfinanzhof aufgestellten Anforderungen.

Er habe zwar zugelassen, dass im Jahr 2009 ein Prediger in mehreren Ansprachen den Sieg der Muslime über ihre Feinde ersehnt habe, es bleibe aber im Dunkeln, was dieser damit gemeint habe. Soweit ein anderer Prediger anlässlich eines Unterrichts u.a. geäußert habe, man solle Kinder ab zehn Jahren schlagen, wenn sie nicht beten würden, aber nicht so stark, dass sie in ein Krankenhaus müssten, identifizierte er sich in keiner Weise mit diesen Äußerungen. Dasselbe gelte für dessen Aussage vom Dezember 2010, wonach es rechtens sei, wenn ein Muslim einen anderen Muslim töte, falls er Unzucht begehe oder wenn ein Muslim den Islam als Religion aufgebe. Das Auftreten dieser Prediger beruhe darauf, dass er, der Kläger, keinen für ihn finanzierbaren Imam habe beschäftigen können. Der Verfassungsschutz und die Ausländerbehörde hätten verhindert, dass ein qualifizierter Imam die religiöse Betreuung habe übernehmen können.

Das Finanzamt dürfe eine muslimische Gemeinde nicht anders behandeln als christliche Vereinigungen, das Religionsprivileg gelte für alle Religionsgemeinschaften. Die Pius-Bruderschaft als katholische Institution sei gemeinnützig, obwohl ihr Bischof wegen antisemitischer Äußerungen verurteilt worden sei. Wenn der Staat deren Gemeinnützigkeit bejahe, müsse er sich zurückhalten, wenn es um die Beurteilung von Äußerungen im Bereich des Islams gehe, die sich nicht gegen Christen oder Juden richteten, sondern interne Verhaltensregeln für Muslime beschrieben.

Von Kirchen, sozialen Verbänden sowie der Stadt ernte er, der Kläger, höchste Anerkennung für seine Aktivitäten, die der Völkerverständigung und dem gedeihlichen Miteinander der Menschen dienten. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Integration von Zuwanderern aus Afrika und arabischen Ländern. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung müssten diese Umstände berücksichtigt werden, um zu einem abgewogenen Urteil über das Vorliegen der Gemeinnützigkeit zu kommen.

Die Revision blieb erfolglos.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs:

Das Finanzgericht hat nach Auffassung des Bundesfinanzhofs zu Recht entschieden, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit nicht erfüllte und das Finanzamt daher die Anerkennung als gemeinnütziger Verein widerrufen durfte.

Der Kläger fördert nach seiner Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung zwar die Religion, im Streitfall greift jedoch die Vermutung des § 51 Abs. 3 S. 2 AO, die das Finanzgericht nach Meinung des Bundesfinanzhofs ohne Rechtsfehler als nicht widerlegt erachtet hat.

Leistungen für das Gemeinwohl sind nicht im Wege einer Gesamtschau gegen Anhaltspunkte für eine in Teilen verfassungsfeindliche tatsächliche Geschäftsführung abzuwägen. Dieses Ergebnis verstößt weder gegen die Glaubens- oder Gewissensfreiheit des Klägers noch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Verhältnismäßigkeitsprinzip.

Im Einzelnen:

1.

Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 Satz 1 AO). Unter diesen Voraussetzungen ist als Förderung der Allgemeinheit u.a. die Förderung der Religion anzuerkennen (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Der Kläger betrieb in den Streitjahren nach seiner Satzung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung die Förderung der Religion i.S. von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO und verfolgte damit grundsätzlich einen gemeinnützigen Zweck.

Die Anerkennung scheitert im Streitfall jedoch an § 51 Abs. 1 und 3 AO. Danach setzt die Steuervergünstigung u.a. voraus, dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen i.S. des § 4 BVerfSchG fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Satz 1 nicht erfüllt sind (§ 51 Abs. 3 Satz 2 AO).

Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen für das Eingreifen der widerlegbaren Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO vor.

Der Tatbestand setzt lediglich voraus, dass die betreffende Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht „als extremistische Organisation aufgeführt“ ist. Nach der Rechtsprechung des I. Senats des Bundesfinanzhofs, der sich der erkennende Senat anschließt, ist dies nur dann der Fall, wenn sie dort ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird, nicht aber, wenn die Körperschaft nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwähnung findet3. Der Bundesfinanzhof konnte offen lassen, ob es sich bei dieser Auslegung der Norm, wie im Schrifttum vereinzelt vertreten wird4, um eine unzulässige Erweiterung der Beweisreglung handelt. Denn im Streitfall liegt eine ausdrückliche Erwähnung in den jeweiligen Verfassungsschutzberichten vor.

In den Verfassungsschutzberichten des Bundes und eines Bundeslandes für 2009 und 2010 wurde der Kläger ausdrücklich als extremistisch bezeichnet, ohne dass er verwaltungsgerichtlich gegen diese Benennung vorgegangen ist.

Für das Streitjahr 2009 ergibt sich dies bereits aus der expliziten Erwähnung im Anhang des Verfassungsschutzberichts des Bundes. Dort sind nur die Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass es sich um eine extremistische Gruppierung handelt. Dazu gehört auch der Kläger.

Im Streitjahr 2010 wird der Kläger sowohl im Text als auch in einer Fußnote ausdrücklich genannt. Im Unterschied zum Streitjahr 2009 fehlt zwar eine ausdrückliche Bezeichnung des Klägers im Registeranhang, daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass über den Kläger nur als Verdachtsfall berichtet wurde. Denn die Berichterstattung bezieht sich nur ausnahmsweise auf Verdachtsfälle, die dann im Text ausdrücklich als Verdachtsfall kenntlich gemacht werden. Daran fehlt es bei der Berichterstattung über den Kläger. Abgesehen davon ergibt sich die ausdrückliche Bezeichnung des Klägers als extremistische Organisation auch aus dem Verfassungsschutzbericht eines Bundeslandes.

Soweit der Kläger behauptet, die Aufzählung von Vereinen und Verbänden im Anhang eines Verfassungsschutzberichts genüge nicht den höchstrichterlichen Anforderungen für das Eingreifen der widerlegbaren Vermutung, entspricht diese Auffassung nicht den Ausführungen des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 11.04.20125. Nach diesem Urteil liegt bei einer alphabetischen Aufzählung der als extremistisch eingeschätzten Gruppierungen eine ausdrückliche Bezeichnung vor. Diese Bezeichnung ergab sich allerdings für den seinerzeit vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall erst für das Jahr 2009 und konnte daher für das Streitjahr 2008 nicht berücksichtigt werden.

Die Nennung des Klägers in den Verfassungsschutzberichten begründet die widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass er extremistische Bestrebungen fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung zuwidergehandelt hat. Die gesetzliche Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO hat eine Umkehr der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zur Folge. Es liegt nun in der Sphäre der die Steuervergünstigung begehrenden Körperschaft nachzuweisen, dass sie gleichwohl keine extremistischen Ziele fördert und damit gemeinnützig ist6.

Stellt das Gesetz – wie im Streitfall § 51 Abs. 3 Satz 2 AO – für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf, ist nach der gemäß § 155 FGO entsprechend anwendbaren Regel des § 292 Satz 1 der Zivilprozessordnung der Beweis des Gegenteils, dass die vom Gesetz vermutete Tatsache nicht vorliegt, zulässig. Hierfür ist allerdings eine Erschütterung der Vermutung nicht ausreichend; erforderlich ist vielmehr der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen7.

Die Feststellung, ob eine Körperschaft den vollen Beweis dafür erbracht hat, dass sie im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine extremistischen oder sonstigen verfassungsfeindlichen Bestrebungen fördert, obliegt im gerichtlichen Verfahren in erster Linie dem Finanzgericht als Tatsachengericht. Verstößt die Sachverhaltswürdigung des Finanzgerichts nicht gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, ist sie für den Bundesfinanzhof selbst dann bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich ist8.

Ausgehend von diesen Maßstäben ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Finanzgericht nach Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalls zu der Auffassung gelangt ist, die gesetzliche Vermutung sei nicht widerlegt. Der Kläger habe insbesondere nicht nachgewiesen, dass er sich in den Streitjahren vom verfassungswidrigen Gedankengut … distanziert habe. Hierzu hat das Finanzgericht zutreffend auf die – in den Streitjahren fortbestehenden – historischen und personellen Beziehungen des Klägers zur … abgestellt. Der Kläger habe auch nicht entkräften können, dass Äußerungen von seinen Beauftragten (Prediger, Gastimame) ein extremistisches, grundgesetzfeindliches Gedankengut offenbart hätten. Diese Äußerungen (Todesstrafe wegen Abkehr vom Islam und bei Ehebruch, körperliche Misshandlung Minderjähriger zur Durchsetzung der Gebetspflicht, erstrebter Sieg des Islam über Ungläubige) stünden in Übereinstimmung mit dem von der … vertretenen Wertebild, nicht aber mit den Wertvorstellungen des Grundgesetzes.

Zur wiederholten Äußerung von Vertretern der …, dass der Kläger bzw. dessen Organe in die Organisationsstrukturen der … eingebunden seien, habe der Kläger lediglich vorgetragen, gegen eine Vereinnahmung durch die … könne er sich nicht wehren. Dies hat das Finanzamt ohne Rechtsfehler als nicht hinreichend erachtet, um die Ausführungen der Verfassungsschutzbehörden zu widerlegen. Schließlich sei auch nicht der Vorwurf widerlegt worden, der Kläger habe in den Streitjahren in seinen Räumlichkeiten den Zugang zu der Muslimbruderschaft nahestehenden Publikationen eröffnet.

Auf der Grundlage dieser Indizien konnte das Finanzgericht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs zu der Überzeugung gelangen, der Kläger habe in den Streitjahren noch Verbindungen zur … gehabt und sei dessen verfassungsfeindlichem Gedankengut nicht hinreichend entgegengetreten, sodass die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt ist. Dieses Ergebnis beruht auf einer logischen, verstandesmäßig einsichtigen Würdigung des Sachverhalts, deren nachvollziehbare Folgerungen den Denkgesetzen entsprechen und von den festgestellten Tatsachen getragen werden. Das Finanzgericht hat sich mit allen Einwänden des Klägers sorgfältig auseinandergesetzt und diese für nicht durchgreifend erachtet. Soweit der Kläger dagegen vorbringt, aus einem Pachtverhältnis könne keine inhaltliche Abhängigkeit von der … gefolgert werden, von den Aussagen der Prediger in der Moschee distanziere er sich teilweise, im Übrigen seien diese Aussagen zu relativieren und mit ähnlichen Aussagen in einer christlichen Kirche zu vergleichen, setzt er damit lediglich seine Würdigung an die Stelle des Finanzgerichts, ohne Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze geltend zu machen.
2.

Entgegen der Auffassung des Klägers sind im Rahmen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO die Leistungen des Klägers für das Gemeinwohl nicht im Wege einer Gesamtschau gegen Anhaltspunkte für eine verfassungsfeindliche tatsächliche Geschäftsführung abzuwägen.

§ 51 Abs. 1 AO regelt die allgemeinen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen wegen Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (steuerbegünstigte Zwecke). § 51 Abs. 3 Satz 1 AO erfordert zusätzlich („zudem“), dass die Körperschaft nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen i.S. des § 4 BVerfSchG fördert und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht zuwiderhandelt. Damit folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, dass es sich bei § 51 Abs. 3 Satz 1 AO um eine zusätzliche (kumulative) Voraussetzung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit handelt. Der Kläger berücksichtigt insoweit nicht, dass ein Handeln für das Gemeinwohl durch Förderung eines gemeinnützigen Zweckes i.S. von § 52 Abs. 2 AO zwar notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit darstellt. Verwirklicht eine Körperschaft ihre satzungsmäßig festgelegten gemeinnützigen Ziele nicht, scheitert die Anerkennung bereits an der fehlenden Übereinstimmung von Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung (§ 63 Abs. 1 AO).

Soweit im Schrifttum eine Abwägung zwischen förderndem und förderungsschädlichem Verhalten befürwortet wird9, betrifft dies solche Fälle, in denen eine auf Förderung i.S. des § 52 AO gerichtete Tätigkeit (beispielsweise Motorsport) zugleich gegen andere, ebenfalls förderungswürdig anerkannte Zwecke (Umweltschutz) verstößt, nicht aber den Sonderfall einer (extremistischen) Organisation, die neben einem steuerbegünstigten Zweck auch Bestrebungen i.S. des § 4 BVerfSchG fördert oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandelt (§ 51 Abs. 3 Satz 2 AO).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass § 51 Abs. 3 Satz 1 AO deklaratorischen Charakter besitzt10 und verdeutlichen soll, dass keine Förderung der Allgemeinheit vorliegt, wenn Bestrebungen verfolgt werden, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten11. Fehlt es aber an einer Förderung der Allgemeinheit, hat dies im Rahmen einer gebundenen Entscheidung12 den Ausschluss der Gemeinnützigkeit zur Folge. Die für eine Ermessensentscheidung typische Abwägung von gemeinwohlfördernden mit gemeinwohlschädigenden Auswirkungen des Handelns einer Körperschaft kann daher nicht erfolgen.

Im Übrigen widerspräche die vom Kläger vertretene Gesamtwürdigung mit der Folge einer Anerkennung (auch) extremistischer Körperschaften als gemeinnützig auch der Systematik des Gesetzes. Da die Förderung des Völkerverständigungsgedankens in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 AO und die des demokratischen Staatswesens in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO als gemeinnützig angesehen werden, kann nicht zugleich das Gegenteil (Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung) gemeinnützig sein.

3.

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit verstößt weder gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Klägers noch gegen das Gleichbehandlungsgebot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip.

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit verletzt den Kläger nicht in seinen Grundrechten auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG).

Art. 4 GG garantiert in Absatz 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Absatz 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht, das auch die Religionsfreiheit der Korporationen umfasst13. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, das heißt einen Glauben zu haben, zu verschweigen, sich vom bisherigen Glauben loszusagen und einem anderen Glauben zuzuwenden, sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, für seinen Glauben zu werben und andere von ihrem Glauben abzuwerben. Umfasst sind damit nicht allein kultische Handlungen und die Ausübung und Beachtung religiöser Gebräuche, sondern auch die religiöse Erziehung sowie andere Äußerungsformen des religiösen und weltanschaulichen Lebens14.

Auch wenn der Kläger keine staatliche Unterstützung erhält und deshalb auf die Finanzierung durch Spenden angewiesen wäre, ist nicht ersichtlich, dass er durch die Ablehnung der Gemeinnützigkeit in seiner inneren oder äußeren Glaubensfreiheit beeinträchtigt wird. Dem Kläger bleibt es insbesondere unbenommen, seine Förderer weiterhin – wenn auch ohne steuerliche Begünstigung – um Spenden zu bitten. Die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Religionsfreiheit) gewährleistet jedoch weder Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen15 noch auf Teilhabe an bestimmten steuerlichen Privilegien wie der Steuerfreiheit und des Spendenabzugs16.

Soweit der Kläger eine Ungleichbehandlung gegenüber der Pius-Bruderschaft behauptet, die als katholische Institution gemeinnützig sei, obwohl einer ihrer Vertreter wegen antisemitischer Äußerungen verurteilt wurde, führt dieses Vorbringen zu keiner anderen Beurteilung. Denn es ist weder vorgetragen noch für den Bundesfinanzhof ersichtlich, dass die Pius-Bruderschaft in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder des Landes als extremistisch bezeichnet wurde, sodass eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung i.S. von Art. 3 Abs. 1 GG bereits daran scheitert, dass keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen. Es findet auch keine Ungleichbehandlung zwischen Körperschaften statt, die gemeinnützige (§ 52 AO) und solchen, die kirchliche Zwecke (§ 54 AO) verfolgen. Denn die Einschränkung der Gemeinnützigkeit für extremistische Organisationen ist in § 51 Abs. 3 AO geregelt und gilt daher gleichermaßen für alle Körperschaften, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgen.

Am Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn die Ausführungen des Klägers zum Erfordernis einer Abwägung dahingehend verstanden werden, dass er einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip geltend macht.

Im Schrifttum ist zwar anerkannt, dass die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen § 63 AO unter Anwendung des rechtsstaatlich fundierten Verhältnismäßigkeitsprinzips am Ausmaß und Gewicht der Pflichtverletzung auszurichten sind. Dies kann dazu führen, dass bei kleineren, einmaligen Verstößen gegen Gemeinnützigkeitsvorschriften eine Entziehung der Steuervergünstigung ausscheidet.

Vorliegend konnte der Bundesfinanzhof offen lassen, ob er sich der Auffassung des Schrifttums zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips anschließt, denn es liegt jedenfalls kein leichter, einmaliger, sondern ein gewichtiger Verstoß gegen Gemeinnützigkeitsvorschriften vor. Dies ergibt sich aus der im Streitfall einschlägigen Regelung des § 51 Abs. 3 AO für Steuervergünstigungen, die für eine Gewährung von Steuervergünstigungen voraussetzt, dass die Körperschaft bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen i.S. des § 4 BVerfSchG fördert.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.03.2018 – V R 36/16
ECLI:DE:BFH:2018:U.140318.VR36.16.0

  1. Anschluss an BFH, Urteil vom 11.04.2012 – I R 11/11 []
  2. BFH, Urteil vom 11.04.2012 – I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl. II 2013, 146 []
  3. BFH, Urteil vom 11.04.2012 – I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl. II 2013, 146; Anwendungserlass zur Abgabenordnung, Nr. 10 Satz 2, Nr. 11 zu § 51 Abs. 3 AO []
  4. von Lersner, DStR 2012, 1685 ff. []
  5. BFH, Urteil vom 11.04.2012 – I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl. II 2013, 146 []
  6. Seer, in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 51 AO Rz. 10 a.E.; vgl. auch Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 3. Aufl., 3.13; Martini, in Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, § 51 AO Rz. 68 []
  7. BVerwG, Urteil vom 24.08.1990 – 8 C 65/89, BVerwGE 85, 314 ff. []
  8. BFH, Urteile vom 24.04.2013 – XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl. II 2013, 648; vom 19.03.2009 – IV R 45/06, BFHE 225, 334, BStBl. II 2009, 902; vom 20.11.2012 – VIII R 57/10, BFHE 239, 422, BStBl. II 2014, 56 []
  9. Musil, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52 AO Rz 47; Seer, in Tipke/ Kruse, § 52 AO Rz 9; Hey, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., § 20 Rz 2 []
  10. BT-Drs. 16/10189, S. 79 []
  11. BFH, Urteile vom 11.04.2012 – I R 11/11, BFHE 237, 22, BStBl. II 2013, 146; vom 17.05.2017 – V R 52/15, BFHE 258, 124 []
  12. BFH, Urteil vom 29.08.1984 – I R 215/81, BFHE 142, 243, BStBl. II 1985, 106 []
  13. BVerfG, Urteil vom 01.12.2009 – 1 BvR 2857/07, 1 BvR 2858/07, BVerfGE 125, 39 []
  14. BVerfG, Beschluss vom 27.06.2017 – 2 BvR 1333/17 []
  15. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2009 – 2 BvR 890/06, BVerfGE 123, 148; BFH, Urteil vom 30.06.2010 – II R 12/09, BFHE 230, 93, BStBl. II 2011, 48 []
  16. BFH, Urteil vom 31.05.2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, 1741 []