Die Betriebskosten für Räumlichkeiten steigen und steigen, was naturgemäß auch jeder Mieter spätestens beim Eingang der Betriebskostenabrechnung feststellt.
Kein Wunder also, dass es rund um die Betriebskosten immer wieder Streit zwischen Mieter und Vermieter gibt. Wir hatten u.A. hier und hier über entsprechende Fälle berichtet.
Bekannt ist den meisten Mietern, dass sie Anspruch auf Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Rechnungen haben.
Darüberhinaus hat der Bundesgerichtshof nun aber entschieden, dass der Mieter auch Anspruch auf Einsicht in die Zahlungsbelege hat, also die Nachweise, dass der Vermieter die Rechnungen tatsächlich auch beglichen hat.
Wie kam es zu dieser Entscheidung?
In dem entschiedenen Fall ist der Beklagte Mieter einer Wohnung der Klägerin.
Die Klägerin begehrt eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013. Sie gewährte dem Beklagten Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Rechnungsbelege; eine darüber hinaus vom Beklagten verlangte Einsichtnahme in die entsprechenden Zahlungsbelege lehnte sie ab.
Das Amtsgericht Berlin-Neukölln hat der Zahlungsklage im Wesentlichen stattgegeben1. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht Berlin die Klage insgesamt abgewiesen2.
Die von der klagenden Vermieterin eingelegte Revision zum Bundesgerichtshof blieb erfolglos.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs:
Das Landericht Berlin hat zur Begründung der Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Ausgleich der Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung derzeit nicht zu, weil sie dem Beklagten die begehrte Einsicht (auch) in die Zahlungsbelege nicht gewährt habe und dem Beklagten daher nach § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung ein temporäres Leistungsverweigerungsrecht zustehe3.
Die Abrechnungspflicht des Vermieters umfasse nach § 259 Abs. 1 BGB die Vorlage von Belegen, soweit diese erteilt zu werden pflegten. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Einsichtnahme in die Belege zur Überprüfung der Abrechnung zwingend erforderlich sein müsse, lasse sich der Vorschrift nicht entnehmen. Vielmehr genüge das allgemeine Interesse des Mieters, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren.
Lägen Zahlungsbelege zum Nachweis der Erfüllung von Forderungen gegenüber dem Gläubiger vor, sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb dem Abrechnungsempfänger eine Einsichtnahme in diese Belege verweigert werden sollte. Ein besonderes Interesse – wie etwa ein begründetes Misstrauen gegenüber der Abrechnungspraxis des Vermieters – brauche der Mieter nicht darzulegen. Es reiche vielmehr aus, dass er – wie jeder Abrechnungsempfänger – überprüfen könne, ob der Abrechnungspflichtige – hier der Vermieter – die Rechnungsbeträge so wie in der Abrechnung ausgewiesen beglichen und nicht etwa Kürzungen vorgenommen oder von Preisnachlässen oder Ähnlichem profitiert habe. Anders möge es sich allenfalls dann verhalten, wenn Zahlungsbelege nicht vorlägen, etwa weil Rechnungen (z.B. mangels Fälligkeit) noch nicht beglichen worden seien.
Dass sich das Belegeinsichtsrecht des Mieters auf Zahlungsbelege erstrecken müsse, ergebe sich zudem spiegelbildlich als geradezu zwingendes (Gegen-)Recht des Mieters, wenn dem Vermieter ein Wahlrecht bezüglich der Abrechnungsmethode zugebilligt werde. Bei der Abrechnung nach dem „Abflussprinzip“ – bei dem der Vermieter auf die im Abrechnungszeitraum tatsächlich bezahlten Rechnungen abstelle – sei zur sachgerechten Überprüfung die Einsichtnahme in die Zahlungsbelege erforderlich.
Da die Klägerin von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, sei sie – unabhängig von der Frage, ob dem Beklagten ein Recht auf Einsichtnahme in sämtliche der Klägerin vorliegenden Zahlungsbelege zuzugestehen sei – hier in jedem Fall in begrenztem Umfang zur Vorlage verpflichtet.
Diese Beurteilung hält nach Auffassung des Bundesgerichtshofs rechtlicher Nachprüfung stand.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die das Landgericht Berlin zutreffend angewendet hat, steht dem Mieter gegenüber dem auf eine Betriebskostenabrechnung gestützten Zahlungsverlangen des Vermieters ein aus § 242 BGB folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht zu, solange ihm eine nach § 259 Abs. 1 BGB berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt wor-den ist4.
Zu den Abrechnungsunterlagen, auf die sich das Einsichtsrecht des Mieters bezieht, gehören neben den Rechnungen auch die dazugehörigen Zahlungsbelege über die in der Abrechnung auf die Mieter umgelegten Betriebskosten. Denn mit Hilfe dieser Belege wird der Mieter in die Lage versetzt, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen. Der Darlegung eines besonderen Interesses bedarf es dabei nicht, es genügt vielmehr das allgemeine Interesse des Mieters, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren5.
Entgegen der Auffassung der Revision gilt das nach Affassung des Bundesgerichtshofs auch für die Einsichtnahme in die Zahlungsbelege, und zwar unabhängig davon, ob der Vermieter nach dem Abflussprinzip oder nach dem Leistungsprinzip abrechnet oder bei den unterschiedlichen Betriebskostenarten teils die eine, teils die andere Abrechnungsmethode anwendet.
Zu Unrecht meint die Revision, so der Bundesgerichtshof weiter, der Mieter habe an der Vorlage der Zahlungsbelege kein berechtigtes Interesse, weil etwaige Kürzungen oder Nachlässe nicht nur aus dem Zahlungsbeleg ersichtlich seien, sondern vom Vermieter pflichtgemäß bereits auf dem Rechnungsbeleg zu vermerken seien, der Vermieter sich im Falle der Umlage eines nicht oder nicht in voller Höhe entstandenen Rechnungsbetrags wegen Betrugs zu verantworten hätte und die Belegeinsicht dem Mieter ohnehin keinen Schutz biete, da auch Belege manipuliert sein könnten. Mit derartigen Spekulationen kann das der Belegeinsicht zugrundeliegende (allgemeine) Kontrollinteresse des Mieters nicht verneint werden. Zudem verkennt die Revision, dass die Belegeinsicht auch der Aufdeckung möglicher bloßer Versehen bei der Abrechnung dient.
Entgegen der Auffassung der Revision ist es für den Anspruch des Mieters auf Belegeinsicht (inklusive der Zahlungsbelege) auch nicht von Bedeutung, dass der nach dem Leistungsprinzip abrechnende Vermieter die im Abrechnungszeitraum erbrachten beziehungsweise darauf entfallenden Leistungen unabhängig davon umlegen kann, ob diese (bereits) im Abrechnungszeitraum bezahlt wurden. Denn dies ändert nichts daran, dass sich das allgemeine Kontrollinteresse des Mieters darauf erstreckt, ob der Vermieter die in die Abrechnung eingestellten Leistungen Dritter seinerseits (vollständig) bezahlt hat. Ist das nicht der Fall, besteht für den Mieter zumindest Anlass zu Nachfragen oder zur Erhebung von Einwendungen. Im Zeitpunkt der Erteilung der Abrechnung wird im allgemeinen ein Zeitraum von mehreren Monaten seit Ablauf der Abrechnungsperiode (hier fast 10 Monate) verstrichen und deshalb regelmäßig zu erwarten sein, dass der Vermieter berechtigte Rechnungsbeträge seinerseits inzwischen im normalen Geschäftsgang bezahlt hat. Soweit der Vermieter insoweit einen Zahlungsbeleg nicht vorzulegen vermag, kann das – wie ausgeführt – Anlass für Nachfragen des Mieters oder zur Erhebung von Einwendungen gegen einzelne Kostenpositionen sein.
Soweit der Vermieter nach dem Abflussprinzip abrechnet, das auf die im Abrechnungszeitraum abgeflossenen Mittel (bei Rechnungen Dritter also die Bezahlung dieser Rechnungen durch den Vermieter) abstellt, ist der Mieter zur Überprüfung der Abrechnung sogar zwingend auf die Einsicht in die Zahlungsbelege angewiesen, eben weil es für die Richtigkeit der Abrechnung in diesem Fall entscheidend darauf ankommt, ob die jeweiligen Betriebskosten im Abrechnungszeitraum bezahlt worden sind.
Ohne Erfolg macht die Revision schließlich geltend, das Landgericht Berlin hätte der Klägerin die streitige Nachforderung zumindest insoweit zusprechen müssen, als sie sich allein aus den nach dem Leistungsprinzip abgerechneten Betriebskostenarten (also unter Außerachtlassung der nach dem Abflussprinzip in Rechnung gestellten Positionen) ergab.
Das Landgericht Berlin hat schon keine abschließenden Feststellungen zu der bei sämtlichen Betriebskostenpositionen jeweils angewendeten Abrechnungsmethode getroffen. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision insoweit nicht auf. Vor allem aber bezieht sich das Einsichtsrecht des Mieters – unabhängig von der aus der Abrechnung als solcher ohnehin nicht ersichtlichen Abrech-nungsmethode – auf die jeweiligen (und damit auf sämtliche vorhandenen) Zahlungsbelege.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.12.2020 – VIII ZR 118/19
ECLI:DE:BGH:2020:091220UVIIIZR118.19.0
- AG Berlin-Neukölln, Urteil vom 13.09.2018 – 8 C 259/18 [↩]
- LG Berlin, Urteil vom 13.02.2019 – 65 S 196/18 [↩]
- BGH, NJW 2018, 1599 [↩]
- BGH, Urteile vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17; vom 10.04.2019 – VIII ZR 250/17 [↩]
- BGH, Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17 [↩]