Das Toupet als außergewöhnliche Belastung

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz musste sich jetzt mit der Frage befassen, ob, bzw. unter welchen Umständen Aufwendungen für die Anschaffung eines Haarteils (Toupet) bei den außergewöhnlichen Belastungen berücksichtigt werden können.

Der damals 65jährige Kläger hatte im Streitjahr 2006 Aufwendungen in Höhe von 850,00 € zum Erwerb eines künstlichen Haarteils bei den außergewöhnlichen Belastungensteuerlich geltend gemacht. Nach der Ablehnung durch das Finanzamt trug der Kläger unter Vorlage eines 2001 ausgestellten Rezeptes eines Neurologen vor, seit 1970 sei ihm krankheitsbedingt alle zwei Jahre ein künstliches Haarteil ärztlich verschrieben worden; die diesbezüglichen Kosten habe die gesetzliche Krankenkasse bis zur gesetzlichen Neuregelung einschließlich des Jahres 2000 übernommen. Das Finanzamt habe die Kosten für 2002 und 2004 anerkannt. Es gehe nicht an, nunmehr die Bescheinigung eines Amts- oder Vertrauensarztes zu verlangen, dies widerspreche dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Bei einer anerkannten Erkrankung genüge die einmalige Vorlage einer ärztlichen Verordnung. Eine solche sei vorgelegt worden. Es habe sich um eine letztmalige Verordnung gehandelt, weil die Krankenkasse ab 2001 diesbezügliche Aufwendungen nicht mehr erstatte.

Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg.

Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, es gehe zwar davon aus, dass der Kläger von einer entzündlichen Haarausfallerkrankung („Alopecia areata”) befallen gewesen sei. Bei Krankheiten könnten nicht erstattete Heilbehandlungskosten zur Steuerminderung als außergewöhnliche Belastung führen. Nur vorbeugende, der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen oder die mit einer Krankheit verbundenen Folgekosten erwüchsen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht „zwangsläufig” i.S. einer agB. Zur Abwehr von Missbräuchen sei daher die Vorlage eines zeitlich vor der Aufwendung erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Attestes notwendig, aus dem sich zweifelsfrei entnehmen lasse, dass die den Aufwendungen zu Grunde liegenden Maßnahmen medizinisch indiziert seien. Auch im Streitfall sei es erforderlich gewesen, dass der Kläger vor der Anschaffung des Haarteils ein entsprechendes amts – oder vertrauensärztliches Zeugnis vorgelegt hätte: zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit des Erwerbs eines künstlichen Haarteils zur Linderung oder Behebung einer (ggf. psychischen) Erkrankung wegen krankheitsbedingter Kahlköpfigkeit. Das sei nicht geschehen. Eine medizinische Notwendigkeit zur Anschaffung eines Toupets sei nicht nachgewiesen. Außerdem habe das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse bei Versorgung eines Mannes mit einer Perücke bei krankheitsbedingten Haarverlust verneint. Dieses Gericht führe zu Recht aus, dass – anders als bei Frauen – bei Männern in der Gesellschaft Kahlköpfigkeit nicht als besonders auffälliger Zustand angesehen werde. Auch wenn der Kläger als damals 30-jähriger seinerzeit in seiner damaligen Umwelt psychische Probleme gehabt hätte, so habe sich die Situation mittlerweile grundlegend geändert. Damals wie heute stelle ein 65-jähriger haarloser Mann keine „aufsehenerregende Besonderheit” dar. Für den Fall einer psychischen Erkrankung hätte es demnach auch der Vorlage eines amts- oder vertrauensärztlichen Zeugnisses bedurft. Psychische Erkrankungen würden nämlich herkömmlicherweise nicht durch Erwerb eines künstlichen Haarteils behandelt.

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. November 2008 – 2 K 1928/08 (nicht rechtskräftig)